Argumentativ fischen Rechtspopulisten in seichten Gewässern. Anstatt die inhaltliche Auseinandersetzung zu suchen, immunisieren sie den eigenen Standpunkt gegen Kritik und diskreditieren jeglichen Widerspruch. Sie wähnen die »Wahrheit« auf der eigenen Seite, wenn es gegen »Lügenpresse« und politische Korrektheit in den Kampf geht.
Es ist etwas faul im Staate Deutschland. Eine Einschätzung, die womöglich Viele unterschreiben würden. Vor allem aber ein Standpunkt, der sich zur wesentlichen Geschäftsgrundlage der AfD entwickelt hat. Verbunden mit dieser Wahrnehmung sind nämlich zwei Konsequenzen: 1. Aus Gründen der politischen Korrektheit dürfe man die wahren Probleme des Landes nicht benennen. 2. Es muss sich etwas ändern.
Als selbsternannte Stimme des »einfachen Mannes von der Straße« verspricht die AfD, diese Probleme zu lösen. Da sie die Dinge mit »gesundem Menschenverstand« betrachte, könne allein die AfD, den wahren »Volkswillen« artikulieren. Damit suggeriert sie für ihre Sicht der Dinge den Status der »Wahrheit«.
Mit ihrem »Mut zur Wahrheit« versucht sich die AfD gegen jegliche Kritik zu immunisieren. Unter diesen Umständen wird aus Kritik an der AfD nicht Kritik irgendwelcher Parteipositionen – sondern Kritik an der »Wahrheit«. Und wer will schon gegen die Wirklichkeit argumentieren?
Doch am Ende geht es der AfD vor allem um Emotionen und weniger um Fakten. Ohne Umschweife erklärte Georg Pazderski, Spitzenkandidat der AfD in Berlin, kurz vor der Landtagswahl, warum seine Partei Ängste vor Problemen schüre, die sich statistisch nicht nachweisen ließen: »Es geht nicht nur um die reine Statistik, sondern es geht darum, wie das der Bürger empfindet. (…) Im Englischen gibt es ein schönes Wort. Das heißt: ›Perception is reality.‹ Das heißt also, das, was man fühlt, ist auch Realität. (…) Wir dürfen doch nicht über die Ängste der Bevölkerung hinweggehen.«
Ganz ähnlich äußerte sich Alexander Gauland in einem Interview mit dem NDR-Magazin Panorama: »Man macht es nicht, indem man falsche Dinge behauptet, aber indem man bestimmte Dinge in den Vordergrund der Argumentation stellt. (…) Sie argumentierten mit dem Durchschnitt, und ich argumentiere mit deutlichen Ausreißern von dem Durchschnitt.«
Falsch liegen die beiden Herren nicht. Die eigene Wahrnehmung hat sicherlich einen großen Einfluss auf die eigene Wirklichkeit. Es reicht jedoch nicht, die Wahrheit für sich in Anspruch zu nehmen. Deswegen versucht die AfD, jeglichen Widerspruch zu diskreditieren.
Besonders deutlich zeigt sich diese Einstellung im Umgang mit der sogenannten »Lügenpresse«. Kritische Medien werden durch diesen Vorwurf zum Teil der ausgemachten Probleme. Die AfD will die Glaubwürdigkeit von Medien mit einem Kampfbegriff untergraben, der unter den Nationalsozialisten seine unrühmlichste Wirkung entfaltete. Dafür appelliert sie auch an vorhandene Vorbehalte gegenüber den Medien. Gegenüber dem NDR erklärte Gauland: »Sie brauchen in der politischen Auseinandersetzung extreme Formulierungen. (…) Da können sie die Lügenpresse nehmen oder die Lückenpresse oder die Pinocchio-Presse. Ja, wir müssen zuspitzen, um uns hörbar und deutlich zu machen,« Doch mit der Rede von der »Lügenpresse« verzichtet die AfD auch auf eine deutliche Abgrenzung von jenem Lager, in dem der Kampfbegriff ansonsten gern genutzt wird – den Rechtsextremen.
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»Deutschland muss seine innere Freiheit zurückgewinnen!
Die von vielen sogenannte Lügenpresse hat sich ihren Namen nicht selten redlich verdient. Anstelle objektiver Berichterstattung propagiert sie eine fatale Willkommenskultur. Das GEZ-gebührenfinanzierte Staatsfernsehen markiert uns als Gegner, weil wir sagen, was nicht gesagt werden soll. Die politische Korrektheit liegt wie Mehltau auf unserem Land. Die AfD ist der Garant für die freie Rede und für die schonungslose, ehrliche Analyse unserer Lage. Weil wir uns heute hier versammelt haben, ist die innere Freiheit in Deutschland noch lebendig.«
Auszug aus den »5 Grundsätzen für Deutschland«, verlesen von Alexander Gauland und Björn Höcke am 18.11.2016 in Magdeburg und Erfurt
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Ob diese Taktik aufgeht, hängt nicht zuletzt von der Bereitschaft ab, dieses Spiel mitzuspielen. Spielverderber müssen Rechtspopulismus ernst nehmen, dürfen dabei aber nicht in Panik verfallen. Sie können die inhaltliche Leere der AfD bloßstellen und haltlose Vorwürfe gegen Kritiker benennen.