Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2006, Rubrik Vielfältige Jugendarbeit

Wachsende Stadt – ortlose Jugendverbände?

von Marc Buttler, Arbeitsgemeinschaft freier Jugendverbände (AGfJ) und Mitglied des Jugendhilfeausschuss Wandsbek

Jugendverbände brauchen Räume. Einige wenige dieser Räume stellt die Stadt zur Verfügung. Drei Jugendverbände mussten 2006 die Erfahrung machen, dass dies nicht überall ein sicheres Fundament ist.
Im Zuge des Konsolidierungsprogramms des Finanzsenators werden sämtliche Immobilien im städtischen Eigentum auf den Prüfstand gestellt. Hierzu gehörte auch eine kleine Reetdachkate im Schröder's Elbpark in Othmarschen, die der Bund Deutscher Pfadfinder/innen (BDP) nutzt.

Unzuständigkeiten. Im März 2006 kündigte das Bezirksamt Altona, auf Anweisung der Finanzbehörde, dem BDP die weitere Nutzung ohne vorherige Ankündigung zum 30.4. des Jahres. Gesprächswünschen des Trägers wurde sich zunächst versperrt. Der Bezirk argumentierte, er könne für den Jugendverband nichts tun, er würde nur die Anweisungen der Finanzbehörde umsetzten. Ähnlich argumentierte zunächst die Sozialbehörde; da der Träger in Altona ansässig sei, sei auch das dortige Bezirksamt in der Pflicht.

Versuche, mit den beteiligten Behörden ins Gespräch zu kommen, scheiterten mehrfach an der Finanzbehörde, die sich nicht in der Verantwortung sah, sich mit der Angelegenheit überhaupt zu beschäftigen. Nicht ganz allerdings, »Protokollfragen« wurden dort eifrig bearbeitet. Die AGfJ, die sich in der Angelegenheit an die zweite Bürgermeisterin gewendet hatte, erhielt eines Tages ein Anruf aus dem Büro des Finanzsenators, mit dem dieses signalisierte, dass es nun auch dieses Schreiben zur Kenntnis genommen habe. Die Tatsache allerdings, dass im Büro des Ersten Bürgermeisters ein weiteres Schreiben – wohlgemerkt weder von der AGfJ veranlasst oder geschrieben – zu diesem Thema eingegangen sei, sei eine Verletzung des »Protokolls« und es müsse doch wohl bekannt sein, dass man sich nicht in der selben Angelegenheit an zwei Bürgermeister wenden könne.

Nachdruck. Das Thema wurde sowohl von der Presse, als auch von der jugendpolitischen Sprecherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Andrea Hilgers, und der Fraktionsvorsitzenden der GAL, Christa Goetsch, aufgegriffen, die sich für den BDP einsetzten und in zahlreichen bürgerschaftlichen Anfragen den Senat um Aufklärung baten. Aus den Antworten des Senats ergaben sich Nachfragen und Widersprüche. Weder war in Altona der Jugendhilfeausschuß (JHA) mit dem Thema beschäftigt worden, noch konnte der Senat Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens ausräumen. Auch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs, den der BDP gegen die »Kündigung« des »Mietvertrages« eingelegt hatte, wurde nun anerkannt.

Zwischenzeitlich sah es so aus, als würde der Streit endgültig eskalieren. Die Finanzbehörde drohte mit dem Aufbrechen von Türschlössern, der BDP ging dagegen mit Anträgen vor dem Verwaltungsgericht vor, als der Altonaer Bezirksamtsleiter, Hinnerk Fock, den BDP, Sozial- und Finanzbehörde, sein Jugend-, Rechts- und Gartenbauamt, AGfJ und LJR im Juni zu einem Runden Tisch einlud. Obwohl auch hier die Liegenschaftsabteilung der Finanzbehörde durch Abwesenheit glänzte, einigten sich die Beteiligten nunmehr gemeinsam auf die Suche nach einer Ersatzlösung zu gehen. Diese konnte schließlich im Oktober mit dem Gebäude des ehemaligen Spielhauses Zeiseweg auch gefunden werden.

»Versilbern« anderswo? Entsprechende Erfahrungen mit der Finanzbehörde durfte auch der Pfadfinder- und Pfadfinderinnenbund Nord (PBN) im Sommer machen. Ein Stamm des Verbandes nutzt den ehemaligen Jugendclub im Justus-Strandes-Weg für seine Arbeit und musste diesen vorübergehend verlassen, da der schlechte bauliche Zustand eine weitere Arbeit im Gebäude unmöglich machte. Mit dem Bezirksamt und der Sozialbehörde konnte sich der Verband schnell und unbürokratisch auf eine Lösung einigen, die ein fast nahtloses Weiterarbeiten auf dem Gelände ermöglicht hätte. Dem Plan, auf dem Gelände vorübergehend Container aufzustellen, versperrte sich einzig die Finanzbehörde, die eigentlich die Interessen der Stadt als Eigentümerin vertreten soll. Die Politik der Finanzbehörde, die auch dieses Grundstück »versilbern« möchte und der die Position von Bezirksamt und Sozialbehörde nicht so bedeutend erschien, bestand wiederum im Nichtstun und dem Verweigern von Gesprächen – für das Problem sei man ja nicht zuständig.

Erst als der JHA sich des Problems annahm, es an die Bezirksversammlung verwies, die einstimmig für einen Verbleib des PBN an diesem Ort votierte, konnte der Bezirksamtsleiter die Finanzbehörde schließlich doch noch dazu bewegen, im Oktober an einem »Rundem Tisch« teilzunehmen. Der PBN erhielt die Erlaubnis, seine Container aufzustellen und auch über den Erhalt des Grundstücks für die Jugendarbeit wird z.Zt. verhandelt.

Und noch ein Fall. Nicht beteiligt war die Finanzbehörde an der versuchten Schließung des Jugendgruppenheimes Berner Allee. Hier nutzt die junge gemeinschaft (j.g.) seit den 1970ern und vor ihr die SJD/Die Falken und andere Jugendverbände seit 1945 ein ehemaliges Heim der Hitler-Jugend für ihre Gruppenarbeit. Im gesamten Bezirk Wandsbek, mit über vierhunderttausend Einwohnern immerhin der größte Bezirk der Hansestadt, gibt es darüber hinaus nur ein weiteres Jugendgruppenheim.

Nachdem die benachbarte Schule eine Mitnutzung des Hauses Ende der 1960er Jahre aufgab, zog eine Kindertagesstätte der AWO ein, die zunehmend mehr Platz in Anspruch nahm. Nachdem die Kita auch den einzig verbliebenen Jugendgruppenraum des Hauses mit nutzte, die j.g. hatte sich hierzu bereit erklärt, da sie ihn Vormittags nicht benötigte, war aus dem Jugendgruppenhaus Berner Allee – jedenfalls in der Wahrnehmung der Kita – eine Kita mit einem Jugendverband als Untermieter geworden.

Um Platz für ein erweitertes Angebot zu schaffen, strebte die AWO einen Auszug der j.g. an und teilte dem Jugendamt mit, man würde den Raum der j.g. nunmehr benötigen. Statt die AWO auf die Funktion des Hause hinzuweisen reagierte das Jugendamt Rahlstedt mit der Aufforderung an die j.g., diese hätte das Haus bis Ende 2006 zu räumen. Im Laufe der Jahre hatte sich wohl auch hier die Wahrnehmung verschoben, der Jugendverband wurde als Anhängsel der Kita wahrgenommen und sollte weichen, bei der Suche nach Ersatzräumlichkeiten könne man ja »behilflich« sein. Eine Beteiligung des Jugendhilfeausschusses war auch hier von Seiten des Jugendamtes zunächst nicht geplant, bis dieser die Beteiligten selbst einlud. Nunmehr – der Dezernent hatte die »Kündigung« gestoppt – zeichnet sich eine Lösung ab, die eine Nutzung des Hauses für Zwecke der Jugendverbandsarbeit und der Kita ermöglichen könnte. Durch einen Umbau des Hauses kann anderweitig Platz für die Kita geschaffen werden.

Wo liegt das Problem? Insbesondere die Bezirksämter, die Sozialbehörde und deren Mitarbeiter haben sich sehr für die betroffenen Jugendverbände eingesetzt, so dass man nicht von gezielten Aktionen sprechen kann. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Stadt von dem politischen Ziel abrückt, Jugendverbänden Räume zur Verfügung zu stellen. In allen drei Fällen ist jedoch festzuhalten, dass ein Teil des Problems auch in der Unkenntnis liegt, wo und in welchen Räumen Jugendverbände tätig sind, gerade die Finanzbehörde scheint über solche Informationen nicht zu verfügen, oder aber sie sind für Verkaufsentscheidungen nicht von Bedeutung. Die alles umfassende Perspektive einer »wachsenden Stadt« darf nicht zu Blindstellen in den genannten Teilen ihrer Lebenswelt führen.