Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3-2012, Rubrik Titelthema

Handicap – na und!

Inklusion bei der Jugendfeuerwehr Hamburg

Von Kathy Remek, Jugendfeuerwehr Hamburg

Das Inklusionsprojekt der Deutschen Jugendfeuerwehr ist Teil der Kampagne »Unsere Welt ist bunt«. Das Thema griff die Jugendfeuerwehr Hamburg bereits bei ihrer großen Klausurtagung im Jahr 2007 auf, woraus unterschiedliche und zahlreiche Aktionen zur Aufklärung und zur Integration von Menschen in unseren Wehren entstanden sind. Für die inhaltlichen Themen gibt es verschiedene Module, unter anderem das Modul »Handicap – na und!«

Behinderung und Jugendfeuerwehr, geht das denn? Ja, es geht! Es ist aber auch mit vielen Ängsten (Schaffen wir das?) und Bedenken (Können die Kinder das denn?) verbunden. Gerade zwei unserer Grundaussagen, das Bergen und das Retten, implizieren in den Köpfen des Betrachters die körperliche Unversehrtheit des »Rettenden und Bergenden«. Hier geht es in den Vorstellungen und auch bei den Übungen immer um das Zupacken. Es geht um eine handfeste Aktion, in der jede Art von Handicap stören, ja sogar dazu führen könnte, den Auftrag nicht mehr erfüllen zu können. Die schlimmere Vorstellung wäre, sich womöglich selber in Gefahr zu bringen. Die Schere im Kopf ist weit gespreizt und Szenarien, in denen etwas ganz gewiss nicht klappen wird, sind schnell konstruiert.

Um das »Ja, es geht!« mit Leben zu füllen, muss mit verschiedenen Ansätzen gearbeitet werden und nur eine Verknüpfung unterschiedlicher Vorgehensweisen wird zum Erfolg führen. Wollen alleine reicht hier nicht, selbst wenn das Thema Inklusion in den Köpfen angekommen ist, ist es das in den Herzen noch lange nicht.

Das Inklusions-Modul in der Hamburger Jugendfeuerwehr. Mit dem Modul »Handicap – na und!« wird seitdem das Thema Behinderung und Jugendfeuerwehr in den Jugendfeuerwehren vor Ort angeboten. Es ist darauf ausgerichtet, das Thema »Leben mit Behinderung« fassbar und erfahrbar zu machen. Es fällt gerade Kindern und Jugendlichen leichter, sich über Erfahrungen auszutauschen und nicht zu abstrahieren. Ein körperliches Handicap als körperlich Unversehrter zu erfahren, darüber zu bemerken, dass Verrichtungen des Alltags plötzlich schwer und unlösbar erscheinen, weckt Interesse und spornt zur Lösungssuche und Kreativität an. Kinder sind hier besonders kreativ und füllen den Themenabend mit Beispielen aus ihren erlebten Einschränkungen durch zum Beispiel Arm-, oder Beinbrüche.

In dem Modul »Handicap – na und!«, geht es um Aufklärung und Sensibilisierung der Gruppenmitglieder. Es werden Fragen gestellt wie: Was würde sich in meinem Leben verändern, wenn ich eine Behinderung hätte? Könnte ich weiterhin zur Jugendfeuerwehr gehen?

Können Kinder und Jugendliche mit Behinderung bei uns in der Jugendfeuerwehr mitmachen? Neben Klärung von Versicherungsfragen werden Bedenken, Ängste und Grenzen des Machbaren in der Gruppe angesprochen und diskutiert. Gerade aus dem Blickwechsel heraus, Behinderung könne auch mich treffen, wächst die Bereitschaft, Berührungsängste zu überwinden und neue Schritte zu ermöglichen. So gibt es auch in der Jugendfeuerwehr Hamburg Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Handicaps.

Die Praxis. Tatsächlich sind aber die Buchungszahlen des Moduls gering. Zwar wurde das Thema von den Jugendfeuerwehrwarten in einer Klausurtagung 2007 ausdrücklich eingefordert, zu einem Sturm auf die Referenten ist es jedoch noch nicht gekommen. Wo liegen die Gründe dafür? Ich denke: Das Thema ist im Kopf, nicht im Herzen. Wir reden noch vom »Wenn …« und vom »Was dann?«, wir sind aber nicht überhäuft von Aufnahmeanfragen von Kindern und Jugendlichen mit Handicap.

Hier stellt sich für mich die Frage: »Ist die Schere im Kopf vielleicht auch weit offen bei denen, auf deren Ankunft wir uns mit unseren Bemühungen einstellen wollen? Wie sieht sich ein junger Mensch mit körperlichen Einschränkungen in einer Gruppe von organisiert agierenden »Gesunden« die in Einsatzwagen springen, Ausrüstungsgegenstände schleppen und verschiedene Hindernisse überwinden? Ich kann mir vorstellen, dass es eine Überwindung ist, sich mit Vorstellungen wie »Da kann ich nicht mithalten!« oder »Wie käme mein Rollstuhl auf den Einsatzwagen?« an die nächste Jugendfeuerwehr zu wenden, um ein Mitglied zu werden.

Vielleicht sollten wir Realitäten schaffen, die Scheren zusammenklappen lassen und die Module umwandeln in ein »Learning by doing«. Sehen wir doch einfach unsere Schwierigkeiten bei der Inklusion von behinderten Kindern und Jugendlichen in unserem Verband als unsere Behinderung an und antworten mit dem, was wir Behinderten gerne als Stärke bestätigen, nämlich Erfindungsreichtum und umfassende Problemlösungsstrategien für unterschiedlichste Schwierigkeitsgrade.

Wir würden uns nicht nur öffnen, sondern wir »saugten auf«, erklärten »We want you!« und zeigten dabei nicht nur auf Mädchen und Jungs, Deutsche und Migranten, Gymnasiasten und Hauptschüler – sondern eben auch auf Unversehrte und Versehrte.