Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 2-2022, Rubrik Kommentar

Etwas zurückgeben!

Von Michael-J. Gischkat, LJR-Vorsitzender

Der Sommer steht vor der Tür – normalerweise begleitet von einem Gefühl der (Vor-)Freude und Leichtigkeit. Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber eine Sommereuphorie stellt sich bei mir nicht ein. Ein Grund dafür ist der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und seine schrecklichen Folgen.

Auch liegt es an den letzten zwei Jahren unter Pandemiebedingungen und deren Folgen für die Jugendverbandsszene. Für viele Jugendverbände ist das Wiederaufleben nach den einschneidenden Einschränkungen mehr ein Neustart als ein »Aufholen nach Corona«, wie es vielleicht das Aktionsprogramm des Bundes suggerieren möchte.
Hinzu kommen noch die betrüblichen Aussichten auf den zukünftigen Doppelhaushalt der Freien und Hansestadt Hamburg, um den in der Bürgerschaft gerungen wird. Aus den wie üblich gut informierten Kreisen ist zu hören, dass dieser Haushalt für die Jugendverbandsarbeit keine Erhöhung der Mittel mit sich bringen wird. Vielmehr sollen wir uns sich glücklich schätzen, wenn aus dem Landesförderplan nichts gekürzt wird. Das ist eine seltsam anmutende Ansage, wenn man bedenkt, dass das Anforderungsprofil der Jugendverbandsarbeit beständig wächst. Themen wie Inklusion und Prävention sexualisierter Gewalt sollen verankert oder intensiver behandelt werden. Es wird also wieder auf unsere und Eure Kraft und Kreativität ankommen, trotz all dieser strukturellen Widrigkeiten die so wichtigen Angebote der Jugendverbandsarbeit für Kinder und Jugendliche weiter auszubauen.

Ein Bremsklotz der Sommereuphorie ist auch, dass noch immer nicht alle politischen Entscheidungsträger:innen verstanden haben, Kindheit und Jugend als eigenständige Lebensphasen zu betrachten – und Kinder, Jugendliche und junge Menschen nicht nur als »Kunden« in den Systemen Kita, Schule, Ausbildung oder Universität zu sehen, was in den Pandemiejahren deutlich wurde. Besonders ärgerlich ist dies, da die Forderung der Jugendverbände nach einer eigenständigen Jugendpolitik mittlerweile prominente Unterstützung weit außerhalb unserer Kreise hat. Begrüßenswert ist in diesem Zusammenhang immerhin die Forderung der Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger: »Kinder und Jugendliche dürfen nicht noch einmal die Hauptlast der Pandemie tragen.«
Auch der Corona-Expert:innenrat der Bundesregierung rückt Kinder und Jugendliche in seiner 11. Stellungnahme im Hinblick auf den anstehenden Herbst und Winter in den Fokus. Die Expert:innen mahnen nicht nur an, rechtzeitig die Impfangebote für Kinder und Jugendliche anzupassen, flächendeckend CO₂-Messungen in den Klassenräumen einzuführen und die Hygiene- und Schutzkonzepte der Schulen und Kitas anzupassen. Sie fordern zudem »Konzepte für den niederschwelligen Zugang zu Bildungs-, Freizeit-, Sport- und kulturellen Angeboten insbesondere für sozial benachteiligte Gruppen müssen kurzfristig umgesetzt werden. Zudem sollten Konzepte zur Stärkung des Ehrenamts entwickelt und finanziert werden.«

Grundsätzlich begrüßen wir es natürlich, dass Kinder und Jugendliche nun auch außerhalb der oben benannten Systeme als eigenständige und in ihrer Lebensphase zu schützende Gruppen gesehen werden. Dennoch gehen uns diese Forderungen nicht weit genug, wie in unseren Positionspapier »Zwei Jahre Corona-Pandemie – Kinder und Jugendliche als Pandemieverlierer:innen« in diesem Heft zu lesen ist.
Am Ende dieses Kommentars soll ein Appell stehen. Ich halte es dabei mit dem Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt, der fordert: »Wir müssen den Kindern und Jugendlichen etwas zurückgeben.« Genau das ist es doch, was wir in den Jugendverbänden können. Genau das ist es, was die Kinder und Jugendlichen jetzt brauchen. Lasst uns so viele Kinder und Jugendliche wie möglich mitnehmen auf unseren zahlreichen Ferienfahrten, damit sie den Freiraum zur Erholung, zu Freude, Abwechslung und neuen Erlebnissen bekommen, den sie brauchen und verdienen!