Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3-2021, Rubrik Titelthema

1. Stichwort: Politik für junge Menschen

Welche Maßnahmen möchte ihre Partei in den nächsten vier Jahren ergreifen, um die Lebensbedingungen von jungen Menschen spürbar und nachhaltig zu verbessern? Hat Ihre Partei eine Jugendstrategie?



Franziska Hoppermann (CDU):
Zu den Lebensbedingungen junger Menschen gehören viele Aspekte. Die Einkommenssituation der Familie, Ausbildung, Zeit für die Familie, Umgang von beiden Elternteilen, Gesundheit, ehrenamtliches Engagement und Kinder- und Jugendeinrichtungen, Sicherheit und vieles mehr. Für uns als CDU steht die Familie im Mittelpunkt unserer Politik. Deshalb ist unser Ziel, z.B. eine bessere Berücksichtigung von Kindern in der Besteuerung von Einkommen durch einen höheren Kinderfreibetrag, insbesondere auch für Alleinerziehende, zu erreichen. Hier ist in der letzten Legislatur schon eine Verdopplung gelungen. Die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Jugendliche bis zum 21. Lebensjahr und während der Ausbildung sollen deutlich ausgeweitet werden und die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung anerkannt werden. Für Familien muss es einfacher sein, Wohnraum zu bekommen und auch als Eigentum zu finanzieren. Familien brauchen Zeit füreinander, weshalb wir flexiblere Arbeitszeitmodelle unterstützen. Wir setzen uns für einen flächendeckenden Ausbau der psychotherapeutischen Behandlungsmöglichkeit für Kinder und Jugendliche ein. Wir wollen Kinder und Jugendliche in einem gesunden Aufwachsen durch ein spezielles Bundesprogramm stärken. Und Kinder und Jugendliche müssen stärker vor Gewalt geschützt werden, in der digitalen und der analogen Welt. Nicht zuletzt gehört eine solide Finanz- und Haushaltspolitik zu einem Grundpfeiler von Generationengerechtigkeit.
Innerhalb der Partei haben wir im Rahmen einer Struktur- und Satzungskommission auch die stärkere Beteiligung junger Menschen in Ämtern und Mandaten vorgesehen.


Ronja Schmager (SPD): Wir müssen jetzt als junge Menschen unsere Zukunft wählen und mitgestalten – dafür wollen wir als SPD mit drei Schwerpunkten das Leben der jungen Generation verbessern:
• Gute Ausbildung, weil dein Weg nicht vom Einkommen deiner Eltern oder fehlenden Ausbildungsplätzen bestimmt werden darf. Die SPD kämpft deshalb für die Garantie auf einen Ausbildungsplatz für alle jungen Menschen. Und damit sich Studierende aufs Lernen konzentrieren können, machen wir das BAföG endlich elternunabhängiger und bauen es zu einem Vollzuschuss aus. So musst du nach dem Studium nicht erst mal jahrelang deine BAföG-Schulden abbezahlen. Damit du dein eigenes Leben starten kannst – wie du es willst.
• Klimaneutrale und verfügbare Mobilität, weil wir alle wollen, vor allem schnell, sicher und zuverlässig zur Arbeit, in die Uni oder am Wochenende in die Kneipe oder zum See zu kommen, egal ob in der Stadt oder auf dem Land. Unsere individuelle Mobilität darf dabei weder am Geld noch an der Verfügbarkeit des öffentlichen Nahverkehrs scheitern. Und um die CO₂-Emissionen im Verkehrssektor zu reduzieren und bald klimaneutral unterwegs zu sein, brauchen wir mehr Bus, Fahrrad und Bahn. Die SPD will dafür überall und für alle einen Anschluss an den ÖPNV in der Nähe des Wohnorts ermöglichen, Busse und Bahnen in allen Kommunen klimaneutral umrüsten, gemeinsam genutzte, öffentliche Räume zugunsten von Radfahrenden, Fußgänger*innen und des ÖPNVs umstrukturieren und Projekte für die Einführung von 365 Euro-Tickets schaffen. Damit die Mobilitätswende gelingt – für alle.
• Bezahlbares Wohnen, weil unser Wohnraum nicht für den Reichtum anderer da sein darf. Während dringend neuer bezahlbarer Wohnraum gebaut werden muss, sind Entlastungen in angespannten Wohnlagen sofort nötig. Deshalb setzt sich die SPD für einen Mietenstopp in diesen Gebieten ein. Mit neuen Wohnheimen für Studierende und Auszubildende soll gezielt für junge Menschen mit überschaubarem Budget der erste Schritt in ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden. Weil Wohnen ein Grundrecht ist – überall.


Ria Schröder (FDP): Junge Menschen wurden in der Coronapolitik der Großen Koalition vergessen. Wenn überhaupt wurden ihre Probleme belächelt, in Werbespots verächtlich gemacht oder sie wurden als rücksichtslos und hedonistisch abgestempelt. Die FDP nimmt Jugendliche und ihre Probleme dagegen ernst. Drei Aspekte sind uns dabei besonders wichtig :
1. Aufstiegschancen ermöglichen
Ob Schule, Ausbildung, Arbeit oder Studium : Wir wollen junge Menschen dabei unterstützen ihren eigenen Weg selbstbestimmt zu gehen. Dabei sollen die persönlichen Ziele und Träume entscheidend sein und nicht das Elternhaus, Herkunft oder Geschlecht.
Bildung muss oberste Priorität werden. Wir wollen 2,5 Mrd. Euro zusätzlich für den Bildungssektor bereitstellen und einen Digitalpakt 2.0, mit dem auch in digitale Methodik und Didaktik sowie in IT-Betreuung an Schulen investiert wird. Wir wollen Talentschulen mit bester Ausstattung und modernen pädagogischen Konzepten gerade da schaffen, wo Armut und soziale Herausforderungen groß sind. Als Lern-Buddys sollen Studierende die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, durch Corona entstandene Lernrückstände aufzuholen.
Arbeit soll sich lohnen. Wir wollen die bisherige Minijob-Grenze von 450 Euro anheben und dafür sorgen, dass Jugendliche aus Familien, die Arbeitslosengeld II (Hartz 4) beziehen, ihren Lohn aus einem Minijob voll behalten dürfen.
2. Demokratische Teilhabe sichern
Wir wollen das Wahlalter auf 16 Jahre auch bei bundesweiten Wahlen absenken. Neue Gesetze sollen kontinuierlich auf die Auswirkungen auf kommende Generationen geprüft und in der Gesetzesfolgenabschätzung das Innovationsprinzip parallel zum Vorsorgeprinzip verankert werden. Außerdem sollte die schwarz-rote Bundesregierung schon längst einen Corona-Jugendgipfel einberufen, um die Auswirkungen der Coronakrise auf junge Menschen mit Jugendlichen zu diskutieren und ihre Perspektiven zu berücksichtigen.
3. Zukunftschancen ermöglichen
Junge Menschen sind von den heutigen politischen Entscheidungen am längsten betroffen. Fehlentscheidungen von heute stellen sie vor die vollendeten Tatsachen von morgen. Deshalb wollen wir die Politik nicht an Legislaturperioden, sondern an Generationen ausrichten. Wir wollen die großen Herausforderungen unserer Zeit bei der Dekarbonisierung, der Demographie, der Digitalisierung beherzt angehen.


Żaklin Nastić (LINKE): Die Bundesregierung hat die Interessen junger Menschen systematisch vernachlässigt – und insbesondere in Zeiten der Coronakrise wurde das Politikversagen auf diesem Gebiet sichtbar. Besonders davon betroffen waren und sind Kinder in Armut und in prekären Lebensbedingungen.
Auch die Situation von Studierenden hat sich in letzter Zeit deutlich verschlechtert. Zeitweilig gingen die Stellenausschreibungen für Studentenjobs um ca. 50 Prozent zurück, sodass viele Studierende nicht mehr in der Lage waren, ihr Studium aus eigener Kraft zu finanzieren.
DIE LINKE strebt einen Politikwechsel an und möchte die Interessen junger Menschen endlich in den Mittelpunkt politischer Entscheidungen in Deutschland rücken.
Bildungspolitisch ist für uns LINKE klar, dass gleicher Zugang zu Bildung ein Menschenrecht ist. Nur durch echte Chancengleichheit von Geburt an kann die wachsende Ungleichheit in Deutschland nachhaltig abgebaut werden. Wir fordern daher einen grundlegenden bildungspolitischen Richtungswechsel. Der Zugang zu Bildung muss als öffentliche Daseinsvorsorge für alle gleichermaßen gewährleistet und nicht von der Finanzkraft der Kommune oder des Landes abhängig sein. Wir fordern für jedes Kind einen Rechtsanspruch auf gebührenfreie, ganztägige und hochwertige Kinderbetreuung. Die öffentlichen Kindertageseinrichtungen müssen ausgebaut, besser ausgestattet und mehr Erzieher*innen ausgebildet, eingestellt und angemessen bezahlt werden. Wir kämpfen zudem dafür, dass alle Kinder und Jugendlichen gemeinsam lernen können – von der ersten Klasse bis zum Abitur. Hierfür brauchen wir Gemeinschaftsschulen. Dazu benötigen wir zusätzliche und gut ausgebildete Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter*innen und weiteres pädagogisches Personal. Wir streiten auch für eine deutlich bessere Finanzierung der inklusiven Bildung, denn auch junge Menschen mit Beeinträchtigungen sollen mit Gleichaltrigen zusammen lernen können – so schreibt es auch die UN-Behindertenrechtskonvention vor.
Zudem ist es für DIE LINKE eine Selbstverständlichkeit, dass alle Kinder und Jugendlichen ein Recht auf Erholung haben. Es ist nicht akzeptabel, dass junge Menschen, die in Armut leben, sich kein Kino oder Schwimmbad leisten können. Das Recht auf Erholung wollen wir durch Schaffung wohnortnaher, kostengünstiger Angebote gewährleisten. Ja, dafür sind Investitionen notwendig. Aber das sind uns unsere Kinder und Jugendlichen wert.
Auch die Interessen junger Erwachsener möchte DIE LINKE konsequent vertreten und macht sich daher u. a. für eine solidarische Ausbildungsumlage stark, damit genügend duale Ausbildungsplätze geschaffen werden und alle Jugendlichen eine gute Berufsausbildung absolvieren können. Die Zulassung von Studieninteressierten mit abgeschlossener Berufsausbildung muss überall und für alle Studiengänge möglich sein. Für Studierende wollen wir das BAföG erhöhen und elternunabhängig machen, denn freier Zugang zur Bildung ist ein universelles Menschenrecht, welches nicht von der Größe der Brieftasche abhängig sein darf. Dies umfasst eine deutliche Anhebung der Fördersätze für den Grundbedarf auf 560 Euro pro Monat zuzüglich einer monatlichen Pauschale für ausbildungsbedingte Ausgaben. Das BAföG muss wieder als Vollzuschuss (also ohne Rückzahlung) gewährt werden.


Linda Heitmann (Grüne): Jugendpolitik ist für uns Grüne insbesondere gute Bildungspolitik und die Bekämpfung auch von Kinderarmut. Außerdem ist Kern unserer Jugendstrategie zudem die Stärkung von sozialen Räumen und politischer Teilhabe für Jugendliche.
Bildungschancen sind Zukunftschancen. Nachhaltige Bildungserfolge ergeben sich nur durch die abgestimmte Zusammenarbeit aller am Bildungsprozess beteiligten Institutionen und durch gute flächendeckende Ganztagsangebote. Ob Schulen, Kita, Kindertagespflege, Hortbetreuung, Familienberatung, Hilfen zur Erziehung oder Angebote der Jugendarbeit – die Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe begleiten Familien beim Aufwachsen der Kinder. Sozialarbeiter*innen und pädagogische Mitarbeiter*innen leisten dabei unter hohem Zeit- und Arbeitsdruck Enormes. Durch gesetzliche Vorgaben zur Personalplanung wollen wir für besser ausgestattete Jugendämter und Entlastung der Fachkräfte sorgen.
Qualitätsstandards wollen wir überall in der Kinder- und Jugendhilfe verbindlich erstellen und gemeinsam mit Verbänden, Trägern und Wissenschaft weiterentwickeln.
Außerdem setzen wir uns ein für eine Kindergrundsicherung, damit Kinder nicht in Armut aufwachsen und sich nicht von Beginn an ausgeschlossen fühlen. Mehr Infos dazu sind auch unter Frage 6 ausformuliert.