Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3-2021, Rubrik Titelthema

5. Stichwort: Demokratiebildung stärken

Demokratiebildung ist mehr als eine Präventionsmaßnahme gegen Rechtsextremismus. Wie wollen Sie Lernorte der Demokratie stärken und politische Bildung für junge Menschen befördern?


Franziska Hoppermann (CDU): Ich komme aus der Kommunalpolitik. Mitmachen und Partizipation in politischer Gestaltung fängt dort an. Deshalb unterstütze ich sehr, wenn Schulen z.B. Kurse in Kommunalpolitik anbieten. Als Fraktionsvorsitzende in der Bezirksversammlung habe ich hier einige Schulen und Projekte begleitet. Vor allem im direkten Umfeld ist die Mitgestaltung von Kindern und Jugendlichen wichtig. So z.B. in jedem Bebauungsplanverfahren, also der baulichen Gestaltung des Umfelds. Wichtig an diesen Prozessen ist : Demokratie ist ein Aushandlungsprozess, ist Diskurs, Überzeugung, Kompromiss. Das ist mitunter anstrengend, aber es lohnt sich sehr, ein Teil davon zu sein. Jede extremistische Richtung ist nicht zu tolerieren.
Einrichtungen wie Jugendparlamente, Jugend im Parlament und andere sind wichtige Orte, um sich in demokratischen Strukturen auszuprobieren. Auch das Engagement in einer Jugendorganisation einer demokratischen Partei ist eine gute Möglichkeit hierzu. Oder innerhalb der Jugendeinrichtungen. Darüber hinaus finde ich es sehr wichtig, die Gewaltenteilung auch in der Schule kennenzulernen und auch die Judikative als Pfeiler des Rechtsstaats kennenzulernen, z.B. in Rechtskundeunterricht. Nicht zuletzt gehört auch der Umgang mit sozialen Medien und den politischen Botschaften, die dort mitunter als Fake News oder in Form von Hass und Hetze verbreitet werden, zur politischen Bildung dazu.


Ronja Schmager (SPD): Politische Bildung sollte so früh wie möglich beginnen, denn Wissen über die Geschichte, gesellschaftliche Strukturen und politische Mechanismen ebnen den Weg zur Beteiligung.
Kinder und Jugendliche müssen auf allen Ebenen an politischen Prozessen beteiligt werden und einen Anspruch auf echte Beteiligung in kommunalen Jugendhilfeausschüssen und Landesjugendhilfeausschüssen haben, die gesetzlich in den Kommunalverfassungen verankert werden müssen. Jugendverbände und bestehende Beteiligungsstrukturen wie Jugendringe, Kinder- und Jugendparlamente wollen wir dauerhaft und nachhaltig finanzieren und jedes neue Gesetz einem Jugend-Check unterziehen.
Darüber hinaus müssen auch digitale Orte des Austausches über gesellschafsrelevante Themen gefördert werden, diese sollen paneuropäisch vernetzt sein, sodass Demokratiebildung nicht an der Landesgrenze aufhört.
Kulturelle Austauschprogramme für Schüler*innen, Azubis und Studierende wollen wir ganz bewusst für alle jungen Menschen unabhängig vom Portemonnaie ermöglichen. Denn durch das Kennenlernen und Freundschaften knüpfen mit jungen Menschen aus anderen Ländern, können Vorurteile abgebaut werden und ein Gemeinschaftsgefühl aller jungen Menschen in Europa und darüber hinaus entstehen.
Rassismus und Faschismus fängt nämlich im Kopf und im Alltag an, dafür müssen antirassistische und antifaschistische Initiativen in der Zivilgesellschaft gestärkt werden. Wir sind selbst ein Teil davon und stellen uns den Nazis entgegen. Wir kämpfen jeden Tag für eine offene und tolerante Gesellschaft.


Ria Schröder (FDP): Unsere Demokratie und unsere Freiheit sind bedroht durch Extremismus, durch Populismus und durch Gleichgültigkeit. Für uns Freie Demokraten ist es daher eine Kernaufgabe, die liberale Demokratie mit Leben zu erfüllen, sie fortzuentwickeln und zu verteidigen.
Wir Freie Demokraten wollen die Vielfalt bürgerschaftlichen Engagements in einer lebendigen Bürgergesellschaft stärken. Durch ehrenamtlichen Einsatz leisten viele Bürgerinnen und Bürger einen elementaren Beitrag zu einer friedfertigen, lebendigen und wehrhaften Demokratie. Wo Vereine, Stiftungen und andere Organisationsformen Zuwendungsempfänger von staatlicher Struktur- und Projektförderung sind, muss der Staat sicherstellen, dass sie und ihre Projektpartner auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen.
Wir wollen außerdem die politische Bildung in den Schulen stärken und dabei besonders rechtsextreme Narrative und Alltags-Antisemitismus entlarven und rassistischen und antisemitischen Vorurteilen sowie Hass vorbeugen.


Żaklin Nastić (LINKE): Demokratiebildung ist ein grundlegender Baustein für eine offene, tolerante und antifaschistische Gesellschaft. Von daher möchten wir die politische Bildung an Schulen sowie kritische Sozialwissenschaften an Hochschulen finanziell und personell stärken und sie gegen Angriffe konservativer und rechter Parteien verteidigen. Zudem setzen wir uns für eine gelebte antifaschistische Erinnerungskultur ein, um das Gedenken an die Opfer des Faschismus von damals und heute zu bewahren. Auch bei der beruflichen Ausbildung ist es wichtig, dass politische Bildung Teil des Lehrplans ist.
Zur Demokratie gehört aber auch die Gewährleistung des Rechts auf politische Teilhabe – und zwar für Alle. Der schon zuvor erwähnte Ausbau von sozialen Kinder- und Jugendeinrichtungen würde helfen, mehr Angebote der politischen Bildung auch für Jugendliche aus sogenannten »Brennpunkten« zu schaffen. Es ist nämlich auffällig, dass in den reichsten Hamburger Stadtteilen die Wahlbeteiligung deutlich höher ist als in den »Brennpunkten«. Das liegt auch daran, dass ärmere Menschen in erster Linie damit beschäftigt sind, irgendwie »über die Runden« zu kommen und keine Zeit finden, sich mit politischen Prozessen umfassend zu befassen. Politische Beteiligung darf aber nicht vom Geldbeutel abhängen. Durch soziale Absicherung, gute Löhne und niedrigschwellige Angebote zur politischen Bildung wollen wir auch ärmere Menschen stärker in politische und gesellschaftliche Prozesse mit einbeziehen. Auch Migrant*innen, die in Deutschland ihren langfristigen Lebensmittelpunkt haben, sollten unserer Auffassung nach das Wahlrecht bekommen, denn auch sie sind ein wichtiger Teil unserer vielfältigen Gesellschaft und haben ein Recht auf politische Teilhabe.


Linda Heitmann (Grüne): Wir Grüne wollen Jugendarbeit, Jugendverbandsarbeit und Demokratiebildung verlässlich unterstützen. Die Offene Kinder- und Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, Frühe Hilfen und alle Formen von Hilfen zur Erziehung müssen wir gemeinsam mit Ländern und Kommunen sicherstellen und Räume für Jugendliche sowie soziale Begegnungen nachhaltig fördern.
Politik mit und für junge Menschen braucht zudem in Zeiten der Globalisierung eine internationale Ausrichtung. Deshalb stärken wir internationale Begegnungen und Austauschprogramme.