Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2009, Rubrik Titelthema

Neue Mitwirkungsrechte für Jugend- und Auszubildendenvertretungen in den beruflichen Schulen

DGB-Jugend Hamburg erringt bundesweite Vorreiterrolle

Von Olaf Schwede, DGB-Jugend Hamburg

Mehr Demokratie – dieses Ziel hat die DGB-Jugend in Hamburg erreicht: Die betrieblichen Jugend- und Auszubildendenvertretungen reden nun bei Fragen der beruflichen Bildung mit.

In der gewerkschaftlichen, arbeitsweltbezogenen Jugendarbeit kommt der betrieblichen Ebene eine wichtige Rolle zu. Über 39.000 Auszubildende haben 2009 in Hamburg eine Ausbildung wahrgenommen. Für ihre Interessen engagieren sich in den Betrieben mehrere hundert Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV). Diese können in Betrieben ab fünf Wahlberechtigten gewählt werden. Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer/innen unter 18 Jahren und alle Auszubildenden unter 25 Jahren. Viele JAV-Akteure sind auch Mitglieder der Gewerkschaftsjugend und besuchen regelmäßig Veranstaltungen, Tagungen und Seminare ihrer Gewerkschaft. Die Betreuung und Schulung der JAVs ist eine zentrale Kernaufgabe der gewerkschaftlichen Jugendarbeit. Das Engagement der JAVs bildet auch die Basis der innerverbandlichen Gremien der DGB-Jugend.

Aufgaben. Die JAVs sollen die besonderen betrieblichen Belange der Jugendlichen gegenüber dem Betriebsrat und – in der Praxis – oft auch gegenüber der Ausbildungsleitung vertreten. Eine zentrale Aufgabe ist dabei die Überwachung des Ausbildungsrahmenplans, von Tarifverträgen und gesetzlichen Schutzvorschriften. Dafür können sie Sprechstunden einrichten, sowie Betriebsbegehungen und Jugendversammlungen durchführen. Darüber hinaus engagieren sich viele Jugendvertretungen gegen Rassismus und Diskriminierung sowie für mehr Ausbildungsplätze und eine höhere Ausbildungsqualität. Dabei sind sie jedoch auf eine enge Kooperation mit den Betriebs- oder Personalräten angewiesen.

Bisher war der JAV-Arbeitsbereich allerdings auf den rein betrieblichen Bereich beschränkt. Dies führte insbesondere an der Schnittstelle zwischen Betrieb und Berufsschule häufig zu Problemen. In der dualen Ausbildung sind die Vertreter/innen oft die erste Anlaufstelle für Auszubildenden, wenn es um allgemeine Fragen oder Qualitätsfragen in den beruflichen Schulen geht. Die Ursache hierfür ist, dass den dualen Auszubildende als Teilzeitschüler/innen ihre betriebliche Interessenvertretung oft näher steht, als die Schüler/innenvertretung, mit welcher sie eher sporadisch Kontakt haben.

Lernortkooperation. Aus diesem Grund hat die DGB-Jugend anlässlich der Bürgerschaftswahl 2008 die Forderung erhoben, die Jugend- und Auszubildendenvertretungen an der Lernortkooperation zwischen Betrieben und Berufsschulen zu beteiligen. Die Lernortkooperationen wurden im Rahmen des Schulreformgesetzes 2006 an allen Berufsschulen eingeführt und sollen mit zahlreichen Rechten ausgestattet die Kooperation zwischen Betrieben und Berufsschulen verbessern.

Die Forderung der DGB-Jugend wurde nun im Rahmen der aktuellen Schulreform von der Bürgerschaft aufgenommen. Einstimmig hat die Hamburgische Bürgerschaft auf Antrag der GAL-Fraktion im Oktober 2009 die Aufnahme weiterer Mitwirkungsrechte der JAVs in das Hamburgische Schulgesetz beschlossen. Dies ist als ein bisher bundesweit einzigartiger Schritt zu bewerten.

Zukünftig besitzt eine JAV nach dem neuen Schulgesetz ein »Anwesenheits-, Antrags- und Initiativrecht« gegenüber der Lernortkooperation in allen Fragen, für die diese zuständig ist. Dazu gehören beispielsweise die Abstimmung von Ausbildungsinhalten zwischen Schulen und Betrieben, die Organisationsformen des Unterrichts (z. B. Teilzeit- oder Blockunterricht), die Ausgestaltung von Bildungsplänen sowie das Thema Zusatzqualifikationen und Förderangebote (z.B. Ausbildungsmaßnahmen im Ausland).

Das bedeutet, sie können Missstände und Probleme direkt gegenüber der Schule ansprechen und offiziell eigene Vorschläge in schulische Gremien einbringen. Die Bürgerschaft räumt den JAVs ein Mandat ergänzend zur Schülervertretung ein. Die Schulleitungen werden aufgefordert, die Beteiligung in den Schulen »individuell und unbürokratisch« umzusetzen.

Außenvertretungsrecht. Die entsprechenden Beteiligungsrechte stehen ausschließlich den Jugendvertretungen, nicht aber den Betriebs- oder Personalräten zu. Auch dies ist eine bundesweit einmalige Regelung. Sie erhalten gegenüber den Berufsschulen und damit folgerichtig auch gegenüber der Schulaufsicht und weiteren Teilen der zuständigen Behörde ein eigenes Außenvertretungsrecht. Da die Ausbildungsbetriebe – Geschäftsführung und Ausbildungsleitung – direkt an der Lernortkooperation beteiligt sind, kann dieses Recht ausdrücklich auch im Konflikt zur Ausbildungs- leitung gegenüber der Schule wahrgenommen werden. Die Unterstützung des Betriebs- oder Personalrats bleibt hierbei natürlich hilfreich, ist aber nicht zwingend notwendig.

Dem Beschluss ging eine sehr intensive Lobbyarbeit der DGB-Jugend voraus. Ausschlaggebend war neben der Vorarbeit der überzeugende Auftritt in der öffentlichen Anhörung zum Schulgesetz. Damit ist die aktuelle Gesetzesänderung auch ein Beispiel dafür, dass sich Engagement für mehr Mitbestimmung und für mehr Mitwirkung von Jugendlichen lohnt und auszahlt. So heißt es im Antrag der GAL-Fraktion: »Mit dieser Regelung wird darüber hinaus das ehrenamtliche Engagement der Jugendlichen für die Ausbildungsqualität in den Betrieben und Schulen gestärkt und anerkannt. Zudem schafft eine solche gesetzliche Regelung die Möglichkeit, stärker als bisher die Qualitätsentwicklung der beruflichen Schulen zum Thema betrieblicher Jugendarbeit zu machen. Dies wäre insofern ein Zeichen, dass Ausbildungsqualität in Betrieb und Schule ein anerkannter Bereich der Mitwirkung von Jugendlichen ist und sein muss.«

Partizipation ausbauen. Politisch ist dies auch deswegen besonders wichtig, da hier Jugendlichen erhöhte Beteiligungsrechte im Betrieb und in der Schule gewährt werden. Damit haben die politischen Entscheidungsträger ein deutliches Signal gesetzt, das die Partizipation von Jugendlichen nicht bei der Gestaltung des Jugendclubs oder der örtlichen Grünanlage aufhören darf, sondern sich auf alle Bereiche des Alltagslebens erstrecken muss. Demokratische Beteiligung von Jugendlichen vor Ort zu stärken – dieser Ansatz bietet in Hamburg noch genügend Raum für weitere positive Entscheidungen. Das Beispiel zeigt, dass es sich lohnt, sich dafür starkzumachen.
Die DGB-Jugend will nun durch Informationsabende über die neuen Möglichkeiten informieren und eine Arbeitshilfe für die Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretungen herausbringen.

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Hintergrund: Hamburgische Bürgerschaft, Drucksache 19/4255
Infos: DGB-Jugend Hamburg | Olaf Schwede Tel. (040) 28 58 256 | olaf.schwede [at] dgb.de