Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3-2007, Rubrik Titelthema

Innovative Wege der Jugendmedienarbeit mit Web 2.0

von Prof. Dr. Franz Josef Röll, Hochschule Darmstadt

Das Web 2.0 stellt im Moment die größte Herausforderung an die Jugendmedienbildung. Da jede neue Wahrnehmungstechnologie nicht nur Chancen sondern auch Risiken mit sich bringt, bedarf es einer Auseinandersetzung mit diesem neuen Medium. Mit dem Web 2.0 haben die Jugendlichen nicht mehr nur mit der Gefahr von Viren-, Würmer-, Spam- und Pishing-Plagen zu tun, weit problematischer ist das Aufzeichnen des Clickstreams der Nutzer (und damit die Möglichkeit Persönlichkeitsprofile zu erstellen) und vor allem die freiwillige Preisgabe von persönlichen Daten und deren missbräuchliche Benutzung. Trotz der Gefahren sehe ich die Notwendigkeit die innovativen Potentiale des Web 2.0 zu nutzen.


Aufenthaltsorte von Jugendlichen

Das Medium Internet hat sich zwischenzeitlich zu einem der meist genutzten Medien gewandelt. Bereits 97 Prozent der Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren tummeln sich im Internet. Durchschnittlich verbringen sie jeden Tag etwa 155 Minuten im Netz. Während Erwachsene das Internet verstärkt informationsorientiert nutzen, stehen bei Jugendlichen Unterhaltung, Spielen, Freunde treffen und sich selbst darstellen im Vordergrund. Längst hat sich eine »digitale Kluft« zwischen der jüngeren und erwachsenen Generation gebildet. Während sich die Jugendlichen über ICQ oder Instant Messenger austauschen oder sich in einem Chatroom aufhalten (ein Viertel der Jugendlichen macht dies regelmäßig) fehlt den Eltern und des Öfteren auch den Pädagogen die Erfahrung (und meist auch die Kompetenz) diese Anwendungen zu bedienen. Klammheimlich hat sich die Alltagskultur unserer Jugendlichen gewandelt.

Das Computerspiel »World of Warcraft« kann als das neue Märchen bezeichnet werden. Etwa 17 Stunden pro Wochen verbringen Spieler (vorwiegend männliche Jugendliche) mit dem beliebtesten Computerspiel. Neun Millionen Menschen nehmen die Rolle von Magiern, Priestern und Kriegern an und tauchen in eine mittelalterliche Märchenwelt ein. Das neue Tagebuch heißt Weblog. Die Blogger sind meist weiblich (drei/viertel) und zu 85 % zwischen 15 und 24 Jahre alt. Den neuen Spielplatz findet man bei Habbo. Wenn auch das Habbo-Hotel eher von einer kindlichen Grafik geprägt ist, sind 90 % der Teilnehmer Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren. Die User können digitale Hotelzimmer mit virtuellen Möbeln einrichten (die echtes Geld kosten), können mit anderen oder zu Besuch kommenden Stars (z.B. Tokio Hotel) chatten und spielen. Als neues Telefon setzen 60 % der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren ICQ oder Yahoo und MSN Messenger ein. Auf dem Bildschirm ist zu sehen wer von den Freunden gerade online ist. Jederzeit kann eine Nachricht geschickt oder empfangen werden. Der beliebteste Chatroom »Knuddels.de« ist der neue Dorfplatz. Er hat 2,4 Millionen Mitglieder, davon sind 90 % zwischen 14 und 19 Jahren. Das neue Poesiealbum kann man bei SchülerVZ (das Schülerverzeichnis) finden. Der eigene Name und der Name der Schule, Fotos und persönliche Interessen können veröffentlicht werden. Andere Mitglieder können Kommentare dazu schreiben und die Person zur Liste der eigenen Freunde fügen. Ein Videorecorder wird auch nicht mehr benötigt. In YouTube sind Tausende von Filme eingestellt und können angesehen oder herunter geladen werden.

Die Mehrzahl der hier beschriebenen virtuellen Aufenthaltsorte von Jugendlichen gehören zu den so genannten Web 2.0 Anwendungen. Bevor ich beispielhaft einzelne Anwendungen näher beschreiben möchte und deren Integration in die Jugendarbeit beschreiben möchte, möchte ich zuerst die »neue Qualität« dessen beschreiben was man Web 2.0 nennt.

Gesellschaftliche Hintergründe

Es gibt offensichtlich einen Bedarf nach Realisierung von Unmittelbarkeit. Dieser Bedarf basiert auf den Interessen nach Autonomie und den Selbstverwirklichungsvorstellungen des Ichs.
Diese Bedürfnisse sind an Lokalität und regionaler Verortung orientiert. Gerade in Anbetracht der Globalisierung und den damit verbundenen oligopolistischen Interessen, zunehmender Individualisierung, der Auflösung langfristiger sozialer Bindungen, dem Verlust traditionaler Bindungen und identitätsbildender Strukturen, der erhöhten sozialen Gefährdung und dem erhöhten Mobilisierungsdruck geht der Wunsch nach soziale Verortung keineswegs verloren.

Bei dem im Moment herrschenden »flexiblen Kapitalismus« (Richard Sennet) kommt es zunehmend zum Abbau von Strukturen, die auf Langfristigkeit und Dauer angelegt sind.
Starke soziale Bindungen wie Loyalität und Dienstbereitschaft verlieren ihre Bedeutung. Flüchtige Formen von Gemeinsamkeiten sind nützlicher als langfristige Verbindungen. Distanz und oberflächliche Kooperationsbereitschaft sind bessere Panzer im Kampf mit den gegenwärtigen Bedingungen. Schwache Beziehungen sind in diesen Zeiten offensichtlich günstiger als Überlebensstrategie. Wer in der Lage ist mehrere schwache Beziehungen aufzubauen ist nicht abhängig von festen Beziehungsstrukturen. Daher kann in Zeiten der permanenten Flexibilität eine Vielzahl von schwachen Beziehungen nützlicher sein als die Abhängigkeit von einer zentralen Bindung. In Anlehnung an Mark Granovetter kann daher beim Web 2.0 von einer Stärke der schwachen Beziehung ausgegangen werden. Notwendig ist aber eine Vernetzung, damit diese schwachen Beziehungen sich realisieren können.

Die neue Qualität von Web 2.0

Web 2.0-Anwendungen zeichnen sich durch eine fortwährende Dynamik aus. Kennzeichnend für diese Entwicklung sind die Partizipation der Nutzer und der permanente Austausch der Beteiligten. Neue Formen von Beteiligung, Teilnahme, Mitwirkung und Mitbestimmung kristallisieren sich heraus. Kennzeichnend für diese Bewegung ist eine Ethik der Kooperation. Kollektiv werden Ressourcen erschlossen, Kompetenzen und Potentiale zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um ein auf ein hedonistisches Interesse sich beziehendes Unterstützungssystem auf Gegenseitigkeit. Kooperiert wird im Rahmen gemeinsamer Angelegenheiten.

Web 2.0 fördert die Tendenz, dass die Nutzer Personen mit gleichen Interessen und/oder Intentionen finden. Es handelt sich um auf Tauschprinzip beruhende Beziehungen, bei der die Teilnahme freiwillig ist und eine Personenorientierung vorherrscht. Der soziale Austausch unter den Mitgliedern fördert die Community-Bildung.

Nicht kognitiv-rationale Entscheidungen (lineare Klassifikationen) oder sequentielle Wahrnehmungsprozesse (wie z.B. beim Lesen) werden durch das Web 2.0 gefördert, sondern eher das assoziative und kombinatorisches Denken. Entlang nicht-linearer Navigationsstrukturen entsteht augenblicklich ein pulsierendes Netz im Netz mit einem hohen Grad an Vernetzung, die so genannte Folksonomy. Verweise und Zuordnung erfolgen durch die handelnden Subjekte, wodurch sie nachvollziehbar werden.

Will man Jugendliche da abholen wo sie sind, bedarf es der Auseinandersetzung mit deren durch Web 2.0 geprägten Wahrnehmungssystem. Die Integration von Web 2.0-Technologien (u.a. Wikis, Weblogs, Podcasts, Messenger, Handys) könnte somit innovative Impulse für den pädagogischen Alltag eröffnen. Die genannten neuen Technologien eröffnen außergewöhnlich spannende interaktive Lernerfahrungen. Doch der Einsatz dieser Technologien alleine genügt nicht. Entscheidend dabei ist die Akzeptanz der durch Web 2.0 zum Ausdruck kommenden neuen Kommunikationsformen.

An die Stelle starrer Strukturen treten netzwerkartige Gliederungen, ein personenbezogenes Beziehungsgeflecht, das ein gemeinsames Basisinteresse hat, das bei aktuellen Anlässen aktiviert wird. Die Teilnehmenden lernen voneinander und miteinander. Beispielhaft für diese Form der Nutzung des Internets sind die Seiten von Schüler VZ (www.schuelervz.net/), Friendster (www.friendster.com) und den Lokalisten (www.lokalisten.de/web/showHome.do). Letzteres Angebot dient dazu ein Freundesnetzwerk im konkreten Lebensumfeld aufzubauen. Der besondere Erfolg dieser Seiten bestätigt, dass ein Bedarf besteht sich im Nahraum besser zu verankern.

Hier sehe ich auch Handlungsbedarf und gute Chancen für die Jugendmedienarbeit. Mit Unterstützung der Methoden der Jugendmedienbildungsarbeit können Sozialraumerkundungen mit Video, digitaler Fotografie und/oder Podcast angeboten werden und die Ergebnisse könnten dann im Internet Anstoß geben für virtuelle Kommunikation und Begegnung und einen Anker bilden für weitere Kontakte im Internet.

Die Suche nach virtuellen Kontakten liegt ebenso dem Konzept MySpace (www.myspace.com) zu Grunde. Die UserInnen können sich eigene Homepages erstellen und auf den Homepages eine Verknüpfung zu »Freunden« herstellen. Die Suche nach Selbstidentität, der Wunsch einen eigenen Ausdruck zu finden, wahr genommen zu werden, sich in unterschiedlichen Ebenen zu präsentieren und ausdrücken dürften die wesentlichen Motive sein, sich zu beteiligen. Auch bei Flickr (www.flickr.com) ist es möglich Kontakte zu finden. Hier wird der Kontakt über das gemeinsame visuelle Interesse angeregt. Mittels eines Schlagworts (Tag) werden Bilder kategorisiert und einer Sammlung (Group Pools) zugeordnet. Mitglieder kommentieren eigene und fremde Bilder. Somit entsteht eine hohe soziale und inhaltliche Vernetzungsdichte. Die Suche nach ähnlichen Bildern oder das Gruppieren der eigenen Bilder verbindet Nutzer mit ähnlichen Interessen. Kontakte werden aufgebaut und Gruppen entstehen.

Bei diesen Nutzungsformen kommt der Jugendmedienarbeit die hohe Verantwortung zu, den Jugendlichen zu vermitteln, dass missbräuchlich mit Ihrem Vertrauen umgegangen werden kann. Es kommt vor, dass diese Anwendungen für nicht gewollte Kontaktaufnahmen genutzt werden. Die Jugendlichen benötigen Medienkompetenz, um gegenüber potentiellen Gefahren gewappnet zu sein.

Weblogs

Wie kaum ein anderes Mediums zuvor bietet gerade das Internet die Chance vom Konsumenten zum Produzenten zu werden. Web-Tagebücher (Blogs) und Wissenssammlungen (Wikis) nehmen zunehmenden Einfluss und verändern die Kommunikationsformen und deren Möglichkeiten. In Raten vollzieht sich eine stille Medienrevolution, da Blogs und Wikis völlig neue Möglichkeiten der Partizipation und der Herstellung von (Gegen-) Öffentlichkeit ermöglichen. Sie lassen sich daher als geeignete Instrumente von »Aufklärung« in Netzwerkgesellschaften bezeichnen.

Ursprünglich bedeutete »webloggen« das Sammeln und Annotieren von Links. Ebenso wurde und wird es als Chronik dessen verwendet, was man im Netz macht. Heute finden sie auch als alternative Online-Journale Verwendung. So genannte »Watchblogs« dienen dazu die herrschenden Medien und deren Nachrichten kritisch zu hinterfragen. Durch die Weblogs wird das Veröffentlichen expertenunabhängiger Inhalte wieder wichtiger genommen. Es gibt themenorientierte, lyrische oder alltagszentrierte personale Chroniken als Weblogs. Sie enthalten Fotos, Musik, News oder Berichte über selbst oder Erlebtes, vergleichbar mit einem Tagebuch. Die Texte sind persönlich, nonkonformistisch, bisweilen auch sarkastisch. Anfang 1999 gab es 23 Weblogs, im Moment gibt es etwa 1,4 Millionen aktive Weblogger. Beim größten deutschen Bloganbieter www.myblog.de sind im Moment 494.265 Blogs zu finden.

Bei den Weblogs steht die persönliche Erfahrung im Vordergrund. Jemand setzt sich jeden Tag hin und schreibt über sein Leben. Da alles im Internet veröffentlicht wird vermischt sich Privates und Öffentliches. Daher ist es nicht unproblematisch, wenn man frei seine Meinung formuliert und dabei die persönlichen Daten angibt. Präsentiert. Persönliche Informationen können für Werbezwecke, aber auch für nicht gewollte Kontaktaufnahmen genutzt werden. In Weblogs finden sich auch pornographische und fremdenfeindliche Seiten. Wichtig ist es daher Jugendliche zu qualifizieren, wenn Sie ins Weblog-Geschehen eingreifen. Ungeachtet der möglichen Gefahren gibt es keine Zweifel, dass es notwendig ist, Jugendliche zu unterstützen, Weblogs als Ausdrucksform einzusetzen.

Wer regelmäßig in Weblogs geht oder selbst einen Weblog betreibt entwickelt andere Denk-gewohnheiten und -praktiken. Die Erfahrung »SchreibenLesenSchreibenLesen« führt dazu, dass Denken und Entwickeln als interaktives Geschehen und somit als soziales Lernen betrachtet wird. Somit entsteht eine neue kritische gruppenorientierte Lernkultur (social learning). Das öffentliche Entwerfen und Ausprobieren von Lösungswegen hilft Probleme zu lösen.
Die Jugendarbeit sollte daher Angebote unterbreiten, wie man einen Weblog macht und/oder Lernumgebungen schaffen, damit Jugendliche lernen sich kompetent mit Weblogs auseinanderzusetzen. Mit Hilfe von www.blogger.de und twodaynet (http://twoday.net/) ist dies problemlos umsetzbar.

Beispielhaft möchte ich auf die Kinder- und Jugend-Redaktion Potsdam verweisen (www.kijuredaktion-potsdam.de). Eine Tagwolke zeigt dem Besucher der Seite sogleich an welche Seiten am stärksten nachgefragt werden. Je größer die Schrift, umso mehr wurde die Seite nachgefragt. Zu den Kategorien Kinder, Jugendliche, Familien, Fachkräfte und Allgemein sind Weblogs eingerichtet, die auch rege genutzt werden. Aktuell werden Informationen angeboten, wie man eine Schülerzeitung macht. Es wird Hilfestellung gegeben ein fundiertes Konzept für die eigene Schüler- oder Clubzeitung zu geben. Konkrete Erfahrungen können bei Workshops gesammelt werden. Hinweise werden gegeben, wie eine gute Reportage geschrieben werden muss. Es wird Raum zur Verfügung gestellt, eigene Reportagen zu veröffentlichen und/oder sogar eine Schülerzeitung ins Netz zu stellen. Es eröffnet sich hier die Chance für Partizipation und die Herstellung von Öffentlichkeit. Personen können Ihre Meinung äußern, die von den traditionellen Medien mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht veröffentlicht worden wären.

Um aktuelle News (Texte, Bilder, Podcasts) zu erhalten können sogenannte RSS-Feeds genutzt werden. Bei RSS-Feeds handelt es sich um ein elektronisches Nachrichtenformat. Mit Hilfe von RSS-Feeds können ausgewählte Inhalte einer Webseite abonniert werden und damit in die eigenen Webseiten integriert werden. Somit können in regelmäßigen Abständen neu veröffentlichte Inhalte automatisch auf die den eigenen PC geladen werden. Eine sinnvolle Aufgabe von Jugendmedienarbeit könnte sein, eine Auswahl von Newsfeeds anzubieten (vgl. www.google.com/ig/adde?moduleurl=http://www.jugendserver-niedersachsen.de/rss/), damit Jugendliche bei der Auswahl ihrer Newsabos beraten und unterstützt werden können.
Bei den in den Blogs als auch Wikis veröffentlichten Daten handelt es sich sowohl um gut recherchierte, als auch um persönliche Meinungen, die vor allem auf den subjektiven Meinungen der einzelnen AutorInnen basieren. Es gibt für den Leser weder Information über die Glaubwürdigkeit und Relevanz der jeweiligen Texte, noch gibt es Hinweise über die Kompetenz der VerfasserInnen.

Wikis

Wikis nennt man die im Internet verfügbaren Seitensammlungen, die online von den Benutzern geändert werden können. Die Enzyklopädie Wikipedia (http://de.wikipedia.org) ist das bekannteste deutschsprachige Wiki. Es handelt sich um offene Content Management Systeme (CMS), die auf einer einfacheren Sprache als dem ansonsten im World Wide Web verbreiteten HTML basieren. Die einzelnen Seiten und Artikel eines Wikis sind durch Hypertexte (Links) miteinander verbunden. Das Besondere an den Wikisystemen ist, dass sich die Seiten sofort am Bildschirm ändern lassen.

Wikis nutzen die im Computernetz zu findende Fachkompetenz von Nutzern für frei verfügbare und umfangreiche Nachschlagewerke. Die Unterstützung durch Datenbanken, die Einbindung durch Internet-Protokolle sowie die leichte Erlernbarkeit zeichnen dieses System aus. Anhand von zwei Beispielen möchte ich die Relevanz dieser Wikisysteme für »Aufklärung« unter den Bedingungen vernetzter Kommunikation aufzeigen.
Jugendliche können als Redakteure ihr Kommentare und Texte zu den jeweiligen Themen einstellen, wie dies beim Jugendserver Saar (www.jugendserver-saar.de) möglich ist. Zu den Themen Girls im Netz, Toleranz-Netzwerk-Saar und der Location-Datenbank können sie sich z.B. einloggen und die jeweiligen Seiten redaktionell bearbeiten.

In der Bildungsarbeit finden Wikis vermehrt einen Einsatz. Zentrales Anliegen des so genannten Peacewikis (www.peacewiki.uni-klu.ac.at) ist die Herstellung eines öffentlichen virtuellen Raumes zum Thema Frieden. Peacewiki erlaubt offene Diskurse, die den daran Beteiligten die Möglichkeit geben, die sie gemeinsam betreffenden und interessierenden Themen zu diskutieren. Die zu schaffenden öffentliche Sphäre ist als Raum für Gegenöffentlichkeit gedacht, in der sowohl kritische Positionen gegenüber dem Staat, als auch gegenüber der medialen bürgerlichen Öffentlichkeit geäußert werden können. Der alternative Charakter des Projekts kommt auch dadurch zustande, dass Frauen als politische Akteurinnen vorgestellt werden.

Kritisch gegenüber Wikis ist anzumerken, dass die LeserInnen einerseits eigene Kompetenzen mitbringen, Texte immanent (Logik, Sinnbezüge) zu überprüfen, als auch sich bemühen müssten, weitere Informationen zu den Themenbereichen sich anzuschauen, um sich die eigene Meinung aus mehreren Positionen zu erschließen. Ob dies auch getan wird, ist den Texten nicht zu entnehmen. Ebenso wissen wir nicht, ob Industrie sich nicht längst bereits den Blogs und der Wikis bedient, um die eigenen Interessen durchzusetzen.

Pod- und Vodcasts

Podcasts sind Audio, Vodcasts sind Videodateien, die on demand (auf Verlangen) im Internet abgespielt werden können. Es handelt sich immer um Serien von Medienbeiträgen (Episoden), die automatisch bezogen werden können. Podcasting bedeutet dementsprechend das Produzieren und Anbieten von Mediendateien über das Internet. Man kann Podcasts als Radio- oder Fernsehsendungen auffassen, die sich unabhängig von Sendezeiten konsumiert werden. Die Industrie plant bereits das Fernsehen mit dem iPod und iTunes auf dem Schuldhof und in der U-Bahn.

Ein Ableger von Podcast ist Cellcast. Mit diesem von Netzcheckers (www.netzcheckers.de) angebotenen Service können unabhängig von dem Ort des Anrufs Nachrichten aufgezeichneten werden und als MP3 oder als Podcast auf cellcast.de aufgezeichnet werden.

Vodcasting könnte ein Modell sein für die Offenen Kanäle der Zukunft und somit hoch interessant für die Jugendmedienbildung. Bereits heute ist die Distribution von Videos im Internet mit Hilfe eines speziellen Syndizierungsformates möglich. Mit Hilfe des Community-Servers Videobomb (www.videobomb.com) kann ein eigener Kanal im Internet eingerichtet werden.

Electronic Agora

Während die Globalisierung die Kommerzialisierung und das Infotainment fördert, bietet die gleiche Technik auch Chancen die neuen Kommunikationsformen zur Aufklärung und zur Partizipation zu nutzen. Das Spektrum der Entfaltungsmöglichkeiten wird durch die elektronischen Kommunikationstechniken erweitert. Der hypertextuale Raum des Internet bietet eine virtuelle Öffentlichkeit. Die Aneignung dieser Öffentlichkeit erfolgt durch das Eruieren eigener, individueller Pfade. Der Ausbau von kognitiver Flexibilität sowie mehrkanaliges und vernetztes Denken wird durch informelle Lernprozesse begünstigt. Die Auflösung des Raums als Bedingung für Kommunikation ermöglicht egalitäre kommunikative Beziehungskultur sowie soziale Beziehungen, zu denen sonst der Zugang verwehrt wäre. Mit dem Internet lässt sich genau der Teil der Öffentlichkeit wieder herstellen, der in den anderen Massenmedien bislang ausgeschlossen war.

Neue Formen des dezentralisierenden Dialogs sind denkbar. Ebenso werden neue individuelle und kollektive Kommunikationsformen möglich, wie ich es am Beispiel der Blogs und der Wikis gezeigt habe. Diese positive Utopie gelingt aber nur, wenn wir bereit sind, uns in den virtuellen Dialog einzumischen bzw. Lernumgebungen organisieren, in denen immer mehr lernen, wie diese Instrumentarien für die eigenen Interessen und Bedürfnisse eingesetzt werden können.

Genau in diesem Bereich hat die Jugendarbeit gute Chancen sich aktiv in den virtuellen Diskurs einzumischen. Netzcheckers hat bereits eine Bildungsplattform in Second Life eingerichtet. Die Jugendmedienarbeit muss virtuelle Lernumgebungen generieren oder in die virtuellen Räume gehen und sie nutzen, um Jugendlichen eine Chance zu geben abseits von kommerziellen Nutzungsabsichten die eigene Kompetenz im Umgang mit dem Web 2.0 zu erfahren und auszuprobieren.
Ziel sollte sein, die Möglichkeiten und Potentiale der Jugendlichen zu stützen, ihre Reflexionskompetenz zu fördern, zur Verbesserung deren Persönlichkeitsbildung beizutragen, sensibilisieren das eigene Verhalten gegenüber anderen zu hinterfragen sowie Unterstützung leisten, damit Jugendliche einen aktiven Beitrag zum öffentlichen Diskurs beisteuern.