Parteien wie die AfD sind getrieben von dem Drang, sich abzugrenzen. Vom Islam, der nicht nach Deutschland gehöre, von einem vermeintlichen politischen Kartell oder dem Gender Mainstreaming. Diese intensive Abgrenzung erlaubt es der Partei, eine größtmögliche Zahl von Sympathisanten für sich zu gewinnen und dabei auf zu genaue Selbstaussagen zu verzichten.
Deutlicher geht es kaum: »Der Islam gehört nicht zu Deutschland.« Während die mitunter zugespitzten Aussagen ihrer Vertreter im Nachhinein oft dementiert, korrigiert oder zurückgenommen werden, scheut die AfD in ihrem Parteiprogramm eine eindeutige Positionierung und Abgrenzung nicht.
Abgrenzung wiederum gehört zum Kern von Populismus. Mangels eigner, positiver Ziele und Standpunkte definiert sich eine populistische Partei maßgeblich über Abgrenzung. Genauso wie es leichter fällt, Probleme und Missstände zu benennen, aber keine Lösungen anzubieten, ist es mit der Selbstdefinition. Ein zu klares Bild der eigenen Inhalte und Ziele birgt die Gefahr, mögliche Anhänger zu verprellen. Abgrenzung dagegen ist sinnstiftend. Feindbilder zu konstruieren und zu pflegen, weckt leicht das Gefühl von Gemeinschaft – die sind anders, »wir« sind besser. Nicht ohne Zufall wenden sich die Politiker der AfD in ihren Reden so gern an die »lieben Freunde«. Diese Abgrenzung funktioniert jedoch in mehrere Richtungen: vertikal und horizontal.
Vertikal. Mit der wiederholten Rede von einem »politischen Kartell« will die AfD einen Keil zwischen, »die da oben« und dem »kleinen Mann« treiben. Das »einfache Volk« sei von den wirklichen Entscheidungen ausgeschlossen. Dagegen verspricht die AfD, allein die wahren Bedürfnisse des Volkes vertreten zu können. Mit diesen anti-elitären Vorbehalten schürt die Partei nicht nur einen Gegensatz zwischen Politik und Gesellschaft, sie untergräbt auch das Vertrauen in die parlamentarische Verfassung der Bundesrepublik.
Horizontal. Das »Volk« müsse aber nicht nur vor den »korrupten Eliten« beschützt werden. Gefahr droht in den Augen der AfD auch von »Anderen«. Muslime und der Islam sind nicht das einzige Feindbild der AfD. Die Partei grenzt sich beispielsweise genauso von der »Gender Ideologie« und »lauten Minderheiten« (Homo- und Transsexuelle) ab.
Abgrenzung ermöglicht es, Sündenböcke für die ausgemachten Probleme verantwortlich zu machen. Dadurch scheinen auch relativ einfache Lösungen Abhilfe zu versprechen. In dieser verkürzten Logik lassen sich Probleme am besten lösen, indem man die »Ursache« – also den Sündenbock – bekämpft.
Angesichts des statischen Bildes, das die AfD von Gesellschaft und Kultur hat, wird sie mit ihrer Abgrenzung nicht bei den Gruppen Halt machen, die heute schon Ziel sind. Nach und nach wird sie immer neue Feindbilder ausrufen. Letztlich stellt jede Abweichung von dem bislang nur grob umrissenen Gesellschaftsbild der AfD ein Risiko und eine Herausforderung der eigenen Identität dar. Dementsprechend wird sich die AfD – wie in der Vergangenheit mit Euro-Krise, der sogenannten Flüchtlingskrise und inzwischen der Demographie-Krise – zur eigenen Identitätsfindung auch in Zukunft auf Krisen fokussieren, die drohen, dem »Volk« etwas zu nehmen.
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»Spätestens seit den Verträgen von Schengen (1985), Maastricht (1992) und Lissabon (2007) hat sich die unantastbare Volkssouveränität als Fundament unseres Staates als Fiktion herausgestellt. Heimlicher Souverän ist eine kleine, machtvolle politische Führungsgruppe innerhalb der Parteien. Sie hat die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte zu verantworten. […] Es handelt sich um ein politisches Kartell, das die Schalthebel der staatlichen Macht, soweit diese nicht an die EU übertragen worden ist, die gesamte politische Bildung und große Teile der Versorgung der Bevölkerung mit politischen Informationen in Händen hat.«
Grundsatzprogramm der AfD
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Was hilft? Die AfD kann aufgrund ihres rechtspopulistischen Charakters nicht aufhören, sich von Gruppen abzugrenzen. Deswegen ist es wichtig, die Partei ernst zu nehmen und aufmerksam zu beobachten. Gegen ihre Abgrenzung ist öffentlicher und privater Widerspruch unerlässlich. Erfolgreich kann Abgrenzung aber nur sein, solange sie Ängste vor »den Anderen« hervorrufen kann. Dagegen kann politische Bildung und Aufklärung helfen, vor allem aber wird es darauf ankommen, den Raum für eigene Erfahrungen mit »den anderen« zu schaffen.