Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 2-2010, Rubrik Nachrichten

Alternative Stadtrundfahrten

Nachrichten

Aktionstage Politische Bildung mit Beteiligung des LJR Hamburg
Vom 5. bis 23. Mai 2010 fanden die Aktionstage Politische Bildung – koordiniert durch die Bundeszentrale für politische Bildung – statt. Sie wurden in Deutschland anlässlich des vom Europarat für 2005 ausgerufenen Europäischen Jahres der Demokratieerziehung aus der Taufe gehoben und werden seitdem jedes Jahr angeboten. Leitgedanke der Aktionstage ist das Motto des Europarates »Education for Democratic Citizenship«. Neben zahlreichen anderen Veranstaltern beteiligte sich auch der LJR Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Magnus-Hirschfeld-Centrum an dem Programm: Am 16. Mai 2010 fand ein Alternativer Stadtrundgang mit dem Titel »Homosexuelles Treiben« statt. 14 Personen nutzten die Gelegenheit, um sich über die Verfolgung von Hamburger Lesben und Schwulen im Nationalsozialismus zu informieren.

»Ach, wie ich die Lena liebe.« Der Rundgang, geleitet von Moritz Terfloth, startete in der Europapassage an der Binnenalster. Denn in der früher hier gelegenen Paulstraße stand einst das erste Hamburger Frauenzentrum. Eine erst jüngst eingeweihte Gedenktafel erinnert an dieses Haus und seine Initiatorinnen Lida Gustava Heymann und Anita Augspurg. Wo heute die Europapassage zum Ballindamm führt, stand auch das 1903 erbaute »Haus Vaterland«, in dem unter anderen in den 1920er Jahren die berühmte Berliner Sängerin und Kabarettistin Claire Waldoff auftrat und öffentlich von ihrer Liebe zu Lena sang. Die relativ freie homosexuelle Subkultur der »goldenen 20er Jahre« fand mit dem Beginn der NS-Diktatur jedoch ein jähes Ende. Der bereits seit 1871 bestehende Strafparagraf 175 gegen »widernatürliche Unzucht« zwischen Männern wurde verschärft und die Hetze gegen gleichgeschlechtlich Liebende eröffnet. In Hamburg wütete 1936 ein Sonderkommando der Gestapo. Die Staatsanwaltschaft richtete eigens ein Sonderdezernat ein, um der »Zunahme homosexueller Verfehlungen« entschieden entgegen zu treten.

Auch nach 1945 keine Entschädigung. Was die nationalsozialistische Verfolgung für einzelne Hamburger/innen bedeutete, berichtete Moritz unter anderem anhand der Schicksale der als »asozial« verfolgten Valeska Dorn und von Heinrich Peter Roth, der mehrfach verurteilt wurde und vom Polizeigefängnis schließlich ins KZ Neuengamme kam. Dort konnte er bis zum April 1945 überleben, starb gemeinsam mit rund 9.000 anderen »evakuierten« KZ-Häftlingen bei der Versenkung des Häftlingsschiffs »Cap Arcona« am 3. Mai 1945. Die spätere Klage seiner Eltern auf »Wiedergutmachung« nach Bundesentschädigungsgesetz lehnte das Gericht jedoch mit dem Hinweis auf seine Kriminalität als Homosexueller ab.
Wer mehr über den Umgang mit Homosexuellen im Nationalsozialismus und darüber hinaus wissen möchte, kann den Rundgang auch für seine Jugendgruppe oder seine Schulklasse nach Terminwunsch buchen.

»Abseits – Hamburger Fußball im Nationalsozialismus«
Als Veranstaltungsangebot während der Hamburger Schulferien führt der LJR Hamburg am Dienstag, den 10. August 2010 in Kooperation mit dem Haus der Jugend Flachsland, eine Alternative Stadtrundfahrt über Hamburger Fußball im Nationalsozialismus durch. Dabei wird es unter anderem um die ehemaligen HSV-Mannschaftskameraden Tull Harder und Asbjorn Halvorsen gehen, die sich in der Zeit des »Dritten Reichs« als Feinde gegenüberstanden: der eine als überzeugter SS-Mann und KZ-Wachmann in Sachsenhausen, Neuengamme und später Ahlem bei Hannover; der andere als Streiter für ein unabhängiges Norwegen, der wegen seiner Weigerung, mit den deutschen Besatzern zu kooperieren, inhaftiert wurde.
»Als wandernde Metallspende werde ich hoffentlich bald wieder die Fußballplätze Europas verwüsten«, schrieb der kriegsverletzte Rolf D. im September 1941 an »seinen« HSV. Die Feldpostbriefe des Zweiten Weltkriegs belegen die enge Verbindung vieler Mitglieder zu ihrem jeweiligen Verein. Sie zeigen zugleich auch, wie die NS-Ideologie das Denken jener Zeit prägte. Die Hamburger Fußballlandschaft, die damals – neben dem HSV und dem FC St. Pauli – noch Vereine wie der Eimsbüttler TV, Altona 93 oder FC Victoria prägten, blieb vom Nationalsozialismus natürlich nicht unberührt. Wie verliefen die Biografien der Fußballer in der Zeit der NS-Diktatur und des Krieges? Wie erging es jüdischen und ausländischen Vereinsmitgliedern? Und wie begegneten sich einstige Spielkameraden nach dem Nationalsozialismus wieder auf dem Spielfeld? Wer Interesse hat ist herzlich eingeladen...
Termin: Dienstag, 10. August 2010 | 17 Uhr
Treffpunkt: ZOB | Adenauerallee 78 | 20097 Hamburg
Teilnahmekosten: 8 € (ermäßigt 6 €)
Maren Riepe | mail an Maren