Von Maja Reifegerst, LJR-Vorsitzende
Anfang Dezember erklärte die EU das Jahr 2022 zum Europäischen Jahr der Jugend. Die Themensetzung soll junge Menschen in den Fokus europäischer Maßnahmen rücken, da sie unter der Corona-Pandemie und deren Auswirkungen am meisten gelitten haben. Ihre Stimmen sollen bei politischen Entscheidungen gehört werden, und sie sollen in den für sie wichtigen Themen Unterstützung von der EU erfahren.
Junge Menschen in den Fokus der Politik zu rücken, ist längst überfällig. Doch scheint es erst eine Pandemie zu brauchen, um die Versäumnisse in der europäischen Kinder- und Jugendpolitik deutlich zu machen. Die Corona-Pandemie hat Probleme, die viele junge Menschen betreffen, verstärkt finanzielle Sorgen, Zukunftsängste, psychische Belastungen und Einsamkeit sind vor allem bei Kindern und Jugendlichen in prekären Lebenslagen gestiegen.
Ein seit langem bekanntes und großes Problem ist die Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Derzeit sind ungefähr 2,4 Millionen Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren arbeitslos. Dagegen keine wirksamen Maßnahmen ergriffen zu haben und jungen Menschen somit eine Perspektive zu bieten, ist ein politischer Skandal. Die Jugendarbeitslosenquoten sind indes innerhalb der EU-Mitgliedstaaten sehr ungleich verteilt. Während in Deutschland 6,5 % der jungen Menschen arbeitslos sind, ist es in Griechenland und Spanien in etwa jede:r Dritte, in Italien, Schweden und Portugal in etwa jede:r Vierte. Um dem entgegenzuwirken, bedarf es eines ambitionierteren Beschäftigungsprogrammes, das finanzstark ist, sich an Qualitätsstandards orientiert und die lokale Ebene und Interessensvertretungen, wie Jugendverbände und Gewerkschaften, mit einbezieht.
Immer mehr Studien zeigen, dass sich junge Menschen von der Politik nicht gehört und gesehen fühlen sowie an politischen Entscheidungen nicht ausreichen beteiligt sehen. Laut der Jugendstudie »Junges Europa 2021« der TUI Stiftung sind 64 % der befragten 16- bis 26-Jährigen zudem der Ansicht, dass die Zukunft junger Menschen durch das Wahlverhalten der Älteren gefährdet sei.
Die neue Bundesregierung will dem Bedarf junger Menschen nach politischer Beteiligung nachkommen, indem sie das Wahlalter für Bundestagswahlen auf 16 Jahre herabsetzen will. Dieses Vorhaben – von Landesjugendringen und dem Deutschen Bundesjugendring seit vielen Jahren gefordert – hätte schon längst umgesetzt werden müssen und ist auch auf EU-Ebene dringend erforderlich. Allein Malta und Österreich lassen bei Wahlen des EU-Parlamentes auch 16-Jährige mit abstimmen. Es geht also.
Das Europäische Jahr der Jugend soll nun dazu beitragen, die Belange junger Menschen in allen Bereichen der EU-Politik stärker zu berücksichtigen. Außerdem will die EU junge Menschen an der Umsetzung des Europäischen Jahres der Jugend beteiligen – das ist begrüßenswert, denn sie sind die Expert:innen in eigener Sache. Eine bereits bestehende Möglichkeit für junge Menschen, ihre Ideen und Forderungen an die EU einzubringen, stellt die bereits seit März 2021 laufende Konferenz zur Zukunft Europas dar. Sie erstreckt sich über mehrere Monate und ermöglicht es EU-Bürger:innen, sich in den verschiedenen Phasen der Konferenz auf unterschiedliche Weise zu beteiligen. Um eine wirksame Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Konferenz zu gewährleisten, braucht es niedrigschwellige und leicht zugängliche Möglichkeiten der Mitwirkung für eine große und diverse Gruppe an jungen Menschen unter Berücksichtigung ihrer individuellen Bedürfnisse. Außerdem müssen der Ablauf und das Ziel der Konferenz transparent sein, und es muss ersichtlich sein, was mit den Ergebnissen des Beteiligungsprozesses geschieht. Unter anderem dafür setzt sich der Deutsche Bundesjugendring ein, der mit zahlreichen Informations- und Begleitveranstaltungen den Interessen der jungen Menschen auf Bundesebene bei der Konferenz zur Zukunft Europas eine Stimme verleihen will.
Denn wenn es etwas gibt, das für die Zukunft Europas wichtig ist, dann sind es junge Menschen, die eine Perspektive für ihr Leben in Europa sehen, die sich mit Europa identifizieren, gemeinsame Werte und demokratische Prinzipien teilen, die ihre Ideen in die EU-Politik einbringen und diese mitgestalten wollen. Das Gute ist, dass diese Jugend bereits da ist. Junge Menschen sind an Politik und deren Mitgestaltung interessiert und das nicht erst seit der Corona-Pandemie. Wir sind also gespannt, was uns das Jahr der Europäischen Jugend bringen wird und werden genau hinschauen, ob die EU und die Bundesregierung ihre Versprechen von der politischen Beteiligung junger Menschen einhalten werden. In diesem Sinne brauchen junge Menschen, Europa und die EU einander.