Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2008, Rubrik Vielfältige Jugendarbeit

Hey Bruder, hey Schwester

Die Evangelische Jugend Hamburg (EJH) macht sich am Buß- und Bettag für Glaubensfreiheit stark

Von Wolfgang A. Nacken, Evangelische Jugend Hamburg

Was fällt einem zur »Großen Freiheit« ein? Hier traten die Beatles Anfang der 1960er auf. Doch der Name »Große Freiheit« steht weniger für jugendkulturelle Freiheiten – sondern vielmehr für die Freiheit auf Religionsausübung; ob es nun um den Islam, das Judentum, den Buddhismus, den Hinduismus oder eine andere Religion geht. Zur Geschichte Altonas und speziell dieser Straße – die es seit fast 400 Jahren gibt – gehört das bunte Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Religion. Erst diese Offenheit hat Altona zu einer aufstrebenden Stadt und ernsthaften Konkurrentin Hamburgs werden lassen.
Am Buß- und Bettag (19.11.2008) hatte die EJH in die Disco »Große Freiheit 36« eingeladen. Das Thema »Religionsfreiheit« bot sich also an.

Glaubensverwandtschaften.
Mehr als 800 evangelische Jugendliche aus dem gesamten Hamburger Raum waren es schließlich, die sich an der Bußtagsveranstaltung der EJH beteiligten. Die Disco wurde so zur Kirche: mit einem Gottesdienst ging es um den eigenen protestantischen Glauben und darum, dass dazu auch gehört, andere Religionen zu respektieren. Menschen anderen Glaubens ernst zu nehmen, bedeutet auch, sie zum Dialog einzuladen: als Zeichen der Einladung zum Gespräch wurden an die Teilnehmer/innen Bonbons verteilt, die sie wiederum an Bekannte oder Unbekannte weitergeben können.
Deren Aufschrift »hey Bruder« bzw. »hey Schwester« bedeutet dabei sowohl einen Gruß als auch den Ausdruck einer gewissen Nähe, die religiösen Menschen geläufig ist. So sind auch in der evangelisch-lutherischen Kirche die Begriffe »Glaubensbrüder« und »Glaubensschwestern« üblich; oft werden Gottesdienste mit »liebe Schwestern und Brüder« begonnen.

Gestartet hatte die Bußtagsveranstaltung in verschiedenen Kirchen in und um Altona: in der Altonaer Hauptkirche St. Trinitatis, in der Christianskirche Ottensen, im Michel, in der Petrikirche Altona und in der Friedenskirche Altona. Auch die Evangelisch-Reformierte Kirche in der Palmaille hatte sich beteiligt. Zu Beginn feierten die Jugendlichen in den Kirchen eine kurze Andacht, um sich quasi spirituell zu stärken für die Reise zu den anderen Religionen. Im Anschluss gingen die Jugendlichen in kleinen Gruppen auf verschiedenen Wegen in Richtung Große Freiheit. Dabei stießen sie auf viele religiöse Zeugnisse, die im Alltag normalerweise unbeachtet bleiben: eine Buddhafigur im Schaufenster eines Asia-Shops beispielsweise, arabische Schriftzeichen auf dem Kalender eines türkischen Friseurs oder Davidsterne auf Grabsteinen des jüdischen Friedhofs. Jede Gruppe machte auf ihrem Weg eine Station, um mit eine/r Vertreter/in oder Fachmann/frau einer anderen Religion ins Gespräch zu kommen. Dabei wurde zum Beispiel auch die Moschee am Nobistor besichtigt oder das buddhistische Zentrum im Harkortstieg.

Honigkuchen und Dialog. Alle Gruppen trafen sich in der Große Freiheit 36 wieder. Der Gottesdienst wurde mit viel Emotion und Anteilnahme durch die Jugendlichen gefeiert. Die Band »Kurz vor Hamburg«, die den Gottesdienst begleitete, war daran nicht unwesentlich beteiligt. Der Altonaer Propst Dr. Horst Gorski, der den Gottesdienst mitgestaltete, appellierte in einer eindringlichen Predigt an die Jugendlichen, dass unser Glauben freiheitlich, tolerant und friedlich ist: »Wir brauchen Eure Sehnsucht. Lasst Euch nicht einreden, dass man diese Welt nicht verbessern kann. Man kann sie verbessern!« Danach leitete der Jugendpastor Ekkehard Maase eine Aktion ein, die den Dialog über Grenzen hinweg verdeutlichten sollte: ein großer Honigkuchen wurde an Jugendliche aus anderen Ecken Hamburgs verteilt. Es meldete sich die vierzehnjährige Anna, die auf der Bühne stellvertretend für Altona den Kuchen weitergab. Tatsächlich drängten aus allen Ecken der Disco Jugendliche zu ihr, um ein Stückchen des Kuchens abzubekommen.

Ebenso erging es den Verteiler/innen der oben genannten Bonbons, von denen viele an Ort und stelle verzehrt wurden. Bei der großen Menge an Bonbons – immerhin 5.000 Stück – kann aber davon ausgegangen werden, dass etliche davon ihren Weg zu Menschen aller Glaubensrichtungen finden. Für die allermeisten Jugendlichen war es wahrscheinlich der erste Besuch in einer Disco, noch dazu am Rande der Reeperbahn. Entsprechend aufgeregt war die Stimmung. Fast hätte man meinen können, dass die Beatles jeden Moment die Bühne betreten würden.