Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 1-2013, Rubrik Kommentar

# Zukunft selbst gestalten

Von Gregor Best, LJR-Vorsitzender

Die letzten Tannenbäume lagen noch im Straßengraben, da zog im Januar ein großer #aufschrei durchs Land. Brüderle, so hieß es in den Medien, sei ein Lustmolch, ein deutscher Berlusconi. Wie zu erwarten stürzte sich der Mob auf ihn: Jede Kleinigkeit – ob wahr oder unwahr – wurde mittels Facebook, Talkshow und Twitter in Windeseile vielfach wiederholt. Selbst die vorher leidenschaftliche und lautstark geführte »Neger«-Kinderbuch-Diskussion wurde dadurch flugs verdrängt.
Selbstverständlich haben Themen wie Rassismus und Sexismus eine Diskussionsberechtigung im öffentlichen Raum. Wahrscheinlich sogar mehr denn je. In Zeiten, in denen viele Menschen ihre innere Kompassnadel neu justieren, weil die Vorstellungen der großen Glaubensgemeinschaften für sie keine Richtschnur mehr darstellen, stehen die gesellschaftlichen Positionen zu Ethik und Moral zwangsläufig neu zur Verhandlung.

Debatten(un)kultur. Dieser gemeinschaftliche Prozess wird bedauerlicherweise aber nicht sachlich und mit dem notwendigen Respekt sondern mit alles übertönenden Nebengeräuschen geführt. Ob Fernsehsendung oder private Diskussion – die fertigen Urteile stehen leider häufig schon vor der ersten Äußerung fest. Dem inhaltlichen Gegenüber wird – wenn überhaupt – mit despektierlichen Äußerungen begegnet. Eine gemeinsame Findung ist so nicht möglich.
Doch darum geht es scheinbar auch nicht. Ein Konsens ist nicht das Ziel. Es geht um die Show des Stärkeren, des scheinbar Überlegenen. Seine Meinung zählt, sonst nichts. Schwarz oder Weiß!
Selbstverständlich könnte ich es mir leicht machen und die Verantwortung auf die Medien oder die »bösen Politiker« rollen, doch letztendlich bin auch ich – wie wir alle – Teil dieser ständigen Findung. Es liegt auch an uns, wie die Stimmung in diesem Land ist, wie die Diskussion geführt wird.
Gerade als Gruppenleiter oder Vorsitzende im Jugendverband haben wir dabei häufig eine wesentlich höhere Verantwortung als gleichaltrige Freunde. Kinder und Jugendliche wollen unsere Meinung wissen, unseren Standpunkt hören, um ihre eigene Meinung zu bilden.
Es ist ehrbar, wenn wir im Brandt’schen-Geiste »Mehr Demokratie« fordern. In erster Linie sollten wir sie praktisch fördern: durch eine aktive Beteiligung unser Mitglieder in den Verbänden, durch Respekt verschiedener Meinungen und die wirkliche Übertragung von Aufgaben und Entscheidungen.

# Umbrüche. Bei vielen Verbänden klappt das hervorragend – bei einigen wirklich, bei anderen scheinbar. Daher sollten sich gerade langjährige Ehren- und Hauptamtliche die Frage stellen, ob es immer noch im Sinne der Jugendverbandsarbeit ist, was tagtäglich verbandsintern passiert. Mag sein, dass manche Diskussion, die daraus entsteht, schmerzhaft verläuft. Wer auf dem richtigen Weg ist, wird sich dieser aber nicht scheuen müssen.
Im Jahr der Bundestagswahl wird es noch viele Schwarz-Weiß-Diskussionen geben; die ein oder andere Sau durchs Dorf getrieben. Dabei sollten wir aber selbst nicht den Blick aufs Wesentliche verlieren, denn am Eingangsbeispiel wird es deutlich: Brüderle ist – alleine des Alters wegen – langfristig Geschichte. Die Kinder und Jugendlichen sind die Zukunft. Es ist ihre Zukunft, und dabei sollten wir sie motivieren, diese selbst zu gestalten – auch oder gerade wenn wir zu manchen Themen eine andere Meinung haben.