Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 1-2005, Rubrik Kommentar

Soziale Jugendpolitik

Was tun ?

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Jugendverbandler,

diesmal beginne ich diesen Kommentar aus sehr persönlicher Sicht.

Ich sprach mit einer guten Freundin, die mitten in Ihrer Magisterarbeit, grob zum Thema »Postmoderne«, steckt. Unsere Debatte kreiste um die Frage, in welcher »Epoche« leben wir eigentlich. Ist es noch die »Moderne« oder schon die vielzitierte »Postmoderne«? Und was beschreiben diese Begriffe? Leben wir weiterhin in der Epoche, die mit der Aufklärung und der französischen Revolution von 1789 begann und die anstelle von undurchschauter Herrschaft Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu setzen versprach? Oder ist diese Zeit »überwunden« und abgelöst von einer Post-Moderne, die formal die bürgerlichen Errungenschaften im Grundgesetz festgehalten, aber deren Ideale als Illusionen abgetan hat?

Die Frage nach der Möglichkeit von Epocheneinteilungen und das ungewisse Gefühl derjenigen, die heute leben – nämlich nicht sagen zu können, in welcher Epoche sie denn gerade leben, blieben nach unserem Gespräch bestehen.
Wir müssen uns sicherlich, wie alle vorherigen Generationen auch, damit zufrieden geben, daß zukünftige Generationen unsere Zeit in eine Epoche einordnen werden. Aber das bedeutet nicht, die Schultern hängen zu lassen und den Zeitgeist über unsere Köpfe hinwegrauschen zu lassen.

Dabei ist das Wort »Epoche« sicherlich im Bezug auf ein Feld gesellschaftlicher Entwicklung zu hoch gegriffen, aber nichtsdestotrotz vollziehen sich aktuell gesellschaftliche Veränderungen, die auch die Kinder- und Jugendarbeit von heute maßgeblich beeinflussen werden.

So hat sich die deutsche Gesellschaft nach dem „Pisa-Schock“ mehrheitlich für Ganztagsschulen entschieden. Daneben ist eine Hartz IV-Gesetzgebung in Kraft getreten, die ebenfalls gravierende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und möglicherweise die Arbeitsbedingungen in der Jugendarbeit haben kann.
Außerdem wird seit einiger Zeit laut darüber nachgedacht, was mit der Wehrpflicht und dem Zivildienst geschehen soll und wie das Freiwillige Soziale Jahr zu gestalten sei. All dies sind punktum füllende Themen.

Last but not least ist auch die Frage zu stellen, ob die gegenwärtige Jugendförderung zielgerichtet genug ist und die Jugendlichen aus einkommensschwächeren Familien wirklich erreicht? – Im Sinne einer sozialen Jugendpolitik?

Ein Kernpunkt von zielgerichteter Förderung muß eine hinreichende
Flexibilität sein !

Das bedeutet, daß verstärkt in die direkte Unterstützung der Jugendlichen investiert werden muß und weniger starre Trägerstrukturen geschaffen werden sollten. Neben der Bedeutung der Vernetzung der Institutionen untereinander muß die direkte Arbeit mit den Jugendlichen Vorrang haben.

Eine weitere Notwendigkeit ist es, die Jugendlichen, die staatliche Förderung benötigen – also vor allem diejenigen aus einkommensschwachen Familien, ohne Umwege zu erreichen!

Am wenigsten hilfreich ist hierbei eine Gießkannenmentalität. Vielmehr ist die Frage zu stellen, ob eine reine Sozialraumorientierung zum Beispiel zielführend ist. In den Mittelpunkt der Hamburger Jugendpolitik muß eine effektive Subjektförderung treten.

Vorhandene Ressourcen können genutzt werden!

Vor allem auch in Jugendverbänden mit ihrem großen freiwillig engagiertem Potential gibt es gute Strukturen, die genutzt werden müssen, um junge Menschen aus finanziell schwächeren Familien zu stärken.

Diese Herausforderung ist kein »alter Hut«, keine »Sozialromantik« aus der Zeit überholter Moderne. Sie ist ein Gebot der Stunde. Auch an solchen Fragen entscheidet sich, ob die Politik noch Kraft und Willens ist, gesellschaftliche Entwicklungen bewußt steuern zu wollen oder ob Politik im postmodernen »muddling-through« – sprich: im »Sichdurchwurschteln« – sich selbst aufgibt.

Egal nun, welche »Epoche« später mal uns auszeichnen wird. Frühling naht, der Sommer kommt. Ich wünsche Euch auch dieses Jahr viele erfolgreiche Ferienmaßnahmen – verbunden mit der Hoffnung, daß möglichst viele Jugendliche aus besagten Familien die Chance haben, an Ihnen teilnehmen zu können.


Stefan Karrasch, LJR-Vorsitzender