Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3-2007, Rubrik Kommentar

Der Lohseplatz in der HafenCity

Für die Einbindung der Jugend an zukünftigen Erinnerungsprojekten

Von Anne Abel, LJR-Vorsitzende

Die Regierung in Hamburg ist zurzeit eifrig dabei, ihr Prestige-Vorhaben, die HafenCity, in der Planung voranzutreiben und damit Hamburgs Innenstadt umzustrukturieren. Diese aktuelle Planung betrifft auch einen geschichtsträchtigen Ort, den Lohseplatz. Der Lohseplatz befindet sich im Lohsepark und spielt damit eine zentrale Rolle in der HafenCity.
Die besondere Bedeutung des Loheplatzes ergibt sich aus seiner Geschichte. Bei dem Lohseplatz handelt es sich um den früheren Bahnhofsvorplatz des Hannoverschen Bahnhofs. Die Nationalsozialisten nutzten den Platz und den Hannoverschen Bahnhof im Zweiten Weltkrieg für die Deportationen von Juden, Roma, Sinti und Angehörige anderer diskriminierter Gruppen nach Osten. Nachdem diese vor ihren Transporten an verschiedenen Sammelpunkten im Hamburger Stadtgebiet konzentriert und dann zum Lohseplatz gebracht wurden. Der Hannoversche Bahnhof war der Deportationsbahnhof, über den die meisten Deportationen aus Hamburg stattfanden. Experten gehen davon aus, dass über 10.000 Menschen in mindestens 17 Zügen ab 1941 über den Hannoverschen Bahnhof und damit auch über den Lohseplatz in den Tod geschickt wurden.

Zurzeit stellt sich die Frage, wie der Lohseplatz bei der weiteren Entwicklung der HafenCity eingeplant werden soll. Denn die konkrete Nutzung des Lohseparks ist bisher noch unklar.
Aus diesem Grund diskutieren verschiedenste Interessenten über die Nutzung des Platzes. Hinzu kommen unterschiedliche städtebauliche Vorstellungen.

Anlässlich dieser divergierenden Interessen muss man sich die Frage stellen, ob an jedem Ort, der einen besonderen Bezug zum Dritten Reich aufweist, der Geschichte gedacht werden soll. Und wenn das Ob bejaht wird, muss man weiter fragen, wie das Gedenken an die historischen Ereignisse erfolgen soll.

Für den Lohseplatz kann man die Frage des Ob uneingeschränkt bejahen. Auch der Senat hat bereits in 2001 der Bürgerschaft berichtet, dass der Lohseplatz unter den historischen Orten in der HafenCity von besonderer Bedeutung für die hamburgische Geschichte in der NS-Zeit sei.
Auch die jetzige Regierung zeigt sich dem Thema Lohseplatz und dessen weiteren Entwicklung gegenüber aufgeschlossen. Zudem sieht der Masterplan für die HafenCity am Ort des ehemaligen Hannoverschen Bahnhofs eine Gedenkstätte oder ein Mahnmal vor. Die Frage des Ob ist damit geklärt und für den Lohseplatz eindeutig bejaht worden.

Somit stellt sich noch die Frage nach der Art und Weise des Gedenkens. Schließlich gibt es verschiedenste Formen, um der Geschichte zu gedenken; von einem Mahnmal bis hin zu einer lebendigen Gedenkstätte. Die besondere Bedeutung des Platzes spricht eindeutig für eine Gedenkstätte und nicht nur ein Mahnmal. Die Bedeutung des Lohseplatzes ergibt sich daraus, dass er nach Fertigstellung der Hafencity im Herzen der Stadt liegt und dort von vielen Touristen wahrgenommen werden wird, anders als die Gedenkstätte Neuengamme, die von Touristen aufgrund ihrer abgeschiedenen Lage nur gezielt und nicht zufällig besucht wird. Außerdem handelt es sich bei dem Platz um einen authentischen Ort, der eine sinnliche Wahrnehmung der geschichtlichen Ereignisse ermöglicht und diese damit greifbarer macht. Des Weiteren existieren in der unmittelbaren Nähe des Platzes noch originale Bestandteile des Hannoverschen Bahnhofs in Form von Gleisen, deutlichen Resten des Deportationsbahnsteiges und alte Restgebäude. Diese kann man in die Gedenkstätte mit einbinden und damit Originale der Zeit erhalten und der Zukunft zugängig machen. Denn gerade Originalbestandteile veranschaulichen die durch eine Gedenkstätte vermittelten Geschehnisse. Diese Wirkung sollte gerade aufgrund der auch noch heutzutage wieder aktuellen Diskussion nicht unterschätzt werde und Hamburg sollte seine Geschichte auch gerade an einem so exponierten Platz wie der Hafen City in einer Gedenkstätte darstellen.
Ein zeitweise für den Lohseplatz geplanter »China-Garden« würde keinerlei Bezug zu der Geschichte des Platzes aufweisen und eine solche Nutzung des Platzes würde auch der besonderen Bedeutung nicht gerecht werden. Vielmehr sollte es zu einer hinsichtlich der Geschichte des Platzes angemessenen sensiblen Nutzung des Parks kommen und eine Bedeutungsüberlagerung der verschiedenen Interessen vermieden werden. Der Platz muss sensibel genutzt werden und dem trägt man am besten Rechnung, wenn eine Gedenkstätte dort entsteht, die als würdiger Gedenkort für die Überlebenden und Angehörige der Deportierten gestaltet werden sollte. Auch eine Anbindung an die Gedenkstätte in Neuengamme wäre sinnvoll, damit dieser wichtige, aber doch abseits gelegene Hamburger Gedenkort in der Innenstadt sichtbar wird.

Zugleich kann man die Gedenkstätte nutzen, um auf aktuelle Geschehnisse und Entwicklungen hinzuweisen und auch Hamburgs Rolle in der heutigen Zeit darstellen und zugleich hinterfragen, wie Hamburg und Deutschland mit neuen Herausforderungen umgehen.

Um die Gedenkstätte auch für die Jugend gerecht zu gestalten, sollte überlegt werden, wie man junge Menschen an der Planung und Gestaltung teilhaben lassen kann. Denn durch Teilhabe und Einbindung von Jugendlichen in den Planungsprozess kann eine Gedenkstätte der Zukunft entstehen, die es vermag auch gerade junge Leute anzusprechen, so dass diese sich mit dem Thema auseinander setzen und ein Bewusstsein für diesen Teil der deutschen Geschichte entwickeln. Eine Gedenkstätte bietet also eine Vielfalt an Möglichkeiten und kann für unterschiedlichste Interessengruppen zu einem Gewinn führen – und so einer multikulturellen Gesellschaft einen neuen Zugang zur Geschichte ermöglichen. Eine Gedenkstätte auf dem Lohseplatz stellt somit einen Gewinn für Hamburg dar!