Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2019, Rubrik Vielfältige Jugendarbeit

Übergänge gestalten – ein neues Fortbildungsangebot beim LJR Hamburg

Nichts ist im Jugendverband beständiger als der Wandel. Ältere Mitglieder scheiden aus, jüngere rücken nach. Doch können die »alten Hasen« auch loslassen? Gibt es ausreichend Offenheit, damit Jüngere erfahren und erlernen können, was es heißt, Verantwortung im eigenen Verband zu übernehmen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der neuen LJR-Fortbildung »Übergänge im Jugendverband schaffen und gestalten«, die erstmals in diesem Herbst durchgeführt wurde. In 2020 wird es eine Neuauflage geben. Im Interview sprechen Kathi Erhardt und Immo Becker (Teamerin und Teamer beim Landesjugendring Hamburg) sowohl über Hemmnisse als auch über Wege, den beständigen Wandel im Jugendverband konstruktiv zu begleiten.

punktum: Welche Arten von Übergängen gibt es im Jugendverband? Der weiteste Weg ist sicher der vom teilnehmenden Mitglied in den Vorstand. Welche kleineren Übergänge liegen davor?

Immo: Für ein neues Mitglied im Jugendverband gilt es zunächst, anzukommen und mitzumachen, um seine Rolle im Jugendverband zu finden. Der nächste und erste größere Schritt ist dann die Jugendleiter/innen-Ausbildung. Damit beginnt in der Regel die Verantwortungsübernahme. Wer dann eine Jugendgruppe leitet, gestaltet das Leben im Jugendverband aktiv mit. Das ist der Schritt vom teilnehmenden Mitglied hin zum aktiven Ehrenamtlichen. Fließend ist dann der Übergang zur Gremienarbeit. Schließlich müssen die Aktivitäten im Jugendverband miteinander abgestimmt werden. Hier beginnt das Erlernen von Selbstorganisation in Abstimmung mit Anderen und anders gelagerten Interessen.

Kathi: Gleichwohl ist es dann noch ein recht großer Schritt zur Arbeit im Vorstand eines Jugendverbandes. Denn da geht es um die Gesamtverantwortung und um die Sicherung der strukturellen Voraussetzungen für den Alltag des Jugendverbandes. Während sich die Akteure auf der Aktivitätsebene meistens nicht um Vorgänge wie Anträge und Abrechnungen von Fördermittel kümmern müssen, obliegen diese wichtigen Aufgaben, ohne die ein Jugendverband nicht existieren kann, häufig allein dem Vorstand, sofern in dem jeweiligen Jugendverband keine Unterstützung durch eine hauptamtliche Stelle zur Seite steht. Aber auch wenn hauptamtliche Strukturen vorhanden sind und viel Bürokram delegiert werden kann, ist eine Vorstandstätigkeit etwas ganz anderes als ein Engagement auf der Ebene von Gruppenarbeit oder bei Ferienfreizeiten.

Immo: Denn ein Vorstand hat nicht nur die Aufgabe, den »ganzen Laden« zusammen zu halten, sondern er vertritt den Jugendverband auch nach außen, so etwa dem Landesjugendamt gegenüber. Hier ist ein verbindliches, längerfristiges und verantwortungsbewußtes Engagement gefordert.

punktum: Übergänge bedeuten also Lernschritte. Welche Herausforderungen begleiten diese?

Kathi: Zunächst liegt bei Übergängen im Jugendverband die grundsätzliche Herausforderung darin, Jugendliche, die bislang allein eine teilnehmende Rolle bei den Verbandsaktivitäten eingenommen haben, zu ermutigen, eine aktive und mitgestaltende Rolle im Verband einzunehmen. Eine Verantwortungsübernahme kann man nur in Schritten erlernen.

Immo: Eine weitere Herausforderung, die wir selbst im Jugendverband erlebt haben, ist der Generationswechsel. Meistens läuft es so: Scheinbar plötzlich steht er vor der Tür, obwohl es allen Beteiligten bewusst sein sollte, dass ältere Vorstandsmitglieder irgendwann von ihren Aufgaben zurücktreten. Doch damit Jüngere in eine Verantwortungsübernahme hineinwachsen können, ist es notwendig, die Strukturen im Jugendverband so zu gestalten, dass sie transparent und durchlässig sind. Häufig ist es so, dass an bewährten und eingespielten Mustern so lange festgehalten wird, bis sie verknöchern.

Kathi: Dadurch werden viele Aufgabenteilungen festgezurrt, die für ein Aufsteigen in Verantwortungsübernahme hinderlich sind. Wenn beispielsweise bei Planung und Durchführung einer Ferienfreizeit die Älteren allein die gesamte Organisation planen, und die Teamer auf der Freizeit einen fertigen Rahmen vorfinden, den sie nicht mitgestalten konnten, dann läuft etwas schief.

punktum: Gibt es weitere Hemmnisse bei der Verantwortungsübernahme im Jugendverband?

Kathi: Zum einen gibt es das Problem des Zeitmangels. Wie kann ich die Anforderungen aus Schule, Ausbildung, Studium oder Beruf mit einem ehrenamtlichen Engagement unter einen Hut bringen? Viele scheuen ein längerfristiges Enagement und wollen sich lieber kurzfristig aussuchen können, wann und wie sie sich in einem überschaubaren Rahmen engagieren können.

Immo: Aber es gibt zum anderen immer wieder auch strukturelle Hindernisse im Jugendverband. Es ist teilweise so, dass es für jüngere Mitglieder gar nicht ersichtlich ist, wo sie sich im Verband engagieren können. Welche Aufgaben können übernommen werden? Was bedeutet das konkret? Wer hilft mir dabei, das kennenzulernen? Hier ist es notwendig, nicht nur Ebenen und Aufgaben des Jugendverbandes innerhalb der eigenen Organisation immer mal wieder vorzustellen und so Engagementperspektiven zu eröffnen. Zudem gilt es, Angebote zwischen den einzelnen Ebenen zu schaffen, die ein Hinschnuppern in erweiterte Verantwortungsbereiche ermöglichen.

punktum: Wie können solche Angebote aussehen?

Kathi: Eine gute Möglichkeit dabei zu helfen, ist das Modell der Patenschaften. Ältere und erfahrene Jugendverbandsmitglieder begleiten jüngere nicht nur bei ihren schon übernommenen Aufgaben sondern gerade auf neuen Feldern. Sie stehen beratend zur Seite, wenn beispielsweise Jüngere die Idee einer Veranstaltung auf den Weg bringen wollen. Oder begleiten sie auf Gremiensitzungen, erklären dabei das Prozedere und helfen vielleicht bei zu stellenden Anträgen.

Immo: Solche und andere Angebote müssen zum Tagesgeschäft eines Jugendverbandes gehören. Nicht erst, wenn der alte Vorstand seinen Abschied signalisiert, kann mit der aktiven Nachfolgesuche begonnen werden. Wenn man dann erst beginnt, ist es viel zu spät. Es kommt vielmehr darauf an, alle Übergänge im Jugendverband aktiv zu begleiten und so Hemmnisse und Hindernisse innerhalb der Strukturen abzubauen. Das wollen wir in dem Fortbildungseminar vermitteln und geben dafür viele praktische Beispiele.

punktum: Vielen Dank für das Gespräch. (jg)