von Bianca Gerlach
Am Nachmittag ist die Stimmung im Keller – und zwar wörtlich gemeint! Denn an der Sankt-Ansgard-Schule in Hohenfelde bietet die Katholische Studierende Jugend (KSJ) für Schüler ein spannendes Freizeitprogramm.
Die Jugendlichen treffen sich im Keller. An der Theke im Ausschank gibt es Bier, Astra für 75 Cent, Becks für einen Euro. Es wird geraucht, gelacht, U2 und Eminem gehört. Freizeitgestaltung, wie es junge Menschen mögen. In der Ecke flimmern zwei rote Lampen und machen den Raum mit den niedrigen Decken gemütlich. Ein ganz normaler Nachmittag unter Jugendlichen. Fast normal. Denn diese Gruppe verbringt ihn an einem Ort, den viele ihrer Altersgenossen vermutlich kaum als ihren Lieblingsplatz bezeichnen würden: in der Schule.
Die Kellerräume befinden sich im Gebäude der Sankt Ansgar-Schule in Hohenfelde. Kostenlos nutzen darf sie die Katholisch Studierende Jugend, kurz KSJ, wobei es sich nicht, wie der Name vielleicht vermuten lässt, um eine Studentenvereinigung handelt. Der Name bezeichnet, abgeleitet vom lateinischen Studiosus oder englischen Student, Schüler allgemein. Heute Abend, einer von zwei Abenden im Monat, treffen sich die »Ölleren«, die ehemaligen Schüler, und Schüler ab 16 Jahren zum Teamertreffen. Die meisten von ihnen kennen das unterste Geschoß bereits seit der fünften Klasse. Anfangs zum Spielen, dann um selbst Spiele anzuleiten.
Das Konzept, das hier unten dahinter steckt: Jugend leitet Jugend. Im Alltag heißt das: Jugendliche organisieren während des Schuljahres nachmittags ein Programm für kleinere Schüler. In den so genannten Gruppenstunden turnt man etwa zusammen, bastelt Collagen, kocht oder hilft bei den Hausaufgaben. Viel Werbung brauchen die Jugendlichen für dieses Angebot nicht machen. Die Mehrzahl der Neuankömmlinge, die an die Ansgar-Schule kommen werden Mitglieder – und bleiben es meistens. Bis zur neunten Klasse sind sie dann gegen 40 Euro Beitrag im Jahr ein Grumi, Gruppenmitglied. Ab der Zehnten können sich die Schüler dann selbst um die Leitung einer Fünften kümmern. Jeweils zu zweit, insgesamt 12 pro Jahrgangsstufe, betreuen sie dann eine Kleingruppe und bleiben zusammen, bis die Jüngeren selbst in der neunten Klasse sind. Unterstützt werden sie in der Anfangsphase und generell bei Fragen und Problemen von den drei nichtehrenamtlichen Erwachsenen der KSJ. Darunter Pfarrer Bernd Hagenkort. Nummer zwei der »Großen« ist der 27jährige Felix, der eine theologische Ausbildung macht und derzeit das Kellerteam unterstützt. Seine Aufgabe sei es, geistliche Impulse einzubringen, wie er selbst sagt. Als dritter in der Runde ist jeweils pro Schuljahr ein Zivildienst- leistender beschäftigt.
Gruppenstunden beginnen ab 14 Uhr, geöffnet sind die Räume ab 12 Uhr für die Schüler. Jede Gruppe hat dabei ihren eigenen Raum, der von dem langen Flur mit einem Labyrinth aus Heizungsrohren abgeht. Die Planung der Nachmittage liegt in der Hand der Jugendleiter. Kreativität ist dabei eine Grundvoraussetzung. »Wenn Kinder sich langweilen, merkt man das sofort«, erklärt Alex, einer der Jugendlichen, der bereits seit der fünften Klasse dabei ist. Und lacht: »da lässt man sich beim nächsten Mal etwas Besseres einfallen.« Absolutes Highlight sind die jährlichen Sommerlager, die in den großen Ferien stattfinden. 16 Tage lang fahren die Kinder dann nach Klassen getrennt in den Urlaub, meist zum Zelten. Unter den Zielen beispielsweise der Harz oder das Sauerland. Um mitfahren zu können, muss man KSJ-Mitglied sein – was scheinbar fast alle Kinder sind, denn in der Regel fährt die gesamte Jahrgangsstufe mit. Die Organisation der Zelte, die Essensplanung und vor allem das tägliche Programm planen die Jugendlichen. Bei Problemen stehen Ehemalige und die drei »Großen« zur Verfügung.
»Mit der Planung des Freizeitprogramms im Sommerlager beginnen wir bereits früh im Jahr«, beschreibt die 19jährige Maren, die in diesem Jahr ihr Abitur macht. Von der Zeltmiete, Einkauf von Lebensmitteln, dem Chartern des Busses gibt es viel zu planen. Eine der größten Herausforderungen sind allerdings die langen Tage, die mit Programm gefüllt werden müssen. »Bei den Spielen sind einige besonders beliebt, Dauerbrenner sind etwa jedes Jahr die Miniplaybackshow und Talkshows« erklärt sie. »Das Größte ist aber definitiv das Fußballspiel der Grumis gegen die Leiter – vor allem, wenn die »Großen« verlieren«, lacht sie. Feste Komponenten jedes Jahr sind zudem Wanderausflüge, wo die Kinder in kleinen Gruppen für einen Tag das Lager verlassen und auf eigene Faust Unterkünfte suchen, in anderen Gemeinden, aber auch auf Bauernhöfen, wo sie manchmal sogar im Heu übernachten. »Diese Touren sind immer total aufregend für die Kleinen. Am nächsten Tag erzählen sie total stolz, wo sie untergekommen sind«, erzählt Maren weiter. Sie selbst war auch jahrelang Grumi, Gruppenmitglied und freut sich, dass sie die Tradition am Laufen halten kann: »Ich selbst hatte auch immer total viel Spaß hier unten. Jetzt versuche ich selbst, den Kleinen etwas davon zurück zu geben«, sagt sie.
»Meist ist es mehr Arbeit als man anfangs denkt«, räumt Alex ein. Dennoch ist er trotz seiner Leidenschaft für Handball gerne Jugendleiter. Doch warum? Ein Erklärungsversuch von Alex: »Wenn man den Enthusiasmus sieht, mit dem die Kinder an den Spielen teilnehmen, sieht wie sehr ihnen alles Spaß macht: Das ist einfach schön.« Maren stimmt ihm zu und schlussfolgert: »KSJ ist Lebensqualität!« Ihr soziales Engagement hat die beiden geprägt. Ob es sich auch auf die Berufswahl auswirkt? Sicher: Maren möchte in der Zukunft gerne in der Entwicklungshilfe tätig sein, Alex als Arzt ohne Grenzen arbeiten.
Den langen Kellerflur mit den massiven Blechtüren haben die Kinder und Jugendlichen verziert. An den Wänden hängen Collagen, einige sind bunt bemalt. Fotografien von Theateraufführungen zeigen Inszenierungen von Bibel-Passagen, etwa vom Tod Jesu, darunter ein Computerausdruck des passenden Matthäus Psalms. Alles sehr spielerisch, modern. Generell sind die Jugendlichen mit dem Umgang mit Glauben sehr entspannt. »Durch die Art wie wir mit unserem Glauben und Religiosität umgehen, verrücken wir in den Köpfen der Jugendlichen das Bild von einer langweiligen und abschreckenden Kirche«, heißt es in einer Selbstdarstellung der KSJ. Konkret heißt das beispielsweise für den Ablauf des Sommerlagers, dass zwar Gottesdienste abgehalten werden und die Kinder gemeinsam zum Beten animiert werden, aber »ganz anders als man es aus katholischen Kirchen kennt«, erläutert Maren. Abends vor dem Schlafengehen findet beispielsweise ein »Output« statt, wie die KSJler die besinnliche Zeit am Abend nennen. Hier ist dann Platz für eine Geschichte mit religiösem Hintergrund oder einem Gebet. Auch im Liederbuch, wovon eines in der Küche auf dem Tisch liegt, sind keine düsteren Kirchenlieder zu finden. Neben Lagerfeuer-Klassikern wie »Bolle reiste einst zu Pfingsten« sind darin moderne Lieder wie »Be my baby« aus Dirty Dancing und »Er gehört zu mir« von Marianne Rosenberg gesammelt.
Die KSJ ist ein perfektes Beispiel, wie das System Jugend leitet Jugend klappen kann. Doch seit kurzem müssen die beiden Stadtgruppen der KSJ, Sankt Willibrord am Ansgar-Gymnasium und Sankt Scholastika an der Sophie-Barat-Schule am Mittelweg, sehr wahrscheinlich an ihrem Konzept feilen. Denn mit der Umstellung der Gymnasien auf eine Ganztagsschule und dem Abitur nach dem 12. Jahrgang kommen einige Veränderungen auf die Gruppen zu. Mit der neuen Regelung sind Schüler in der Zukunft bis 16 Uhr in der Schule. Ob danach noch Zeit bleibt, um die Angebote im Keller zu nutzen, ist fraglich. Ein Verlust für die Schüler Hamburgs wäre es in jedem Falle.
Info: Katholische Studierende Jugend
Die Katholische Studierende Jugendist eine Arbeitsgemeinschaft zweier selbständiger SchülerInnen-Verbände: dem Heliand-Mädchenkreis und der Schülergemeinschaft im Bund Neudeutschland.
Aktuell zählt die KSJ bundesweit etwa 12.000 Mitglieder. Die Gruppen sind in mehr als 100 Städten und 22 Bistümern der Bundesrepublik aktiv. In den Gruppen treffen sich Jugendliche ab der 5. Klasse und nehmen ihre Freizeit selbst in die Hand. Die Gruppen sind nach Unter-, Mittel- und Oberstufe organisiert. Angeleitet werden die Gruppen von pädagogisch geschulten Jugendlichen, die gemeinsam mit den Mitgliedern das Gruppenleben gestalten.
»Demokratie und Mitbestimmung sind für uns ebenso wichtig wie Engagement und Spaß. – Aufgrund des Prinzips der Freiwilligkeit und Ehrenamtlichkeit können wir uns das Betätigungsfeld selbst aussuchen; es steht aber kein Leistungs- und Bewertungssystem dahinter, welches uns unter Druck setzt. Vielmehr beruht die Qualität unserer Arbeit auf Identifikation und Begeisterung.«
»Schulische Bildung – wie wir sie wollen – soll Schülerinnen und Schüler zu kritischem Selbstverständnis, Selbstbestimmung und Handlungsfähigkeit führen. Gleichzeitig soll sie zu stetiger Reflexion über die gesellschaftlichen Gegebenheiten anregen und Verantwortungsbereitschaft für den Mitmenschen und die Eine Welt fördern. Als katholischer Zielgruppenverband bringen wir auch in die Schule unsere christlichen Vorstellungen und Werte ein.« (KSJ-homepage)
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Kontakt: KSJ Diözesanbüro | Sankt Ansgar Schule | Bürgerweide 33 | 20535 Hamburg
(040) 25 30 34 - 0 oder -20
ksj.dioezese@ | hamburg.dewww.ksj-hamburg.de
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