Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 1-2020, Rubrik Titelthema

Stichwort: Beteiligung

Wie wollen Sie die Beteiligung von jungen Menschen in Hamburg stärken und ausbauen?

SPD: Wir wollen die Beteiligung von jungen Menschen in Hamburg mit einem Jugendmitwirkungsgesetz stärken.
Die Beteiligung an und in unserer Stadtgesellschaft muss generationen-übergreifend vorangebracht werden – gerade in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels. Deshalb wollen wir nach dem Vorbild des Seniorenmitwirkungsgesetzes ein ebenso vorbildliches Jugendmitwirkungsgesetz verabschieden, um die junge Generation noch verbindlicher an der Gestaltung der Zukunft der Stadt zu beteiligen.
Als Basis hierfür braucht eine stabile Demokratie gute politische Bildung. Die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit – wie die wachsende gesellschaftliche Polarisierung, Radikalismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit – erfordern, dass wir besondere Anstrengungen unternehmen. Wir werden deshalb die Institutionen der politischen Bildung stärken.
 
Bündnis 90 / Die Grünen:
Zu den Kinderrechten gehört auch das Recht auf freie Meinungsäußerung und Beteiligung an Entscheidungen. In den Hamburger Bezirken gibt es unterschiedliche Wege, die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen zu organisieren, von denen auch oft Gebrauch gemacht wird. Wir GRÜNEN wollen mehr als Beteiligung, wir wollen das Recht auf Mitbestimmung. Deshalb fordern wir, bei den Bezirks- und Bürgerschaftswahlen das Wahlalter auf 14 Jahre abzusenken. Mit 14 ist ein Mensch strafmündig und der Gesetzgeber traut ihm zu, die Folgen seiner Handlungen so weit zu überblicken, dass er für diese Handlungen die strafrechtliche Verantwortung übernehmen muss. Mit 14 erlangt man in Deutschland auch die Religionsmündigkeit und darf entscheiden, ob und wenn ja, welcher Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft man angehören möchte. Wer diese Verantwortung tragen und so weitreichende Entscheidungen treffen kann, sollte auch endlich eine eigene Wahlentscheidung treffen dürfen. Über die oben er wähnte »Bildung für Nachhaltige Entwicklung« [siehe Stichwort: Politik für junge Menschen – d. Red.] werden wir junge Menschen in alle Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse einbeziehen. Dies wollen wir z. B. durch ein neues Landesgremium wie das YouPan sicherstellen. Der Masterplan BNE soll zeitig umgesetzt sowie durch regelmäßige Evaluierung auf die Implementierung im gesamten Bildungssystems Hamburgs überprüft und gegebenenfalls erweitert werden. Kita-Kinder, Schüler*innen, Auszubildende und Studierende von heute sind die Gestalter*innen einer lebendigen Demokratie von morgen.
Wir wollen auch Kinder und Jugendliche viel mehr an der Entwicklung unserer Stadt beteiligen. Dafür müssen wir von unserer bisherigen Politik- und Verwaltungspraxis abweichen und neue Wege gehen: Z. B. können wir ein Barcamp dazu veranstalten, was Jugendliche sich für die Innenstadt wünschen, oder mit attraktiven digitalen Angeboten mehr darüber erfahren, welche Ideen und Wünsche Kinder und Jugendliche für ihr Quartier haben.
Darüber hinaus möchten wir die demokratische Bildung und das demokratische Lernen an den Schulen stärken. Denn dies dient nicht nur einer formalen Vorbereitung auf die Wahlmündigkeit, sondern stärkt auch die aktive Teilhabe aller Bürger*innen an gesellschaftlichen Prozessen und damit die lebendige, demokratische Gesellschaft. In unseren Zielen orientieren wir uns an den Merkmalen demokratiepädagogischer Schulen. In allen Bildungsinstitutionen sollen die Möglichkeiten der Teilhabe von Lernenden und Eltern gestärkt und gefördert werden. Nur wenn Demokratie hier gelebt wird, hat demokratisches Lernen Erfolg. Dafür wollen wir entsprechende Strukturen schaffen, in denen Kinder und Jugendliche mit eigener Kompetenz und einem selbst verwalteten Budget selbst Entscheidungen treffen können. Auch eine individuellere Entscheidungsfreiheit der Schüler*innen über ihre Lernformen und -inhalte gehört für uns dazu.

CDU: Wir als CDU wollen insgesamt den Austausch über erfolgreiche Kinder- und Jugendbeteiligung zwischen den Bezirken fördern. Darüber hinaus wollen wir prüfen, welche formalisierten und verbindlichen Partizipationsformen etabliert werden können, die den Beteiligungs- und Mitbestimmungsbedürfnissen der Kinder und Jugendlichen in Hamburg gerecht werden.
Auch werden wir innovative Formen der Beteiligung von Kindern an der Gestaltung von Bolz- und Spielplätzen etablieren, um wieder mehr Orte zum Spielen, Toben und Bewegen zu schaffen. Im Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Koalition im Bezirk Eimsbüttel wurde dies bereits so vereinbart.

DIE LINKE: Eine Neuausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe ist überfällig. Die bisher unternommenen Anstrengungen führen nicht selten an Bedarfen und Zielen auf Hilfe Angewiesenen vorbei. Dies ist nach Ansicht der Linken ein wesentliches Ergebnis der Enquetekommission »Kinderschutz und Kinderrechte weiter stärken«, die 2016 eingesetzt wurde. Zwei Jahre lang wurde die Hamburger Jugendhilfe auf dem Prüfstand gestellt. Im Abschlussbericht der Kommission wurden 70 Empfehlungen für eine Reform ausgesprochen. Das war ein großer Erfolg für die Partei DIE LINKE, die jahrelang diese Kommission gefordert hatte und letztlich durchsetzte. Auf das Jugendhilfesystem Pflaster aufzusetzen, wird nicht reichen. DIE LINKE will weniger Kontroll- und Dokumentationspflichten in der Jugendhilfe. Wir wollen stattdessen die Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte von Kindern, Jugendlichen und Eltern stärken, uns für wirkungsvolle Maßnahmen zur Armutsbekämpfung stark machen und die Beziehungs- und Bindungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen in den Vordergrund des pädagogischen und jugendamtlichen Handelns stellen. Dazu bedarf es weiter außerparlamentarischen Druck durch die Beteiligung von Kindern, Jugendlichen und Eltern.
Kinder- und Jugendrechte sind Rechte auf Beteiligung und Teilhabe: Wir werden uns in der kommenden Wahlperiode für ein Kinder- und Jugendbeteiligungsgesetz einsetzen, das Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern eine weitgehende Mitwirkung an der Jugendhilfeplanung gewährt. Sie sollen in ihren Quartieren gemeinsam mit den Einrichtungen, Vereinen und Institutionen über die Angebote entscheiden können. Dafür sollen auskömmlich ausgestattete, steuerlich finanzierte Budgets in rechenschaftspflichtiger Selbstverwaltung zur Verfügung gestellt werden. Hier gilt es unter anderem auch die Jugendverbandsarbeit und selbstorganisierte Jugendgruppen zu stärken.
Im Rahmen der Familienhilfeplanung, der Hilfen zur Erziehung, bei der Durchführung von Kriseninterventionen und bei Verfahren in den Familiengerichten müssen Kinder und Jugendliche konsequent und verbindlich beteiligt werden. Das ist selbst im Rahmen der bereits gegebenen gesetzlichen Regelungen umsetzbar. Es müssen größere Anstrengungen unternommen werden, um alle beruflich daran beteiligten Akteure besser aus- und weiterzubilden.
Zu den Ergebnissen der Enquete-Kommission gehört auch, das unübersichtliche Regelungs- und Richtliniengewirr in den Jugendämtern abzubauen und den Fachkräften im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) größere Handlungsspielräume zu geben, um das Kindeswohl zu sichern! Das Qualitätsmanagement nach DIN ISO 9001, die Jugendhilfeinspektion und der hohe Verwaltungsaufwand in der Fallarbeit, verursacht durch die untaugliche Software JUS-IT, gehören auf den Prüfstand. JUS-IT muss durch ein einfacheres fachliches Verfahren ersetzt werden. Fachkräfte brauchen mehr Zeit, um auf bedrohliche Situationen in Familien und auf ihre Bedürfnisse und Erwartungen einzugehen.
Wir fordern den Ausbau von quartierspezifischen Kollegien, in denen neben Fachkräften des ASD auch Kolleg*innen aus anderen sozialpädagogischen Einrichtungen und aus Schulen im Viertel/Stadtteil sich interdisziplinär, professionell und auf gleicher Augenhöhe über Handlungsschritte in Konfliktsituationen und bei Kindeswohlgefährdungen verständigen können. Hier gingen kollegiale Zusammenarbeit und Beratung Hand in Hand.
Wir brauchen in Hamburg mehr Krisenwohnungen und die Stärkung der Koordinationsstelle individuelle Unterbringungen. In mehr als 100 Fällen hat diese Stelle Alternativen entwickelt und ihnen und ihren Familien andere Perspektiven geboten. Geschlossene Unterbringung wurde so in vielen Fällen vermieden.
Bisher gibt es nur in Hamburg-Mitte eine Ombudsstelle. Wir setzen uns für unabhängige Ombudsstellen in allen Bezirken ein, die mit qualifiziertem Personal versehen werden müssen. Sie sollen den Familien als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, die Probleme haben im Umgang mit den Sozialen Diensten, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder mit einem gesetzlichen Vormund. Die Ombudsstellen sollen junge Menschen, Familien und Jugendliche bei der Verfolgung ihrer Leistungsansprüche und Beteiligungsrechte unterstützen.
 
FDP: Kinder und Jugendliche sind Experten für ihre eigenen Interessen und Lebenslagen. Wir möchten eine bessere und regelhafte Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in den Bezirken bei allen Fragestellungen, die ihr Leben direkt betrifft. Dies stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und wirkt Politikverdrossenheit aktiv entgegen.
Auch deshalb haben sich die Freien Demokraten für eine Stärkung der Kinder- und Jugendpartizipation eingesetzt und mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes (BezVG) auch einen Gesetzesvorschlag vorgelegt. Ziel war es, die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an politischen Entscheidungen flächendeckend zu fördern und einen einheitlichen Mindeststandard bei der Umsetzung des §33 BezVG zu erreichen.
Dieser Paragraph regelt, dass ein Bezirksamt bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen muss.