Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3-2012, Rubrik Titelthema

Wege im Sport

Inklusion beim SV Eidelstedt

Von Stefan Schlegel, SV Eidelstedt

Überglücklich und leicht erschöpft umarmt und verabschiedet sich der 16jährige Timo von seinem 26jähigen Trainer Nicolas an einem späten Sonntagnachmittag. Sie haben beide noch, wie weitere 16 Kinder und 7 Betreuer, die quietsch-gelben SVE-Basecaps zur Gruppenerkennung auf dem Kopf und werden in wenigen Minuten nach einem dreitägigen Kurzurlaub freudig von den Eltern der Kinder erwartet. Timo ist trotz seines Downsyndroms zum sechsten Mal mit seinem Verein unterwegs, der wie selbstverständlich seit über 20 Jahren Reisen für Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen durchführt.

Timos Verein ist der SV Eidelstedt, der eine der größten Inklusionssportabteilungen Norddeutschlands unterhält, die neben dem klassischen Sportbetrieb auch alle zwei Jahre auf Wochenendreise aufbricht. Diesmal ging es wieder einmal in die Ferienanlage der Hamburger Sportjugend an die Ostsee, nach Schönhagen. »Diese gemeinsamen Übernachtungsreisen sind ein Teil unseres Inklusionskonzeptes, bei dem nicht nur das gemeinsame Sporttreiben, sondern der selbstverständliche Umgang außerhalb des Sportplatzes, nämlich in der der Freizeit, aktiv gelebt wird«, erläutert der angehende Schullehrer und Betreuer Nicolas Milatz.

Und in der Tat: Einem Außenstehenden wird bei der Beobachtung dieser Gruppen schnell deutlich, dass die Kinder einen tollen harmonischen, respektvollen und toleranten Umgang miteinander pflegen. Obwohl sie aus unterschiedlichen Sportgruppen stammen und motorisch wie geistig sehr unterschiedliche Fähigkeiten und Talente mitbringen.

Bei der genauen Betrachtung wird aber auch deutlich, dass eine gute Inklusion bei einer erlebnisreichen Wochenendreise für die Kinder, ähnlich wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen, nur mit zusätzlichem Personal möglich wird. Acht ehrenamtliche Betreuer/innen und Trainer/innen der SVE-Sportgruppen haben sich als »Wochenend-Zeitspender« betätigt. »Nur so ist auch diesmal wieder der erforderliche Betreuungsschlüssel von 1:2 gelungen, welches aber verständlicherweise eine besondere Herausforderung in der Finanzierbarkeit solcher Inklusions-Reisen darstellt«, berichtet Nicolas. Diese Reise muss stark mit Vereinsmitteln gefördert werden, da solch ein hoher Betreuereinsatz für die meisten Eltern sonst kaum finanzierbar wäre. Nur circa ein Drittel der Kosten wird durch die Eigenleistung der Eltern getragen. So wird die Sozialverträglichkeit des Angebotes sichergestellt.

»Ich denke, dass Du diesmal das letzte Jahr mitfahren konntest, schließlich ist die Reise nur für Kinder bis 15 Jahre«, frotzelt Nicolas in Richtung des jugendlichen Timo, der aber schnell kontert: »Quatsch, beim nächsten Mal fahre ich doch als Nachwuchsbetreuer mit und dann darf ich genau so lange aufbleiben wie Du!« Da kann Timo vielleicht Recht haben, schließlich hat er gerade die Zusage von der Geschäftsstelle des SV Eidelstedt erhalten, im November sein Schülerpraktikum im Großverein absolvieren zu dürfen. An diesem Beispiel eines Hamburger Sportvereins wird klar deutlich: Inklusion ist kein Expertenthema. Es ist ein Thema, das die Zustimmung Aller erfordert und deshalb von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung ist.

Der SV Eidelstedt (SVE) ist ein Sportverein, der in unterschiedlichen Stadtteilen in Hamburgs Westen anzutreffen ist. Dieses Jahr hat der SVE das 7.000ste Mitglied begrüßt.

Neben vielen bekannten und auch weniger bekannten Sportarten treiben seit nunmehr 23 Jahren Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen gemeinsam Sport in der Inklusionssportabteilung (früher Integrationssport genannt). Über 250 Mitglieder treffen sich regelmäßig in Breiten- und Freizeitsportgruppen mit wechselnden Angeboten oder sie bereiten sich in Teamsportarten wie Fußball oder Handball zielgerichtet auf spezielle Inklusions-Turniere vor.

Alle Gruppen werden in einem interdisziplinären, ehrenamtlichen Betreuerteam geführt, so dass eine gute und individuelle Betreuung angestrebt wird. So kann speziell im Kinderbereich bei den Angeboten im Schwimmbad, den diversen Psychomotorikgruppen und der »Ringen, Rangeln und Rauf-Gruppen«, auf die persönlichen Vorlieben und Talente der Teilnehmer/innen eingegangen werden.

Der SV Eidelstedt – ein vorbildlicher Antreiber bei der Gründung des Forums Inklusion
Vor drei Jahren hat der SV Eidelstedt gemeinsam mit anderen Einrichtungen und Vereinen der Behindertenhilfe eine sehr erfolgreiche öffentlichkeitswirksame Veranstaltung zur Gleichstellung von behinderten Menschen in der Gesellschaft durchgeführt. Schnell wurde den Organisatoren klar: Gemeinsam kann man mehr bewegen. Es dauerte keine drei Monate bis das offene Forum Inklusion gegründet war. Gründungsmitglieder sind neben dem SV Eidelstedt die Lebenshilfe Schenefeld, das Eidelstedter Bürgerhaus, die Martha Stiftung, die Stiftung Alsterdorf-Assistenz West und persönlich Betroffene.

Das Forum Inklusion hat sich zur Aufgabe gemacht, durch diverse Aktionen auf die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen hinzuweisen und die Gleichstellung von behinderten Menschen voranzutreiben. Auf der Internetseite www.forum-inklusion.de findet man nähere Infos zu den Aktivitäten des Forums, die in diesem Jahr unter anderen waren:

• Fortbildungsveranstaltungen und die kritische Betrachtung der Umsetzung UN-Konvention für Betroffene in »Leichter Sprache« mit anschließender Übergabe der zusammengestellten Forderungen an die Senatskoordinatorin für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen – Frau Körner.

• Durchführung des bundesweiten Aktionstages zur Gleichstellung von Menschen mit Beeinträchtigungen, mit dem diesjährigen Schwerpunkt: Theaterprojekte für Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen.

• Filmreihe: mitten drin, statt nur nebenbei. Seit zwei Jahren zeigt das Forum Inklusion in regelmäßigen Abständen kostenlos unterhaltsame und nachdenkliche Spielfilme um die Themen Inklusion und Leben mit Einschränkungen. Dabei wird das Thema »Behinderung« in diesen Filmen nicht unnötig schwermütig dargestellt. Die Filme werden oft unter dem Aspekt unterhaltsam, spannend und mit viel Witz ausgewählt.