Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3-2013, Rubrik Titelthema

2. Gegenfrage.

Was lief schief? Was fehlt?

Hajduk: Die schwarz-gelbe Regierung hat kein Konzept und vor allem keine Idee für eine gemeinsame Zukunft dieses Landes oder die Zukunft Europas. Ihr Handeln bleibt ohne Linie und ohne Plan. Es geht zu Lasten Vieler, die auf Unterstützung angewiesen sind, die den Zusammenhalt der Gesellschaft voran bringen wollen oder die das Gemeinwesen stärken. Es geht viel zu oft zu Gunsten mächtiger und gut finanzierter Lobbys. Konkret :
• Energiewende ausgebremst und Klimaschutz eingestellt
• Niedriglöhne für Millionen
• Gleichstellung am St. Nimmerleinstag
• Betreuungsgeld statt Vereinbarkeit von Familie und Beruf
• Ignoranz regiert die schwarz-gelbe Bildungspolitik
• Wohnen in großen Städten immer unbezahlbarer
Mehr unter : www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Schwarz-Gelbe-Bilanz_Broschuere-06-2013.pdf 

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Seeger: Das deutsche Bildungssystem weist immer noch zahlreiche Mängel auf. So sind Möglichkeiten für die Schüler, sich ihren Lehrplan nach ihren Fähigkeiten und Interessen individuell anzupassen, noch zu wenig gegeben. Schüler werden so mit einer Flut von Wissen in Bereichen erschlagen, die besonders in höheren Klassen über die nötige Allgemeinbildung hinausgehen. Die Verkürzung der Schulzeit um ein Jahr spitzt dieses Problem weiter zu. Schule ist dadurch nur noch selten ein Ort, an dem junge Menschen sich entwickeln, sondern an dem sie nur noch so schnell wie möglich auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden. Dies führt dazu, dass das soziale Leben außerhalb der Schule immer mehr vom Lernen eingenommen wird und wichtige soziale Komponenten, wie z.B. die ehrenamtliche Mitarbeit in Vereinen, Sport und die eigene Freizeit- und Lebensgestaltung, außen vor bleiben. Die Piratenpartei setzt sich für mehr Kompetenzen des Bundes im Bereich Bildung ein: Wir haben durch die Bundesländer 16 verschiedene Bildungssysteme, die sich völlig unvergleichbare Strukturen geben. Außerdem muss die selbstständige Bildung Jugendlicher über Freies Wissen und Freie Kultur im Internet weiter gefördert werden. Die Bundesregierung hat sich mit ihren Urheberrechtsgesetzen und Überwachungsphantasien als Gegnerin moderner Technologien und einer gemeinsamen Wissensgesellschaft profiliert. Hier müssen die Interessen jüngerer Generationen auch über ein gesenktes Wahlalter mehr Einfluss auf die Politik bekommen.

Auch die Einführung eines Betreuungsgeldes stellt einen Tiefpunkt der schwarz-gelben Bundesregierung dar. Anstatt Kita-Plätze auszubauen, sollen Familien und vor allem die Kinder in der frühkindlichen Bildung sich selbst überlassen werden. Die Regierung zieht sich hier aus der Verantwortung und sorgt dafür, dass gerade finanziell benachteiligte Familien keine Bildungsangebote in Anspruch nehmen.

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Weinberg: Zwar haben wir viele positive Erfolge zu verzeichnen, jedoch wollen wir uns darauf nicht ausruhen. So stehen auch einige Bereiche der Jugendpolitik im Fokus der kommenden Legislaturperiode. So zum Beispiel der gemeinsame europäische Arbeitsmarkt. Nachdem wir bereits durch das Anerkennungsgesetz die bessere Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit von Bildungsabschlüssen erreicht haben, wollen wir durch die von uns auf den Weg gebrachte EU-Jugend-Offensive die Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa weiter ausbauen. Wir setzen uns auch für das Erlernen von Fremdsprachen sowie für Austauschprogramme von Jugendlichen, Arbeitnehmern, Studenten und Forschern in ganz Europa ein.

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Müller-Sönksen: Wer heute jung ist, weiß nicht, ob er sich auf die staatlichen Sozialsysteme noch verlassen kann. Der Staat muss den wirklich Bedürftigen Hilfe, Anreize und Aufstiegsperspektiven bieten. Dabei muss er vor allem Aufstiegs- und Teilhabechancen für jene Menschen im Blick haben, denen es an materiellen Voraussetzungen fehlt. Alle bestehenden steuerfinanzierten Sozialleistungen, wie etwa Arbeitslosengeld II, Wohngeld, Grundsicherung im Alter, BAföG oder Kindergeld, müssen als Bürgergeld gebündelt werden. Dabei wird jedem Bürger eine bestimmte Summe als Existenzminimum garantiert. Wird diese Summe durch eigene Einkünfte nicht erreicht, so wird ein Zuschuss durch den Staat ausbezahlt.

Die Situation für junge Menschen auf dem Wohnungsmarkt ist angespannt. In erster Linie ist das Investitionsklima für neuen Wohnraum zu verbessern. Dazu müssen die Planungsverfahren für Wohnraum beschleunigt werden.

Als Nachfolger des Kyoto-Protokolls muss eine völkerrechtlich verbindliche Regelung zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen über das Jahr 2020 hinaus geschaffen werden. Auf diesem Weg muss eine Begrenzung der Erderwärmung auf 2 °C bis 2050 erreicht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es zwingend erforderlich, die Beteiligung weiterer Staaten an Zertifikatshandelssystemen zu forcieren.

Weiche Drogen wie Cannabis müssen legalisiert und über staatlich lizenzierte Stellen vertrieben werden. Angebote zur Reduzierung von Risiken beim Konsum wie so genanntes Drug Checking müssen ausgebaut werden. Zudem muss der Staat stärker die Forschung und Evaluation zu den tatsächlichen Risiken legaler und illegaler Drogen unterstützen.

Die neue Wohnungsabgabe für den Rundfunk sowie der Beitragsservice als GEZ-Nachfolger müssen abgeschafft werden. Stattdessen soll eine Medienabgabe zusammen mit der Einkommensteuer und deutlich niedriger als die heutige Rundfunkabgabe eingezogen werden. Zudem muss sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf seine Kernaufgaben und einen eng zu verstehenden Bildungsauftrag konzentrieren.

Zudem haben wir erstmalig einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorgelegt. Wir Liberalen stehen für eine Politik, die nicht auf Kosten der kommenden Generationen lebt. Deshalb ist es so wichtig, dass dank unseres Einsatzes der Staat keine neuen Schulden aufnimmt und somit auch für die nächsten Generationen volle Handlungsfreiheit gewährleistet.

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van Aken: In Kindertageseinrichtungen, Schulen, Hochschulen und in der Aus- und Weiterbildung fehlt es an allen Ecken und Enden. Nahezu jedes fünfte Kind ist von Armut bedroht. In manchen Hamburger Stadteilen, wie etwa in Billstedt und Harburg, sogar jedes Zweite! Bei Jugendlichen ist die Situation noch verheerender. Jugendforscher sprechen mittlerweile von komplett abgehängten sozialen Milieus. Das ist ein Skandal! Statt wirksam dagegen vorzugehen, hat die Bundesregierung mit dem Bildungs- und Teilhabepaket ein Bürokratiemonster geschaffen, das bei den Betroffenen nicht ankommt und dort wo es ankommt, den Bedarf nicht deckt. Ebenso skandalös sind die Sondersanktionen für junge in Armut lebende Hartz IV-Empfänger/innen. Hier werden ganz bewusst junge Menschen ausgegrenzt. Wir brauchen hingegen eine Jugendpolitik, die alle mitnimmt und fördert. Und das heißt auch, die soziale Situation der Jugendlichen in den Blick zu nehmen. Das bestehende Bildungssystem verschärft soziale Unterschiede, statt für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Es zementiert Privilegien und soziale Ausgrenzung, statt sie zu überwinden. In kaum einem anderen Industrieland bestimmt die soziale Herkunft so sehr über die Bildungslaufbahn wie in Deutschland. Das Deutschlandstipendium steht exemplarisch für eine solche Elitenförderungspolitik. Hier muss grundlegend umgesteuert werden. Wir brauchen eine Kindergrundsicherung, ein neues BAFöG und einen Mindestlohn.

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Özoğuz: Aus Sicht der SPD hat Bundesjugendministerin Schröder die Jugendpolitik aufs Abstellgleis geschoben. Den vielen Ankündigungen folgten nur wenige Taten.

Jugendpolitik muss die Jugendphase als Ganzes, insbesondere auch die spezifischen Bedürfnisse von Mädchen und Jungen in den Blick nehmen und überzeugende Lösungen entwerfen. Dabei müssen sich Bund, Ländern und Gemeinden gut abstimmen. In den vergangenen vier Jahren war ein Konzept der Bundesregierung für eine eigenständige Jugendpolitik allerdings nicht zu erkennen.

So hat die Ministerin zum Beispiel durch Mittelkürzungen beim Kinder- und Jugendplan (KJP) die Jugendverbandsarbeit geschwächt. Für eine eigenständige Jugendpolitik im Bundeshaushalt und direkte Beteiligungsmöglichkeiten für junge Menschen ist für die SPD die Stärkung des KJP unverzichtbar.

Ich will einige weitere Aspekte des Scheiterns besonders herausgreifen : Mit der Einführung des Bundesfreiwilligendienstes hat eine Verstaatlichung von Freiwilligendiensten stattgefunden. Wir sehen hier erheblichen Nachbesserungsbedarf. Die SPD setzt auf den konsequenten Ausbau der bewährten Jugendfreiwilligendienste : Wir wollen Transparenz und Rechtssicherheit für sie durch ein Freiwilligendienststatusgesetz schaffen und mehr Anerkennung für Freiwilligendienstleistende erreichen.

Dem Kampf gegen Rechtsextremismus – den auch viele Jugendliche mit Engagement vorantreiben – hat die Ministerin einen Bärendienst erwiesen. Hier wurde eine groteske »Extremismusklausel« eingeführt. Diese werden wir abschaffen und die derzeitige Gängelung und bürokratischen Popanze beenden. Auf Bundesebene wollen wir eine unabhängige Monitoringstelle einrichten, die die zivilgesellschaftlichen Aufklärungs- und Präventionsprojekte bündelt und den Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus sowie die Opferbetreuung aktiv begleitet. Wir werden auch die notwendigen Anschlussförderungen sichern und gemeinsam mit der Zivilgesellschaft im Rahmen eines abgestimmten Aktionsplans ein neues Förderkonzept erarbeiten und umsetzen.

Auch im Bildungsbereich hat die Bundesregierung keine größeren Anstrengungen unternommen : 1,7 Milliarden Euro für lokale Bildungsbündnisse sind nie geflossen, die geplanten 160.000 Stipendien für leistungsstarke Studenten sind auf 11.000 geschrumpft, von dem Bologna-Mobilitäts-Paket profitieren gerade einmal 0,2 Prozent der Studierenden und auf das Zukunftskonto fürs Bildungssparen wartet man bis heute.

Und im Staatsangehörigkeitsrecht werden zunehmend mehr Jugendliche wegen des Optionsmodells gezwungen, sich entweder gegen die Staatsbürgerschaft der Eltern und damit gegen ihre Herkunft oder gegen die deutsche zu entscheiden, weil sich die CDU weiter weigert, dass Staatsangehörigkeitsrecht zu modernisieren.

Diese Beispiele zeigen, dass von Schwarz-Gelb während der zurückliegenden Legislaturperiode wenig Engagement für junge Menschen gezeigt wurde.

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