Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 2-2008, Rubrik Titelthema

Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf ihre Rechte

»Kinder werden nicht erst Menschen, sie sind bereits welche.« (Janusz Korczak)

Von Rosa Bracker, Sozialistische Jugend Deutschlands (SJD) – Die Falken

Seit vielen Jahrzehnten setzt sich die SJD – Die Falken für die Rechte von Kindern und Jugendlichen ein, macht sie bekannt und lebt sie im Rahmen der eigenen Arbeit, d.h. in den Gruppen, auf Seminaren und Zeltlagern. So zuletzt auf dem diesjährigen Pfingst Camp in Hürth bei Köln. Über 1.000 Expertinnen und Experten aus dem gesamten Bundesgebiet kamen zusammen, um die aktuelle Lage der Kinderrechte zu diskutieren.

Expertinnen und Experten in eigener Angelegenheit
Erklärtes Ziel war es – mit Blick auf den für April 2009 anstehenden Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention in Deutschland, am Ende des Treffens einen umfangreichen eigenständigen Beitrag zum so genannten Schattenbericht zu erstellen. Das KinderrechteCamp war Mittel und Zweck zugleich. In über 70 Workshops wurden drei Tage lang Meinungen ausgetauscht, Kritik formuliert und Forderungen erarbeitet. Da Kinder und Jugendliche Experten/innen in ihren eigenen Angelegenheiten sind, beinhaltete die Konzeption des Kinderrechte Camps nicht nur die Vorstellung der UN-Kinderrechtskonvention. Auf dem Camp wurden auch »kinderrechtsgemäß« gearbeitet: Kinder und Jugendliche informierten sich selbst über ihre Rechte, bezogen Stellung und drückten diese auf kreative Weise aus. Herausgekommen ist eine Zukunftswerkstatt der anderen Art: gleichberechtigt und hierarchiefrei, kreativ, utopisch und fantasievoll, visionär, spielerisch, handlungsperspektivisch und mutmachend.

In den fünf Lebensbereichen Schule, Freizeit, Familie, Umwelt und Politik ging es nach einem gemeinsamen Auftakt am Samstagmorgen in die sogenannte Kritikphase. Beim Thema Umwelt wurden z.B. anhand der Fragen »Was stinkt mir? Was macht mich krank? « Bereiche identifiziert, in denen die Kinderrechte aus der Perspektive der Experten/innen noch nicht genügend umgesetzt sind, bzw. unzureichend formuliert und interpretiert werden.
Am Nachmittag ging es darum, Utopien zu formulieren. Hierbei zeigte sich, dass es gar nicht so einfach ist, sich von den bestehenden Verhältnissen frei zu machen und eine ideale Welt zu spinnen: Sollen die Armen weniger arm sein? Oder soll einfach niemand mehr arm sein müssen? Der Sonntag war ganz der Kreativität und Produktion vorbehalten. In unterschiedlichen Formen wurden sowohl die Kritikpunkte als auch die (utopischen) Ideen dargestellt: von Theater über Trickboxfilme, Buttons, Lieder, Puppentheater, Transparenten, Tonfigur-Ausstellungen, Mini-Fernseher, Radiobeiträge bis zu Ölbildern, einem Musical oder auch einer Aufkleberserie und Ausstellungsleinwänden. Am Abend wurden diese Beiträge in einem vielfältigen Bühnenprogramm sowie einer umfangreichen Ausstellung präsentiert und – auf einer DVD dokumentiert – in einen großen Umschlag gepackt, um sie an Prof. Lothar Krappmann (Mitglied im UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes) zu schicken.

Kinderkram?!
Während des Camps zeigten sich auch Aspekte, die in der Diskussion um die Kinderrechte häufig übersehen werden. Zum einen, dass Kinder und Jugendliche zu allen Politik- und Lebensbereichen eine Position haben. Zum anderen tauchte die Frage auf, ob man die Forderungen der Kinder Eins-zu-Eins übernehmen sollte oder ob es einer anderen, politikkonformen Sprache bedarf. Das KinderrechteCamp zeigte jedoch, dass es ein Gewinn ist, die Wünsche und Forderungen der Kinder in ihren Ausdrucksformen zu belassen. Genau hiermit muss Politik sich beschäftigen, wenn sie mit Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ernst machen will. Dabei sind auch auf den ersten Blick kuriose Forderungen nicht als »kindlich« abzutun: z.B. »Schuhe-in-die-kein-Sand-kommt« werden für Raumfahrt und Technik entwickelt – für Kinder jedoch nicht!

Formales ist auch wichtig
Kinderrechte sind mehr als Kinderschutz. Und sie können nicht alleine stehen. Die rechtliche Umsetzung allein reicht nicht aus. Beispielsweise wird das Recht auf angemessene Lebensbedingungen, nach Einschätzung der SJD – Die Falken, von neuen und alten Befunden zur Kinderarmut unterlaufen.
Das KinderrechteCamp hat gezeigt, dass sich auch Mitbestimmung »in allen das Kind berührenden Angelegenheiten« (Art. 12 KRK) nicht auf eine Partizipation von Kindergärten bei der Umgestaltung eines Spielplatzes reduzieren lassen. Kinder und Jugendliche sind ihrem Selbstverständnis nach – wie übrigens auch die Erwachsenen – von viele Entscheidungen betroffen: von der Frage nach Erhaltung der Artenvielfalt über die globale Verteilung von Armut und Reichtum wie von der Frage des Schulsystems oder bei technischen Innovationen.

Starke Kinder brauchen starke Rechte. Die vollständige Umsetzung bereits ratifizierter Rechte wäre bereits ein großer Schritt nach vorne. Wer Interesse hat zu erfahren, in welchen Bereichen noch Verbesserungs- und Veränderungswünsche bestehen, wende sich einfach an die Kinder und Jugendlichen auf der Straße, in der Schule oder in den Jugendverbänden.