Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 1-2018, Rubrik Kommentar

Mehr Geld für die Jugendverbandsarbeit – ein Erfolg?

Von Daniel Knoblich, LJR-Vorsitzender

Das ist zunächst mal eine gute Nachricht aus der Hamburgischen Bürgerschaft: Der von den Regierungsfraktionen eingebrachte Antrag »Jugendverbandsarbeit stärken – Förderung der Jugendverbände und Gruppen im Landesförderplan erhöhen« (Drucksache 21/11851) wurde am 14. Februar 2018 angenommen. Und zwar einstimmig. Wir freuen uns über eine so große und parteiübergreifende Anerkennung der Jugendverbandsarbeit. Im Ergebnis erhöht der Bürgerschaftsbeschluss den Gesamtetat für die Jugendverbandsarbeit um 200.000 Euro pro Jahr. Doch die Sache hat einen Haken.

Subsidiarität. Die Erhöhung der Gelder für die Jugendverbandsarbeit wurde nicht an speziell zu leistende Aufgaben geknüpft. Vielmehr begründet der Beschluss den Mehrbedarf durch die gewachsene Zahl der »anerkannten Jugendverbände«, die »zunehmende Zahl von Kindern und Jugendlichen« und gleichzeitig durch einen »inhaltlichen Aufgabenzuwachs, wie zum Beispiel der Integration einkommensschwacher Kinder. Die Anträge der Jugendverbände sind daher mittlerweile regelhaft höher als der zur Verfügung stehende Haushaltsansatz.«¹ Damit bekräftigt der Bürgerschaftsbeschluss den für die Jugendverbandsarbeit wesentlichen Grundgedanken der Subsidiarität. Denn die Förderung der Jugendverbände ist durch seine Verankerung in den §§ 12 und 74 im Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) eine Pflichtaufgabe der öffentlichen Hand. Die Jugendverbände haben somit einen Rechtsanspruch auf Förderung. Dies unterstreicht ein in der Sache maßgebliches Rechtsgutachten: »Die in §12 SGB VIII verankerte Förderungsverpflichtung knüpft inhaltlich nicht an die Förderung einzelner Projekte, sondern an die Existenz der Jugendverbände und Jugendgruppen an. … Die Art und Höhe der Förderung eines Trägers der freien Jugendhilfe [ist] von einer Ermessensentscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe abhängig. … Die Träger der freien Jugendhilfe haben einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die Ermessensentscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe muss anhand sachgerechter Kriterien erfolgen und einen sinnvollen Einsatz der verfügbaren Haushaltsmittel erkennen lassen.«²

Bewertung. Ehrlicherweise fällt uns die Einordnung des aktuellen Bürgerschaftsbeschlusses selber nicht leicht. Einerseits deuten wir den Bürgerschaftsbeschluss so, dass unser andauernder überparteilicher Dialog dazu geführt hat, dass die Hamburgische Politik sich wieder vermehrt mit Jugendverbandsarbeit beschäftigt und seine Wichtigkeit anerkannt hat. Was für uns ein wirklich ein gutes Zeichen ist und worüber wir dankbar sind.
Andererseits haben wir verstanden, was »pay as you go«, die Leitlinie des Senats, bedeutet. Damit wir – die Jugendverbände – 200.000 Euro p.a. mehr bekommen können, müssen diese Mittel anderswo eingespart werden. Der Bürgerschaftsbeschluss gibt keine zusätzlichen Mittel in den Haushalt des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe – der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) –, sondern er besagt nur, dass die Jugendverbände mehr bekommen sollen. Stichwort Umverteilung. Zunächst ist zu konstatieren, dass die anderen Förderberechtigten im Landesförderplan, genauer in der Produktgruppe PG 254.02 »Kinder- und Jugendarbeit«, die »Jugendsozialarbeit« und die »offen Kinder- und Jugendarbeit« sind, und vom Bürgerschaftsbeschluss mitbetroffen sind. Daher stellen wir mit großer Sorge fest, dass eine Erhöhung unserer Mittel zu Lasten der Kollegen/innen aus der »Jugendsozialarbeit« und/oder der »offen Kinder- und Jugendarbeit« gehen könnte. Das wäre absolut unsolidarisch und ist nicht in unserem Sinne, da der Landesjugendring alle Interessen der in Hamburg lebenden Kinder und Jugendlichen vertritt!

Perspektive. Darüber hinaus möchte ich an unseren Vollversammlungsbeschluss vom 23. November 2016 – »Mehr Mittel für die Jugendverbandsarbeit« – erinnern. Hier fordert die LJR-Vollversammlung 750.000 Euro mehr für die Jugendverbandsarbeit. Denn die Problemlagen der Jugendverbände sind vielfältig:
Die Existenz der Jugendverbände – welche die öffentliche Hand grundsätzlich zu fördern hat (s.o.) – steht an unterschiedlichen Stellen vor großen Herausforderungen. Denn vor allem fehlt es an Mitteln für die originären Tätigkeiten der Jugendverbände; wir fordern daher:
• Um Jugendverbände langfristig handlungs- und überlebensfähig zu machen, ist eine Erhöhung der Förderung für Verwaltungs-, Material-, Miet- und Honorarkosten sowie für Verpflegungs-, Übernachtungs- und sonstige Fahrtkosten notwendig.
• Hauptamtliches Personal unterstützt die Strukturen und ergänzt die Arbeit von ehrenamtlich geführten Jugendverbänden. Wir fordern zusätzliche (Mittel für) Jugendbildungsreferenten/innen.
• Die wachsende Kinder- und Jugendarmut ist eine große Herausforderung. Ohne zusätzliche Mittel für Jugenderholungsmaßnahmen junger Menschen aus einkommensschwachen Familien kann ihre Teilhabe nicht gelingen.
• Ein Thema wie die Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes (Vereinbarung gem. § 72a SGB VIII) können die Jugendverbände nicht einfach zusätzlich erledigen. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt ist viel zu wichtig und viel zu umfangreich, als dass dies die Jugendverbände aus sich selbst heraus, ohne weitere Hilfe, schaffen könnten. Wenn der Gesetzgeber das Bundeskinderschutzgesetz wirklich ernst nimmt, dann müssen hierfür zwangsläufig zusätzliche Mittel bereitgestellt werden.
• Als letztes, jedoch nicht abschließendes Thema möchte ich an dieser Stelle die interkulturelle Öffnung benennen. Die Integration von Geflüchteten sowie Menschen mit Migrationshintergrund ist eine generationsübergreifende Aufgabe. Mit kurzfristigen Anschubfinanzierungen ist diese Aufgabe nicht zu bewältigen. Es bedarf einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht und Integration. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Geflüchteten von heute, die Migranten von morgen und ihre Kinder die Menschen mit Migrationshintergrund von Übermorgen sind. Für diese Aufgaben bedarf es dauerhafter Förderung.

Abschließend bleibt mir der Blick nach vorn und unser Versprechen an Euch: Der jüngste Bürgerschaftsbeschluss zur Mittelerhöhung von 200.000 Euro pro Jahr stellt noch nicht das Ende unserer Bemühungen dar. Dennoch wollen wir den an dem Antrag beteiligten Fraktionen und Personen herzlich danken. Jedoch werden wir uns für unser Ziel – 750.000 Euro jährliche Erhöhung für die Jugendverbände – weiter auf allen Ebenen intensiv einsetzen. Ohne Umverteilung zu Lasten unserer Kollegen/innen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit respektive der Jugendsozialarbeit.

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1 Drucksache 21/11851 der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg
2 Jugendverbände sind zu fördern! Rechtsgutachten von Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Wiesner, Prof. Dr. Christian Bernzen und Melanie Kößler; Deutscher Bundesjugendring, November 2013