Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2005, Rubrik Nachrichten

Never Ending Story?

Zum Stand der Dinge im Rechtsstreit um den Jugendhilfeausschuss in Harburg

Von Marc Buttler, LJR Hamburg

Pattsituation. Landesjugendring und Bezirk Harburg sind sich im Streitfall um die rechtskonforme Zusammensetzung des bezirklichen Jugendhilfeausschusses noch immer nicht einig; jedenfalls führen sie weiterhin einen Rechtsstreit gegeneinander. Mit dem Abschluss des einstweiligen Rechtsweges steht es quasi unentschieden.
Auf der einen Seite gaben das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht Hamburg dem Landesjugendring in den inhaltlichen Fragen im Wesentlichen Recht. Die Gerichte stellten gleich mehrere Versäumnisse und Rechtsbrüche von Bezirksamt und schwarz-grüner Koalition in Harburg fest1.

Alles, was Recht ist. Die Bezirksversammlung Harburg hat rechtswidrig gehandelt, da sie mit ihrem Beschluss vom 27.04.2004 das gesetzliche Gebot der angemessenen Berücksichtigung der Jugendverbände (§ 71 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII und § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 des Hamburgischen Gesetzes zur Ausführung des SGB VIII) verletzt hat. Der Vorschlag des Landesjugendringes für den Jugendhilfeausschuss war zudem der einzig korrekte aus der Vorschlagsgruppe der Jugendverbände; die Bezirksversammlung hätte ihm folgen müssen. Willi Netzler hingegen, der Präsident des Volksmusikverbandes, den die CDU und GAL aufgrund seiner Nähe zur CDU in den JHA wählten und als Jugendverbandsvertreter deklarierten, nannte das Gericht »den zu Unrecht gewählte(n) Vertreter der Jugendverbände«.
Die Forderung des CDU-Fraktionsvorsitzenden Ralf-Dieter Fischer, nach Auswahl zwischen anderen als dem vorgeschlagenen Kandidaten, handelten die Gerichte kurz ab: sie wiesen den Juristen Fischer darauf hin, dass seine Forderung keine Rechtsgrundlage im Gesetz findet.
Schon vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes hatte das Rechtsamt Harburg eingeräumt, dass nur die (landesweit) anerkannten Jugendverbände vorschlagsberechtigt sind und somit der Wahlvorschlag, den das Bezirksamt der Bezirksversammlung vorgelegt hatte, rechtswidrig war.

Hamburger Besonderheiten. Obwohl der Ausschuss somit rechtswidrig zusammengesetzt ist und allein diese Tatsache anderen Bezirken, namentlich Wandsbek und Hamburg-Nord, vor einiger Zeit in einem vergleichbaren Fall gereicht hatte, die Wahl zu wiederholen, weigerten sich die Mehrheitsfraktionen CDU und GAL, dies zu veranlassen. Diese, aus rechtsstaatlicher Sicht mehr als fragwürdig Vorgehensweise, sicherten Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht inzwischen ab, wenn auch nur aus formalen Gründen.

Das Oberverwaltungsgericht stellte in seiner Begründung darauf ab, dass keine Rechtsgrundlage für ein Wahlanfechtungsverfahren vorhanden sei. Die Geschäftsordnung der Bezirksversammlung, die im Gegensatz zu den Kommunalparlamenten anderer Bundesländer ein bloßes Verwaltungsgremium sei und nicht etwa ein Parlament, kennt kein entsprechendes Verfahren. Im Klartext bedeutet dies: da die Bezirksversammlungen keine Parlamente sind, sind sie auch nicht an den demokratischen Standard eines Parlamentes gebunden.

Die einzige Möglichkeit, die Wahl des Jugendhilfeausschusses anzufechten, sei das Beanstandungsrecht oder besser Beanstandungspflicht des Bezirksamtsleiters. Das Beanstandungsrecht sieht in § 18 Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) vor, dass die Bezirksamtsleiterin bzw. der Bezirksamtsleiter die Beschlüsse der Bezirksversammlung binnen zwei Wochen bei dem vorsitzenden Mitglied zu beanstanden hat, wenn sie gegen die Gesetze verstoßen. Der Bezirksamtsleiter hat die Rüge pflichtwidrig versäumt. Der LJR war seinerseits nicht in der Lage, ihn auf die rechtswidrige Vorgehensweise hinzuweisen, da das Bezirksamt es zusätzlich versäumt hatte, das Ergebnis der Wahl auch nur irgendjemandem mitzuteilen. Und auch im Vorwege war nicht durchgesickert, dass der Bezirk den Begriff der »regionalen Jugendverbände« erfunden und damit eine nicht anerkannte Jugendorganisation für wählbar erklärt hatte.

Im Ergebnis werden die Beschlüsse des Jugendhilfeausschusses trotz seiner rechtswidrigen Zusammensetzung einstweilig Bestand haben. Träte jedoch der Fall ein, dass ein von einer Einzelentscheidung nachteilig betroffener Träger sich der rechtswidrigen Zusammensetzung erinnert und dahingehend argumentiert, diese Zusammensetzung sei mitursächlich für den in seinen Augen »falschen« JHA-Beschluss gewesen, dann könnte der ganze JHA-Fall erneut ins Rollen kommen. Gleiches gilt für den Fall der Nachwahl eines Mitgliedes. Der Bezirksamtsleiter müsste dann womöglich einen Beschluss der Bezirksversammlung rügen. Diesmal wird er es nicht vergessen, die Jugendverbände werden ihn daran erinnern.

Anmerkung:
1. VG Hamburg, Beschluss vom 13.6.05, Az. 13E1531/05;
OVG Hamburg, Beschluss vom 3.8.05, Az. 4Bs201/05