Seit neun Monaten ist sie bereits in dem Containerdorf in Lokstedt über den Verein »Herzliches Hamburg« tätig. Die Aktiven unterbreiten verschiedene Angebote für Flüchtlinge wie Deutschkurse oder eben Kinderbetreuung. Friederike ist mindestens dreimal pro Woche vor Ort. Und das ehrenamtlich. Das geht nicht ohne Überzeugung. Friederike ist letztes Jahr nach ihrem Studium in England nach Hamburg zurückgekehrt und war auf Jobsuche. Sie hatte plötzlich viel freie Zeit. »Ich wollte etwas Sinnvolles machen und mich durch die Arbeit für eine gerechtere Welt einsetzen. Das klingt immer so pathetisch«, schmunzelt Friederike, »aber es stimmt.«
Ansturm. Es ist kurz nach 16 Uhr. Immer mehr Kinder kommen aus der Schule und gehen in den Spielcontainer. Ein kleiner Junge in orangener Weste zieht Friederike am Shirt und möchte Kicker spielen. Die beiden wechseln zum benachbarten Container. Hier stehen weiße Tische und Stühle, was den Container noch kahler aussehen lässt. »In diesem Raum findet auch der Deutschunterricht statt«, sagt Friederike mit Blick auf ein Poster, auf dem deutsche Possessivpronomen abgedruckt sind. Nur die zwei bunten Kicker lassen den Raum etwas aufleben. Der kleine Junge spielt fokussiert und sichtlich vergnügt mit Friederike am Kicker. Er berichtet nebenbei von seinem Alltag. Von den kleinen Dingen, die er heute erlebt. Schließlich singt er Friederike ein Lied vor, das er neulich erst in der Schule gelernt hat. Sein Deutsch ist sehr schwer zu verstehen. Es ist zumeist ein Nuscheln, aus dem man einzelne Worte heraushört. Friederike aber hört ihm aufmerksam zu und nickt, obwohl sie schon ziemlich erschöpft scheint. »So viele Worte braucht es nicht«, sagt sie nach dem Spiel. Den Kindern ist es wichtig, dass jemand für sie da ist, ihnen zuhört sowie Wärme und Vertrauen schenkt.
Immer mehr Kinder finden sich am Kicker ein. Sie sind gut gelaunt, toben und hopsen, necken sich, feuern an oder streiten, wer als nächstes an die Kickerstangen zum Spiel ran darf. Und bei Toren gibt es Jubel – oder mürrisches Grummeln auf der Gegenseite. Ein gewöhnliches Bild von Kindern in ihrer Freizeit.
Leere. Ihre Situation lässt sie aber kein gewöhnliches Kinderleben leben. Sie gehen zwar morgens wie jedes Kind in eine Kindertagesstätte oder in die Schule. Ihre Nachmittage sind aber oft wenig strukturiert. Kommen Friederike und ihre Kolleginnen heute oder bleibt der Spielcontainer verschlossen? Müssen die Eltern zum Deutschkurs oder Behördengänge erledigen? Oft sind sie dann mit sich und der kleinen, kahlen Containerwelt allein. Leere und Langeweile. Insbesondere ältere Jugendliche sind immer wieder unzufrieden. Ihnen fehlt der Freiraum, die Launen der Pubertät unter sich auszuleben. Oder Unternehmungen anzugehen, die sie von Altersgenossen in der Schule kennengelernt haben. Sie hocken auf ihrer kleinen Insel und wissen manchmal nicht recht was mit sich anzufangen. Reibereien aus Frust keimen dann schon mal auf. Zudem tragen sie früh Verantwortung. Die meisten sind von den Eltern angewiesen, auf die kleineren Geschwister aufzupassen. Dabei hätten sie so viel, was in ihnen gärt, raus und endlich hinter sich zu lassen.