Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2009, Rubrik Kommentar

Politische Kommunikationswege

Wir müssen mal miteinander reden. Die meisten von uns verbinden die Phrase mit gescheiterten Beziehungen und anderen unangenehmen Erfahrungen. Häufig ist die Kommunikation zu diesem Zeitpunkt schon lange gestört.

Doch was in der Privatsphäre gilt, hat leider auch im öffentlichen Bereich eine erschreckende Gültigkeit. Die Bundestagswahl 2009 endete mit einem historischen Hoch an Nichtwählern. Mangelnde Werbung von Parteien oder Dritten war dabei nicht die Ursache. Die Ursachenforschung ist daher schwierig und nicht mit einfachen Parolen zu lösen.

Die fehlende Beteiligung des Wählers ist schließlich keine Randerscheinung, sondern setzt nur einen traurigen Trend fort. Insgesamt haben große Teile der Bevölkerung schon lange das Vertrauen in die politischen Parteien verloren. Der Liebesentzug erfolgt über den fehlenden Stimmzettel. Wer hofft und kämpft, sucht andere Wege.

So zogen beispielsweise kurz vor Weihnachten 2009 etwa 3.000 Demonstranten unter dem Motto »Recht auf Stadt« durch Hamburg. Wie viele Menschen auf diesem Wege erreicht wurden, ist unklar. Vermutlich nahmen mehr Menschen das damit verbundene Verkehrschaos wahr. Gleichwohl zeigte die Demonstration eins an: Hier sind Menschen, die mit den politischen Akteuren der Stadt reden wollen. Sie streben nach Beteiligung und Einfluss bei der städtischen Entwicklungsplanung.

Dank Artikel 50 der Hamburger Verfassung gibt es auch die Möglichkeit, mittels Volksabstimmungen Einfluss zu nehmen. Wasser, Gesundheit oder eben Bildung waren dabei nur einige Themen der vergangenen Jahre.
Das letzte Volksbegehren endete erst vor wenigen Wochen. Es reihte sich in die fast schon traditionelle Kette zum Thema Bildung ein. »Bildung ist keine Ware«, »Eine Schule« oder auch »Wir wollen lernen« erhitzen die Gemüter und beeinflussten zum Teil die politischen Entscheidungen. Überhaupt wird diese Form der Demokratie immer wieder als vorbildliche Beispiele bürgerlicher Beteiligung genannt. Vom Aufwand dahinter, der notwendigen Infrastruktur und den damit verbundenen Kosten ist eher selten etwas zu hören. Und auch hier gilt: Die Volksbegehren sind politische Kommunikationsbegehren. Die Bürger der Stadt Hamburg haben offenkundig der Politik etwas zu sagen, was über die Kanäle der Parteien und der Wahlen nur unzureichend kommunizierbar ist.

Jüngst hat nun eine Senatsentscheidung für Furore gesorgt, die auch für das Kommunikationsgeflecht von Politik und Bürgerbegehren bemerkenswert ist: Die Stadt Hamburg erwirbt das vom Abriss bedrohte, historische Gängeviertel, das eine Künstlerinitiative besetzt hielt, vom niederländischen Investor zurück. Der Bürgerprotest hat gesiegt. Der Senat verbindet den Rückkauf zudem mit dem Versprechen, das Nutzungskonzept für die Dutzend Häuser gemeinsam mit den Künstlern entwickeln zu wollen.

Das Bemerkenswerte an diesem Umdenken ist nur vordergründig, dass der Senat dem Anliegen der Künstler und dem Protest gegen die Auslöschung der letzten denkmalwürdigen Reste der historischen Innenstadt statt gegeben hat. Ein vereinzeltes Einlenken auf aktiven politischen Widerstand gegen Projekte der Stadtentwicklung – man denke z.B. an die Auseinandersetzungen um die Hafenstraße in den 80er Jahren – hat es schon mehrfach gegeben. Das Besondere an der jüngsten Entscheidung ist vielmehr der neue Tenor, mit dem Senat und Bezirksamtsleiter unisono in ihren politischen Erklärungen zum Umdenken aufwarten. Er lautet: Wir wollen das so – und zwar auch in Zukunft! So bekundet auch Oberbaudirektor Jörn Walter gegenüber dem Abendblatt, dass die Diskussionen im Fall des Gängeviertels dazu beigetragen hätten, »neue Chancen in der Stadtentwicklung« aufzuzeigen.

Diese »neuen Chancen« können nur in einer erweiterten Partizipation der Bürger Hamburgs an der Entwicklungsplanung ihrer Stadt liegen. Nimmt der Senat sein Votum ernst, dann müssen seine Behörden die Stadt zukünftig gemeinsam mit den Bürgern und gerade auch mit jungen Menschen entwickeln und nicht über deren Köpfe hinweg. Die eingangs erwähnte Phrase – »Wir müssen mal miteinander reden« – könnte so auf eine neue Beteiligungskultur verweisen. Der Landesjugendring leistet mit dieser punktum-Ausgabe seinen Beitrag dazu. Im Titelthema gehen wir der Frage nach, wie die Partizipation junger Menschen an der bezirklichen Stadtentwicklung über eine bloß »bürgerschaftliche Kosmetik« hinausgehen kann.

Gregor Best, LJR-Vorsitzender