Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 1-2008, Rubrik Titelthema

Engagement braucht Förderung

Die zehn Stipendiaten im Kurzportrait

Der Landesjugendring Hamburg fördert mit zehn »Stipendien« – in der Höhe der Studiengebühren – die Vereinbarkeit von Studium und ehrenamtlichem Engagement im Jugendverband. punktum stellt die Stipendiaten in kurzen Interviews vor.


Die gemeinsamen Fahrten sind das Wichtigste

Jan-Henning Blohm

Pfadfinder- und Pfadfinderinnenbund Nord(PBN) | 24 Jahre | seit 1999 Kassenwart | seit 2000 Sippen- und seit 2005 Stammesführer des Stammes »Mizar Alkor« in Wandsbek | Wiederaufbau des ausgebrannten »Mizar-Heimes«
Student an der Universität Hamburg | Fachbereich Holzwirtschaft (7. Semester)

Wie bist Du Pfadfinder geworden?
Mit zwölf Jahren habe ich ein Treffen des PBN-Stammes »Mizar Alkor« besucht. Das war in den Sommerferien, und die Pfadfinder haben von der bevorstehenden Ferienfahrt erzählt. Das klang ungeheuer spannend. So bin ich bereits am nächsten Tag dann mit einer Sippe nach Schweden aufgebrochen. Ein tolles Abenteuer für einen Zwölfjährigen. Ich bin also ein wenig kopfüber beim PBN gelandet und nach der tollen Erfahrung auf der Fahrt dabei geblieben. Das war vor nunmehr zwölf Jahren.

Heute zählst Du selbst zu den erfahrenen Pfadfindern ...
Richtig. Beim PBN wächst man sukzessive in neue Verantwortungsgebiete hinein. Zum Ende meiner Zeit als Sippenmitglied habe ich die Jugendleiterausbildung gemacht und mit 17 Jahren meine eigene Sippe eröffnet. Das ist beim PBN der normale Weg: aus einfachen Sippenmitgliedern werden im Laufe der Zeit ausgebildete Sippenführer, die dann immer mehr Verantwortung übernehmen. So war ich erst Kassenwart, dann Sippenführer und seit 2005 bin schließlich Stammesführer von »Mizar Alkor« geworden. Zudem bin ich auch in unserer PBN-Jugendleiterausbildung aktiv.
Doch nicht immer geht alles nach Fahrplan. Als unser Heim ausbrannte, standen wir vor der Ruine und mussten fast alles selbst in die Hand nehmen beim Wiederaufbau. Das war eine riesige Herausforderung für alle, zumal wenig Geld zur Verfügung stand. Aber wir haben es gemeinsam geschafft.

Kannst Du Dein Engagement beim PBN zeitlich einschätzen?
Vielleicht zehn Stunden pro Woche gehen für Sippen-Treffen oder gemeinsame Aktivitäten drauf. Dazu kommen dann aber noch die kleinen Fahrten einmal im Monat und die große Fahrt in den Sommermonaten. Außerdem denke ich auch Zuhause und bei alltäglichen Beschäftigungen viel darüber nach, was ich besser machen könnte oder wie ich z.B. eine Fahrt plane.

Was heißt Jugendverbandsarbeit für Dich?
Beim PBN sind die gemeinsamen Fahrten das wichtigste Element. Sie bieten für Jugendliche die Möglichkeit, nach draußen zu kommen und was anderes zu erleben, als alleine vorm Fernseher zu sitzen oder am Computer zu spielen. Wir erkunden mit geringen Mitteln andere Länder und Kulturen – aber auch das Hamburger Umfeld. Das schweißt zusammen. Und man lernt viel dabei: Selbstorganisation und Teamfähigkeit. Für meine Sippe ist die Fahrt zu einem zweiten Zuhause geworden.



Es ist einfach selbstverständlich, für einander da zu sein

Media Dannenberg
Pfadfinder- und Pfadfinderinnenbund Nord (PBN)
23 Jahre | 1998 bis 2006 Gruppenleiterin im Stamm »Tyriatis« | seit 2003 Stammesleiterin und Juleica-Ausbilderin | seit 2005 zweite PBN-Bundesvorsitzende
Studentin an der Universität Hamburg | Fachbereich Medizin (5. Semester)

Wie bist Du dazu gekommen?
Über einen ziemlich klassischen Weg: Ältere haben mir vom Pfadfinderleben vorgeschwärmt. Zuerst hat meine Cousine tolle Sachen erzählt und meine älteren Schwestern mitgezogen. Ich war jedoch noch zu jung und musste ein paar Jahre warten, bis ich dann endlich mit neun Jahren dazu stoßen konnte.

Was war für Dich als Neunjährige so verlockend?
Basteln, spielen, singen, toben! Und dann erst das aufregende Wegfahren von Zuhause: Einmal im Monat fuhren wir am Wochenende einfach raus aus der Stadt, sind durch die Natur gewandert und haben gezeltet. Und nicht zu vergessen: die große Fahrt im Sommer. Das erlebt eine Neunjährige doch nirgendwo sonst.

Dabei ist es nicht geblieben?
Natürlich nicht. In unserem Verband ist es so organisiert, dass man lernt, das Erlebte selbst weiter zu geben. So habe ich mit 14 Jahren begonnen, die Jugendleiterausbildung zu machen. Das ist im PBN ein Prozess über zwei Jahre mit unterschiedlichen – theoretischen und praktischen – Ausbildungselementen. Ich bin dann zunächst stellvertretende Gruppenleiterin geworden und schließlich Leiterin meiner eigenen Mädchengruppe. Diese habe ich fünf Jahre lang geleitet.

Kannst Du sagen, was Dir dieser Prozess selbst gebracht hat?
Die Arbeit hat mir enorm viel gebracht. Die Bindung zu den Mädchen meiner Gruppe aufzubauen, die Bindung unter ihnen zu steuern und gemeinsam was auf Fahrten und in den Gruppenstunden zu erleben, das war echt enorm. Die Gruppe bildete für viele der Mädchen eine Ersatzfamilie. Alles, was man sonst niemandem erzählt hat, z.B. Sorgen aus der Schule oder von Zuhause, konnte ausgetauscht werden. Es war einfach selbstverständlich, dass wir für einander da waren und einander zuhörten. Wir haben auch unangenehme Situationen erlebt, aber die haben wir dann auch gemeinsam überstanden.

Bedingt auch durch Dein arbeitsintensives Medizin-Studium hat sich Dein Engagement beim PBN nunmehr gewandelt?
Nicht dadurch allein. Beim PBN steigt man im Alter von ca. 21 Jahren sowieso aus der aktiven Gruppenarbeit aus und überlässt diese den Jüngeren. Ich bin jetzt als zweite Vorsitzende des PBN auf der Bundesebene aktiv. Dort sind wir ein relativ neues Team.



Ich habe eine Art Kredit bekommen ...


Benjamin Ehlers
Deutscher Pfadfinderbund Hamburg (DPBH)
20 Jahre | 2004 bis heute Jugendleiter einer Horte | 2005 bis heute Stammesführer des Stammes »Ambronen«
Student an der Universität Hamburg | Fachbereich Physik (1. Semester)

War es ein großer Einschnitt für Dich, als Du mit 16 Deine erste Gruppe aufgemacht hast?
Also ein großer Einschnitt war das eigentlich nicht. Ich bin über die Ausbildung zum Jugendleiter eine ganze Zeit vorher in die Aufgabe rein gewachsen. Ich hatte ja ein ganzes Jahr Vorbereitungszeit, so wusste ich, was auf mich zukommt. Zudem scheue ich die Verantwortung nicht. Und ich sehe das auch ein bisschen als meine Pflicht an. Denn die Pfadfinderarbeit erlebe ich als eine Art Kredit: Wenn man klein und neu dabei ist, dann bekommt man eigentlich etwas umsonst. Da sind Gruppenführer, die einem helfen und ganz viel Zeit opfern. Später hat man dann die Gelegenheit, das auch zurück zu geben – oder genauer gesagt: weiter zu geben. Meinen Jungs in der Gruppe kann ich jetzt zurückgeben, was ich selbst als junger Pfadfinder empfangen habe.

Was empfindest Du dabei als besonders prägend?
Das sind vor allem die Großfahrten, wenn wir als Gruppe im Ausland oder Inland für drei Wochen zusammen unterwegs sind. Das prägt enorm. Ich lerne die einzelnen Gruppenmitglieder viel intensiver kennen. Zumal manche Fassade, die einer bei den Gruppenstunden drauf hat, bei den längeren Fahrten, wo man im Team aufeinander angewiesen ist, zusammenbricht.

Was bringt Dir diese Arbeit?
Ich lerne mit anderen umzugehen und eine Gruppen zu führen. Denn das ist ja auch im späteren Berufsleben wichtig, eine Balance zwischen eigener Initiative, mit der man zeigt, wo es langgeht, und Teamarbeit zu finden. Vor allem muss dabei das Menschliche im Vordergrund stehen.

Du hast jetzt angefangen, an der Uni Physik zu studieren. Wie bekommst Du Studium und Pfadfinderarbeit unter einen Hut?
Das ist schon schwierig, zumal dadurch, dass ich nebenbei arbeiten muss. Die Zeit wird einfach knapper. Ich jobbe im gastronomischen Bereich manchmal bis in die Nacht hinein und muss am nächsten Morgen in der Vorlesung sein. Die Studiengebühren verschärfen diese Situation noch zusätzlich.



Es macht mir riesigen Spaß, Großveranstaltungen zu organisieren

Katharina Korf
Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG)
23 Jahre | seit 2005 Jugendleiterin im Stamm »Charles de Foucauld« in Hamm | Referentin des Arbeitskreises Großorganisation
Studentin an der Universität Hamburg | Fachbereich Biochemie/Molekularbiologie (9. Semester)

Wie bist du Pfadfinderin geworden?
Über einen Umweg: ich wollte eigentlich Messdienerin in unserer katholischen Kirche Herz Jesu in Hamm werden. Man sagte mir jedoch, dafür müsste ich zunächst Mitglied in einer Jugendgruppe werden. Aber statt in einer Messdienergruppe bin ich bei der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg gelandet, da das zeitlich besser passte. Es hat mir gleich bei den Pfadfindern sehr gut gefallen, so dass ich dort geblieben bin. Messdienerin bin ich aber auch noch geworden – aber nur für kurze Zeit. Das Pfadfinderleben ist einfach spannender.

Spannender? Wodurch?
Durch immer neue Herausforderungen. Bedingt durch das Studium schaffe ich es nicht, eine Pfadi-Gruppe wöchentlich zu leiten. Ich engagiere mich im Arbeitskreis Großorganisationen, in dem wir pro Jahr ein bis zwei größere Events planen und organisieren – wie z.B. das »nordish cross-over« zum Weltjugendtag der Katholischen Kirche in Hamburg. Das war ein riesiges Straßenfest. Geplant hatten wir mit ca. 10.000 Leuten, letztendlich kamen aber zwischen 4.000 und 5.000 junge Menschen aus aller Welt. Das haben wir komplett organisiert. Es macht mir riesigen Spaß, solche große Sachen zu organisieren. Und ich habe gelernt, worauf es dabei ankommt. Tausend große und kleine Dinge: von der Platzstruktur bis hin zur Wasserversorgung, von der Strom- bis zur Essensversorgung. Und das Wichtigste für mich: über diese Arbeit im Team und durch die Erfolgserlebnisse nach gelungenen Veranstaltungen habe ich Selbständigkeit und auch Selbstbewusstsein gewonnen. Man merkt ja, wenn man was geschafft hat.

Ist Dein Engagement in diesem Arbeitskreis auch ein Kontrastprogramm zum Studium?
Gewiss. Im Stamm studieren zwar auch einige, aber in dem Arbeitskreis saß ich lange Jahre als einzige Frau allein unter Handwerkern.
Jetzt ist eine weitere Frau dazugekommen. Diese Runde ist schon ein anderer Schlag als die Naturwissenschaftler, mit denen ich zusammen studiere. Das war schon eine besondere Herausforderung.



Schuhverkauf statt Ferienfreizeit

Vanja-Christin Meyer
Evangelische Jugend Hamburg (EJH)
24 Jahre | seit 2000 Leiterin einer Kinder- und Jugendgruppe in der Kirchengemeinde Schnelsen
Studentin an der Universität Hamburg | Fachbereich Rechtswissenschaft (6. Semester)

Wo bist Du aktuell in der Evangelischen Jugend Hamburg aktiv?
In der Kirchengemeinde Schnelsen. Da bin ich aufgewachsen. Ich engagiere mich als Gruppenleiterin. Jedes Jahr bieten wir für Jugendliche eine Sommerfreizeit an, z.B. nach Frankreich oder Kroatien. Außerdem mache ich sehr gerne mit bei den Konfirmanden-Wochenenden.

Was bringt Dir diese Arbeit?
Also erstmal habe ich natürlich eine ganze Menge Freunde dadurch gewonnen. Zudem stärkt das ehrenamtliche Engagement auch das eigene Selbstvertrauen. Ich habe gemerkt, dass ich weitreichende Verantwortung übernehmen kann. Es macht doch einen großen Unterschied, ob man sich etwa beim Babysitten eher kurzfristig um ein Kind kümmert, oder ob man eine Ferienfreizeit für 20 Kinder mit plant, organisiert und letztlich auch durchführt. Und es ist einfach auch ein gutes Gefühl mit Kindern und Jugendlichen zusammen zu agieren. Es ist keine Arbeit für mich, sondern Freizeit, die so wirkt, dass man mit einem Lächeln nach Hause gehen kann.

Hast Du aktuell auch eine Gruppe?
Ja, aber leider nur sporadisch, weil ich eine ganze Menge arbeiten muss und zudem der Uni-Stundenplan ziemlich voll ist.

Was jobbst du?
Ich arbeite als Schuhverkäuferin in der Europapassage. Das ist ein 400-Euro-Job, aber auf Aushilfsbasis, d.h. ich werde eben nur nach Bedarf eingesetzt und muss entsprechend zeitlich flexibel sein.

Ist das schwierig mit Deinem Engagement zu vereinbaren?
Ja. Ich kann sehr wenig im Vorwege planen, da ich beim Job immer wieder einspringen muss.
Im letzten Sommer gab es so einen typischen Konflikt. In meiner Gemeinde stand eine Ferienfreizeit in Italien an, bei der ich gerne als Gruppenleiterin mitgefahren wäre. Zumal ich einen großen Teil der Jugendlichen von klein auf kannte. Jedoch bekam ich beim Job nicht frei. Ich musste für die fest angestellten Mütter in den Schulferien einspringen. Diese Situation hat sich für mich durch die zusätzlich zu erarbeitenden Studiengebühren noch weiter verschlimmert. So wird es wohl auch in diesem Sommer nichts mit einer Ferienfahrt.



Die Luft ist sowieso ziemlich dünn ...

Ruth Pappenhagen
Sozialistische Jugend Deutschlands (SJD) – Die Falken
26 Jahre | Organisation von Sommerzeltlagern und Seminaren | 2005 bis 2007 Referentin für Mädchen- und Frauenpolitik im Bundesvorstand Studentin an der Universität Hamburg | Fachbereich Deutsche Sprache und Literatur (13. Semester)

Wann hast Du die JuLeiCa-Ausbildung gemacht?
Als ich 16 Jahre alt geworden bin. Seitdem habe ich die JuLeiCa viele Male erneuert. Die Jugendleiterausbildung hat mir seinerzeit einen Schub gegeben, aus der Perspektive der Teilnehmenden in einer Gruppe heraus zu kommen. Ich finde es ganz wichtig, dass man, bevor man selbst eine Gruppe mit Kindern leitet, darüber Grundlegendes – sowohl theoretisch als auch praktisch – lernt.

Wie verlief Dein weiterer Werdegang bei den Falken?
Nach meiner Zeit als Gruppenleiterin habe ich zunächst auf der Hamburger Ebene koordinierende Aufgaben übernommen. Das war die Organisation von Zeltlagern, Seminaren und Gruppenarbeiten. Dann folgte auf der Bundesebene der Falken mein Engagement als mädchen- und frauenpolitische Referentin. Dafür habe ich mich schnell begeistert – trotz des enormen Aufwands an Zeit und Reisen. Denn ich fand es spannend, einen Austausch unter Frauen über die Jugendverbandsarbeit zu haben und auch über die gesellschaftliche Situation von Frauen in Deutschland sowie international nachzudenken. Wir haben dazu auch internationale Seminare organisiert. Aber ebenso haben wir das Thema immer wieder in unseren großen Zeltlagern integriert. Meine Referentinnentätigkeit für den Bundesvorstand ist nunmehr zu Ende; ich mache aber noch in der mädchen- und frauenpolitischen Kommission weiter.

Was motiviert Dich dabei?
Ich denke, das sind zwei Momente: die Solidarität, die ich im Umgang mit anderen spüre, und dann sicherlich auch der Veränderungswille: sei es auf dem Zeltlager im Kleinen und Konkreten, dann im Verband; aber genauso geht es mir auch um gesellschaftliche Veränderungen.

Jobbst du neben dem Studium?
Ich bin bei einer Maklerfirma als studentische Aushilfe tätig. Das ist ein Bürojob.

Was sagst Du zur Einführung der Studiengebühren?
Das war ein Schlag ins Kontor und geht ans Eingemachte – zumal in der jetzigen Endphase meines Studiums, wo die Luft zwischen verbandlichem Engagement, dem Job und den Abschlussarbeiten sowieso ziemlich dünn ist.



Dilemma im Sommer

Torsten Reuschel
Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP)
20 Jahre | seit 2004 Leiter einer Sippe im Stamm »Bapu« in Volksdorf | Kassenwart, Thinggraf und Medienwart
Student an der Technischen Universität Hamburg-Harburg | Fachbereich Allgemeine Ingenieurwissenschaften (1. Semester)

Wie bist Du zum VCP gelangt?
Das ergab sich auf einem Flohmarkt.

Wie bitte?
Ja, der Stamm »Bapu« hatte dort einen Info-Stand. Ich habe einfach mal nachgefragt, wo und wann die Treffen wären – sowie ob ich da mal vorbei kommen könnte. Ich hatte Glück. Dieser VCP-Stamm führte damals keine Warteliste für meinen Jahrgang, und so konnte ich spontan reinschauen. Das war dann eine Gruppenstunde direkt vor den Sommerferien. Sie trafen gerade die letzten Vorbereitungen für die Sommerfahrt nach Schweden. Ich wäre am liebsten gleich mitgefahren. Das fanden meine Eltern jedoch zu spontan für einen Zwölfjährigen. Erst nach den Sommerferien konnte ich dann zu einem Wettkampftreffen des VCP mitfahren. Und weil es riesig Spaß machte, bin ich dabeigeblieben.

Das war vor acht Jahren. Inzwischen hast Du die Jugendleiterausbildung gemacht und leitest eine eigene Gruppe. Was hat es Dir gebracht?
Ich habe einen Raum gewonnen, wo ich mich selbst und zusammen mit anderen ausprobieren kann. Auf den Gruppenabenden haben wir uns mit verschiedenen Themen – von handwerklichen Dingen bis zu Glaubensfragen – auseinandergesetzt. Wir probierten einfach Sachen gemeinsam aus; es klappt, oder es klappt nicht – das ist halt so. Aber das ist Freiheit – zumal im Vergleich zur Schule, wo am Ende immer eine Bewertung droht. Dieses freie Experimentieren und gemeinsame Lernen hat mir wiederum in der Schule geholfen – z.B. bei Referaten. Auch bin ich souveräner im Umgang mit anderen geworden.

Was hat sich durch das begonnene Studium für Dich verändert – gerade in zeitlicher Hinsicht?
Bislang habe ich Studium und das Engagement im Verband recht gut unter einen Hut bekommen. Aber an einigen Punkten merke ich schon, dass da ein Konflikt entsteht: ich würde manchmal ein bisschen mehr machen wollen, sei es für die Uni oder für den Stamm. Ein echtes Dilemma aber gibt es in der Sommerzeit, wo wir mit dem Stamm traditionell auf große Fahrt gehen. Das droht zu platzen. Denn in den ingenieurwissenschaftlichen Fächern ist es so, dass die Prüfungen in der vorlesungsfreien Zeit geschrieben werden. Die Termine dafür jedoch recht spät bekannt gegeben werden. Daher kann ich mit meinem Stamm keine Pläne für den Sommer machen. Das ist sehr schade. Aber vielleicht werden wir kurzfristig was gemeinsam unternehmen.



Das Leben umgekrempelt

Julia Sammoray
Landesjugendwerk der Arbeiterwohlfahrt (AWO)
29 Jahre | 2006 bis heute stellv. Landesvorsitzende und Kassenführerin | Durchführung von Jugendleiterausbildungen
Studentin an der Universität Hamburg | Fachbereich Erziehungswissenschaft (5. Semester)

Kann man sagen, Du bist eine Späteinsteigerin?
Na, es war noch früh genug. Ich bin mit 26 Jahren eingestiegen. Bei der »Aktivoli«-Messe 2005 bin ich auf den Stand des Landesjugendwerkes gestoßen, die ihre Ferienprojekte vorstellten und dafür Leute suchten. Das passte! Denn ich wollte mich immer mal als Betreuerin für Kinder und Jugendliche auf einer Ferienfreizeit engagieren. So bin ich direkt in das Team zur Vorbereitung reingerutscht.

War das für Dich die Initialzündung?
Genau. Ich habe damals mein Leben ein bisschen umgekrempelt. Ich bin eigentlich studierte Dipl. Kauffrau und habe auf einer Vollzeitstelle in einem Unternehmen für Medizinprodukte gearbeitet.
Innerlich habe ich jedoch gespürt, dass ich irgend etwas anderes machen möchte. So habe ich gesucht und gedacht, ich probiere mal aus, wie wirke ich auf Kinder und Jugendliche und ob mir dieses Engagement selbst Spaß macht. So wurde die Ferienfahrt mit dem Landesjugendwerk der AWO für mich selbst zum Testlauf, was mein Herz bewegt. Und es war ein voller Erfolg!

... mit welchen Konsequenzen?
Zum einen bin ich beim Jugendwerk richtig eingestiegen – sicherlich auch weil mir die Leute ganz viel Freude gebracht haben.
Ich habe dort sofort Anschluss gefunden und mich in die Arbeit gestürzt. Im folgenden Jahr half ich bereits bei der Jugendleiterausbildung und bin dann im Juni 2006 zur 2. Vorsitzenden gewählt worden.
Und andererseits habe ich mein Berufsleben richtig umgekrempelt. Nach dem positiven Erlebnis auf der Ferienfahrt habe ich mich an Uni beworben und studiere nun Erziehungswissenschaften auf Lehramt.

Gibt es weitere Wechselwirkungen? Profitierst Du von Deinem Engagement auch im Studium?
Ich profitiere zunächst von der Praxisnähe. Pädagogik zu studieren und praktische Erfahrungen mit Kindern im Jugendverband sammeln zu können, ist absolut fruchtbar. Aber auch die Team- und Seminararbeit im Landesjugendwerk hilft mir sehr. Das habe ich bei meinem ersten Schulpraktikum im letzten Jahr festgestellt: ich hatte keine Probleme, mich vor eine Klasse zu stellen und dort eine Form der Ansprache gegenüber den Jugendlichen zu finden.

Aber ist es allein dieser Nutzen, der Dein Engagement im Jugendverband begründet?
Überhaupt nicht. Ich habe gerade gestern mal wieder in unserem pädagogischen Konzept nachgeblättert und fand einen tollen Spruch, der treffend meine Motivation und meinen Weg beschreibt: »Willst du, dass sich die Welt bewegt, beweg dich!« Das ist mein innerer Motor.



Mir ist meine eigene Rolle bewusster geworden

Christoph Schwalbe
Evangelisch-methodistische Jugend (EMJ)
24 Jahre | 2005 bis heute Vorsitzender | Leiter von Kinder- und Jugendfreizeiten | Bandmitglied der Gruppe »Lautstark«
Student an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg | Fachbereich Sozialpädagogik (8. Semester) | Diplomprüfung im nächsten Semester

Was machst Du bei der EMJ?
Ich bin zum einen Vorsitzender des Jugendverbandes und engagiere mich andererseits bei der Planung und Durchführung der Freizeiten für Jugendliche. Zudem arbeite ich noch in unserer Kirchengemeinde mit.

Du bist sicher nicht gleich als Vorsitzender eingestiegen. Welchen Weg hast Du in der EMJ genommen?
Ich bin von klein auf in die Methodistische Kirche in meinem Heimatort Schwäbisch Gmünd hineingewachsen. Mit zehn Jahren habe ich in der Jungschar teilgenommen und mit 13 Jahren bereits in dieser sowie später in einem Teeniekreis mitgearbeitet. Darüber lernte ich die Strukturen des Verbandes schon etwas näher kennen. Später habe ich die Jugendaktionstage im Raum Stuttgart mitorganisiert.
Ein Riesensprung in die aktive Teilhabe bildete aber auch mein Zivildienst, den ich im Jugendwerk Nord unserer Kirche geleistet habe. Am Ende dieser Zeit stand ich vor der Entscheidung, zum Studieren wieder nach Süddeutschland zurückzukehren – oder das Studium hier in Hamburg aufzunehmen, um zugleich mein Engagement in der EMJ ehrenamtlich fortzusetzen. Ich habe mich für den „Hamburger Weg“ entschieden. Zeitgleich schied der damalige Vorsitzende aus. Ich wurde gefragt, ob ich mir diese vakant gewordene Funktion vorstellen könnte, und habe zugestimmt. So bin ich also – jung an Jahren – zum Vorsitzenden der EMJ gewählt worden.

Was steht da auf Deiner wöchentlichen Agenda?
Zum Glück momentan nicht so viel, da ich im Studium gerade mitten in den Klausuren stecke. Aber ich schaue in der Regel wöchentlich einmal ins Jugendwerk, um mich mit unserer Bildungsreferentin darüber auszutauschen, was gerade ansteht und was wir als nächstes planen müssen. Auch springe ich immer mal wieder bei Freizeiten ein, wenn Mitarbeitermangel besteht oder etwas anderes zu übernehmen ist.

Du studierst Sozialpädagogik – eine Ergänzung oder ein Kontrastprogramm zu Deinem Engagement?
Ich erlebe das als eine gute Ergänzung. Denn ich merke, dass ich viel Theorie in der Praxis übernehmen kann. Das Studium hilft mir sehr, meine eigene Arbeit im Jugendverband besser zu reflektieren. So kann ich beispielsweise auf Kinderfreizeiten viel leichter einschätzen, wie die Kinder reagieren, wenn ich dies oder das tue. Mir ist meine eigene Rolle innerhalb der Jugendarbeit bewusster geworden.



Ich möchte es anderen leichter machen

Edip Yalman
Komciwan – Jugend- und Kulturverein aus Kurdistan
29 Jahre | seit 2005 Jugendleiter und im Vorstand | Sozialberatung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Student an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg | Fachbereich Medientechnik (4. Semester)

Komciwan kennt nicht jeder. Was macht Ihr?
Komciwan ist ein Jugend- und Kulturverein aus Kurdistan. Natürlich sind hauptsächlich kurdische Jugendliche bei uns aktiv – aber auch viele andere ohne diesen kulturellen Hintergrund. Die Auseinandersetzung mit der kurdischen Geschichte, Sprache und Kultur ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Wir machen dies aber nicht im Sinne eines rückwärts gewandten »Heimatvereins«. Schließlich leben wir hier. Unser Ansatz ist es daher, das Leben in zwei Kulturen zu vermitteln. Nur wer seine eigene Geschichte kennt und reflektiert, kann sich für das Leben hier öffnen. Dann kann man sich gut in eine andere Kultur integrieren und mit anderen Menschen besser klarkommen.
Wir bringen unseren Jugendlichen daher auch bei, wie Gesellschaft in Deutschland – Demokratie und Kultur – funktioniert.

Das ist auch ein Teil Deines Engagements bei Komciwan?
Richtig. Wir organisieren Kulturfeste, Seminare oder auch kleinere gemeinsame Abende, bei denen Jugendliche Musik spielen oder Gedichte vortragen. Ein großer Teil meiner Arbeit liegt aber auch bei den tausend ganz alltäglichen Sorgen, mit denen die Jugendlichen zu mir kommen. Sie haben Probleme mit der Schule oder im Elternhaus. Oder sie haben Fragen beim Ausfüllen eines Antrags. Da ich täglich bei Komciwan bin, können Jugendliche mit solchen Sorgen zu mir kommen. Ich helfe dann zunächst beratend bei diesen individuellen Fragen, fülle gemeinsam mit den Jugendlichen Anträge aus oder helfe bei der Formulierung von Bewerbungsschreiben. Es kommt aber auch vor, dass ich bei größeren Konflikten einzelne Jugendliche in die Schule begleite oder bei Elternabenden vorbeischaue. Und oft ist nötig, sie ebenfalls bei Behördengängen zu unterstützen.

Wie schaffst Du das alles neben Deinem Studium?
Morgens sehr früh aufstehen, dann gehe ich in die Vorlesung bis zum Nachmittag und danach verbringe ich einen großen Teil der restlichen Zeit im Verein. Jedoch weiß ich nicht, wie es weitergehen soll, wenn ich in den kommenden Semestern die Studiengebühren blechen muss.

Was bringt Dir selbst das Engagement bei Komciwan?
Es macht mir Freude, Jugendlichen eine Hilfe auf ihrem Lebensweg zu sein. Das ist eine große Befriedigung. Vielleicht liegt es daran, dass ich es selbst im Leben schwer hatte und ich es anderen nun leichter machen will.