Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 1-2013, Rubrik Titelthema

Schwer wie ein Stein, aber dennoch gut verdaulich

Anne Vagt über den »Ziegel – 13. Hamburger Jahrbuch für Literatur«

Seit zwanzig Jahren gibt es den ZIEGEL, das »Hamburger Jahrbuch für Literatur«. Der ZIEGEL heißt, wie er heißt, weil er ursprünglich dasselbe Format hatte wie der typische Hamburger Backstein (22 x 10,5 x 6,5 cm). Mittlerweile ist er etwas in die Breite gegangen, ohne jedoch an – auch inhaltlicher – Schwerkraft zu verlieren: mehr als 550 Seiten umfasst der aktuelle 13. Band, der jüngst erschienen ist.
Wie bei den vorangegangenen Ausgaben hat eine Jury die besten Arbeiten von Hamburger Autoren, bildenden Künstlern und Fotografen ausgewählt. Formenvielfalt ist dabei Programm: Das Buch versammelt Erzählungen, Romanauszüge, Kurzprosa, Gedichte, Reportagen, Essays, Briefe. Ergänzt werden die literarischen Arbeiten durch Bildserien, die mal witzig (Nicolas Nowacks Künstlersatire »Neulich in der Tate«), mal rührend (Thorsten Brinkmanns Fotos von seinem verkleideten Hund Ernie) oder auch merkwürdig im besten Sinne sind (Petra Schoenewalds »Personenschaden«, der Bilder aus der Hamburger Morgenpost verarbeitet).
Der ZIEGEL ist zwar schwer wie ein Stein, aber dennoch gut verdaulich. Anstatt den gesamten Band von vorne bis hinten durchzuackern, kann man sich ganz nach Belieben immer mal wieder ein Häppchen gönnen, ein Gedicht hier, eine Erzählung dort lesen, sich von einem anregenden Titel zum nächsten treiben lassen oder wild von einem Kapitel zum anderen springen. (Der klassischen Lesart von vorn nach hinten steht natürlich nichts im Wege.)
Der neue Band widmet sich u.a. den »großen Themen« Heimat, Liebe und Arbeit. Und so vielfältig wie die Erzählformate, so unterschiedlich sind auch die Schauplätze, Protagonisten und Stimmungen, denen man begegnet. Wer zum Beispiel annimmt, dass für Hamburger Autoren die Heimat und die Suche nach ihr am Elbstrand aufhörten, der irrt. Sie führt in verwaiste ländliche Gebiete (Cornelia Manikowsky), in ein verlassenes, zauberhaft anmutendes Krankenhaus in Brandenburg (Paul Kersten / Janina Fuge) und setzt sich bei einer Bergbesteigung in Teheran (Tina Uebel) fort.
Und die Liebe, die Liebe… wer hätte nicht nach ihr gesucht, wem wäre sie nicht schon einmal verloren gegangen? Da ist die ungewollt schwangere Studentin, die mit einer obdachlosen, ebenfalls schwangeren Diebin konfrontiert wird (Katrin Seddig); da ist der verzweifelte Dreizehnjährige, der seine Mutter aus der Wohnung verbannt (Michael Weins), und da ist die weise Nachtschwärmerin (Dagrun Hintze), die gelernt hat, ihren eigenen Regeln zu misstrauen, bis eines Nachts…

Buch: ZIEGEL – 13. Hamburger Jahrbuch für Literatur 2012/13, hg. von Jürgen Abel und Wolfgang Schömel, Dölling und Galitz Verlag, Hamburg 2012

Der Dölling und Galitz Verlag ist ein 1986 in Hamburg gegründeter unabhängiger Verlag, dessen Programm Bücher und eBooks aus den Bereichen Architektur, Kulturgeschichte, Kunst, Natur, Geschichte und Judaica mit regionalem Schwerpunkt Hamburg und München umfasst. Das »Hamburger Jahrbuch für Literatur. ZIEGEL« ist ein 1992 in Zusammenarbeit mit der Kulturbehörde Hamburg entwickeltes Publikationsprojekt, das alle zwei Jahre erscheint. www.dugverlag.de

Anne Vagt ist freie Mitarbeiterin im Dölling und Galitz Verlag.