Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3-2008, Rubrik Kommentar

Jugendverbände machen Schule – oder besser nicht?

Neben vielen anderen Projekten und Reformen plant die neue Behörde für Schule und Berufsbildung auch eine Novellierung der Rahmenvereinbarung über die Zusammenarbeit an Ganztagesschulen. »Gut«, möchte man sagen, haben wir als Landesjugendring doch die alte Vereinbarung mangels tragfähigem Inhalt nicht unterzeichnet.
Somit kann man die Initiative als Chance verstehen, eine neue und aussagekräftige Kooperationsgrundlage zu schaffen.


Jugendverbände machen Schule?

Nein.
Angebote von Jugendverbänden können Bestandteile der regulären Stundentafel nicht ersetzen. Dies gilt auch und gerade für solche Fächer, die eventuell fachlich manchen Verbänden nahe stehen wie Musik, Sport oder Religion. Engagement und Teilhabe an Aktivitäten von Jugendverbänden erfolgt immer auf freiwilliger Basis und nicht aufgrund von Lehrplänen. Dies ist keine hohle Phrase – sondern vielmehr die Grundlage von selbstorganisierten Tätigkeiten und Strukturen. Ein Zwang zum Engagement und zur Übernahme von Verantwortung für andere wirkt offensichtlich als Widerspruch.

Jugendverbände machen Schule?

Ja.
Die Vision ist eigentlich einfach. Im Rahmen der ergänzenden und freiwillig wählbaren Angebote im Ganztagesprogramm ist es durchaus denkbar, dass neben den Angeboten der Schulen auch die Angebote von Jugendverbänden stehen könnten und somit gemeinsam der Ganztag gestaltet wird. Hiermit gäbe es die Chance, Jugendlichen über die Schule hinaus die Möglichkeit zu erschließen, eigene Grenzen auszutesten und Verantwortung zu übernehmen. Grundlage hierfür ist, dass die Schule die Logik, nach der Jugendverbände funktionieren, anerkennt. Denn ein Kurs beispielsweise, in dem ein Pfadfinder einmal in der Woche den Schülern etwas über Gruppenerlebnisse berichtet, vermittelt die Lebenswelt der Jugendverbandsarbeit allenfalls theoretisch. Die lebendige Erfahrung erfordert vielmehr das Mitmachen und Mitgestalten im selbstorganisierten und selbstverantworteten Rahmen. Wenn also die Bildungskompetenzen der Jugendverbände in das schulische Ganztagesprogramm einfließen sollen, erfordert dieses die Teilhabe der Schüler am ganz normalen »Alltagsleben« der Jugendverbände.
Und warum sollte die Gestaltung der Ganztagesschule nicht auch teilweise unabhängig von dem Ort – also ob innerhalb oder außerhalb des Schulgeländes – möglich sein? So könnten Schüler in ihrer Pfadfindergruppe oder ihrem Sportverein im Rahmen der regulären Schulzeit aktiv werden.

Hier liegen für Schulen, ihre Schüler und Jugendverbände große Chancen: Schulen könnten das Ganztagesprogramm vielfältig und lebendig gestalten. Auch Schüler, die im schulischen Alltag ihre Potentiale nicht ausschöpfen, könnten Bestätigung und Freude erfahren. Und Jugendverbände könnten neue Zielgruppen für sich erschließen.

Für uns als Jugendverbände bedeutet dies neue Anforderungen im Hinblick auf die Qualifizierung von Jugendleitern und ebenso bei der zeitlichen und räumlichen Gestaltung von Angeboten. Die Herausforderung ist, die Jugendverbandsarbeit langfristig so zu entwickeln, dass sie weiterhin ihre Eigenständigkeit im gesellschaftlichen Kontext bewahrt.

Eike Schwede
LJR-Vorsitzender