Von Christian Pohl, Hamburg
Für junge Menschen, welche die Gebärdensprache nutzen, bietet der Jugendclub Nordlicht diverse Angebote vom wöchentlichen Jour fixe bis hin zum Fallschirmspringen. Als Gehörlosen-Verein gestartet, beschäftigt er sich nun mit Fragen der Öffnung.
Der Hamburger Gehörlosen Jugendclub Nordlicht [seit 2014: Hamburger Gebärdensprachjugendclub Jugendclub Nordlicht; Ergänzung der Red.] ist ein eigenständiger Jugendverband, der im Gehörlosenverband Hamburg (GLVHH) und in der Deutschen Gehörlosen-Jugend eingegliedert ist. Die Angebote des Jugendclubs richten sich an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zwischen sechs und 27 Jahren. Die Angebote für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren wurden erst in diesem Jahr gestartet und finden zum Teil in Kooperation mit dem GLVHH und dem Hamburger Gehörlosen Sportverein (HGSV) statt. Dazu gehörten ein Sommerfest im Hammer Park und Familien-Sporttage.
Der Fokus richtet sich jedoch weiterhin auf die Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Regelmäßige Angebote sind hier DVD- und Spielabende, die zweiwöchentlich im Wechsel stattfinden, sowie ab Oktober 2012 ein Jugendkommunikationsforum (JUKO). Bei diesem berichten Referenten/innen über ihre Erfahrungen zu bestimmten Themen, die die Jugendlichen vorher ausgewählt haben.
Die jungen Erwachsen haben zusätzlich die Möglichkeit, zu einem Stammtisch zusammenzukommen. Dieser wurde gemeinsam mit Studierenden der Gebärdensprache und mit der studentischen Interessengemeinschaft iDeas (»interessengemeinschaft der Deaf student Innen«) angestoßen und findet jeden Donnerstag in der Ponybar (Allende-Platz 1) statt. Darüber hinaus werden Events organisiert wie Ausflüge in den Hansapark, zum Klettern oder erst kürzlich zum Fallschirmspringen. Zweimal im Jahr geht es zudem gemeinsam zum Indoor-Abenteuerspielplatz »rabatzz!«.
Wirkung ohne Stätte. Die Angebote finden weit über das Stadtgebiet und das Umland verteilt statt. Das hat vor allem einen simplen Grund: Der Verein hat gar keine eigenen Räume. Zwar gibt es in Hamburg ein durch den GLVHH gestelltes Clubheim für Gehörlose in der Bernadottestraße. Allerdings nutzt der Jugendclub dessen Räume seit zwei Jahren nicht mehr, da dort ein Unkostenbeitrag erhoben wurde, den der Verein nicht zahlen wollte. Seitdem werden wechselnde Räumlichkeiten genutzt, die in der Regel von der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) gestellt werden. Zudem arbeitet der Verein eng mit dem Bildungszentrum Hören und Kommunikation (»Elbschule«) zusammen. Dieses erhält zurzeit neue Räumlichkeiten auf dem Gelände der ehemaligen Internationalen Schule Hamburg im Holmbrook in Othmarschen. Geplant ist, dass der Jugendclub Nordlicht hier ein eigenes Büro bekommt und seine Angebote in den Räumen des Bildungszentrums stattfinden lassen kann.
Dass die Veranstaltungen des Jugendclubs demzufolge dezentral angeboten werden, bringt dabei durchaus Vorteile mit sich: »Wir wechseln oft die Orte innerhalb Hamburgs, damit wir viele Kinder und Jugendliche ansprechen können«, sagt Danny Canal. Der 24-jährige Gebärdensprachen- und Politikstudent steht als 1. Vorsitzender dem sechsköpfigen Jugend-Komitee vor, das den Jugendclub leitet. Wie alle Mitarbeiter/innen des Vereins arbeiten die Mitglieder des Komitees ausschließlich ehrenamtlich. Die Strategie der wechselnden Veranstaltungsorte scheint Erfolg zu haben: Danny schätzt, dass der Verein mit seinen Angeboten bis zu 500 Personen in Hamburg und Umgebung erreicht.
Da die jüngsten Mitglieder aber noch keinen Mitgliedsbeitrag zahlen müssen und die Veranstaltungen in der Regel auch für Nicht-Mitglieder offen sind, kommt der Verein allerdings lediglich auf etwas mehr als 50 zahlende Mitglieder. Die Arbeit des Jugendclubs lebt daher vor allem von einer Vielzahl von Spenden und insbesondere von der Förderung durch die BASFI. Die Finanzierung ist dadurch zunächst gesichert. Das größere Problem liegt laut Danny deshalb woanders: »Durch den Boom der letzten zwei Jahre fehlt es uns an Ehrenamtlichen.«
Auf dem richtigen Weg. Dass die Arbeit des Vereins einen solchen »Boom« erlebt, ist nicht selbstverständlich. Vor mehr als 20 Jahren gab es schon einmal eine Gehörlosen-Jugendorganisation in Hamburg, die über viele Jahre existierte, ehe sie ihre Arbeit einstellte. »Das Problem damals war, dass die Philosophie und das Management des Vereins nicht optimal waren«, sagt Danny: »Damals konzentrierte sich das Angebot nur auf eine gehörlose Zielgruppe.«
Nachdem der heutige Jugendclub Nordlicht im Jahr 2000 neu gegründet wurde, entschied man sich daher für eine breitere Zielgruppe. Heute kann jede Person die Angebote des Vereins nutzen. Einzige Bedingung: Sie muss der Gebärdensprache mächtig sein, denn diese ist laut Satzung die Sprache des Vereins. Geschätzte 75 bis 85 Prozent der Mitglieder des Vereins sind laut Danny hörgeschädigt, den Rest bilden hörende »gebärdenkompetente« Mitglieder.
Danny hofft, dass sich der Verein auf diese Weise in Richtung Inklusion entwickelt. Aber ist ein Gehörlosen-Verein, auch wenn er selbstorganisiert ist, nicht genau das Gegenteil von Inklusion, weil er wieder eine Form der Aussonderung darstellt? »Eigentlich schon«, sagt Danny, »aber man muss hier zwei Sachen trennen: Auf der einen Seite haben die Gehörlosen eine eigene Kultur. Aber andererseits muss auch ein Gehörlosen-Verein prinzipiell offen für alle sein.« Doch obwohl der Jugendclub Nordlicht eben kein reiner Gehörlosen-Verein ist, trägt er ebendiese Bezeichnung noch im Namen. Danny hat bereits versucht, den Beisatz »Gehörlos« im Vereinsnamen durch »Gebärdensprachig« zu ersetzen. Er befürchtet, dass den Verein sonst irgendwann das gleiche Schicksal wie seinen Vorgänger ereilen könnte: »Aber das trifft aktuell noch auf Widerstand. Wenn wir in Zukunft eine gute Mischung haben, können wir es nochmal versuchen. Aber aktuell kann ich nicht dagegen ankämpfen.«
Dannys Kampf macht deutlich, an welchen gesellschaftlichen Problemen es im Streben nach Inklusion noch hapert. Inklusion bedeutet schließlich, dass alle Menschen in der Gesellschaft gleichgestellt sind. Jedoch sind die meisten Vereine noch nicht darauf eingestellt. Die wenigsten Vereine arbeiten inklusiv. Die Schulen müssen es ja gerade selbst erst lernen. Welcher Verein stellt von sich aus schon Gebärdensprachdolmetscher zur Verfügung, wenn eine gehörlose Person Mitglied werden will? Bis das Prinzip der Inklusion in den Vereinen verankert ist, ist es laut Danny noch ein weiter Weg: »Inklusion braucht Toleranz. Im Sinne der Inklusion wird keiner aussortiert. Eine Person mit einem Bein soll in einen Fußballverein nicht aussortiert werden. Und andersrum soll auch eine audio-orientierte Person, die in einen Gehörlosen-Verein kommt, nicht aussortiert werden. Die meisten Vereine in Deutschland, egal ob von Hörenden oder Menschen mit Behinderungen, müssen umdenken.«
Der Jugendclub Nordlicht hat die ersten Schritte in Richtung Inklusion gemacht. Er ist damit anderen Vereinen in Deutschland zum Teil weit voraus. Natürlich ist der Jugendclub noch kein inklusiver Verein, aber welcher Verein kann das derzeit schon von sich behaupten? »Nordlicht ist eigentlich noch ein Rohdiamant, der noch geschliffen werden muss.«, sagt Danny. Tatsächlich haben die Kooperationen mit anderen Organisationen und die eigene Öffnung »nach außen« jetzt schon Modellcharakter für andere Vereine. Danny wird im November den 1. Vorsitz abgeben. Danach bleibt er einfaches Mitglied. Sein Engagement und sein Kampf für Toleranz werden weitergehen.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Hamburger Gehörlosen Jugendclub Nordlicht (jetzt: Hamburger Gebärdensprachjugendclub Nordlicht) | Postfach 76 32 67 | 22071 Hamburg | Stammtisch immer donnerstags in Ponybar (Allende Platz 1, 20146 Hamburg)
komitee@jc-nordlicht.de | www.jc-nordlicht.de
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -