Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 2-2012, Rubrik Titelthema

»Mein Opa war U-Bootkapitän«

Warum Marlin Christine Krebs (17) Aufklärung über Nationalsozialismus für noch nicht abgeschlossen hält

Die Arbeitsgruppe, in der du mitmachst, heißt: »Werbung ohne Promis«. Wie seid ihr auf diesen Namen gekommen?

Marlin: Wir wollten Prominente ansprechen und sie bitten, für den Hannoverschen Bahnhof Werbung zu machen. Wir dachten an Tim Mälzer, Dieter Bohlen, an Hamburger Sänger und Schauspieler. Wir hatten schon Ideen, wen wir wie ansprechen. Aber eine Schauspielerin aus unserem Umfeld meinte, dass die Gedenkstätte nicht das Thema ist, mit dem Promis sich brüsten wollen, dass die eher spenden würden. Dann haben wir uns überlegt, wir selbst können auch Werbung machen. Und nun haben wir Sätze formuliert, die wir vor der Kamera vortragen.

Gibt es etwas aus deinem eigenen Umfeld, das du zum Thema Nationalsozialismus in Erinnerung hast oder halten möchtest?

Marlin: Mein Opa war U-Bootkapitän. Er hatte den Auftrag, Soldaten an einen Ort zu bringen, wo sie jüdische Kinder erschießen sollten. Aber er hat den Befehl nicht ausgeführt. Dafür wurden seine Kameraden und er in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Das war aber zum Kriegsende, und das Urteil wurde nicht vollstreckt. Ich bin sehr stolz auf meinen Opa, und deshalb habe ich das stark in Erinnerung.

Wie entstand denn dein Interesse an diesem Thema?

Marlin: Mein Opa hat meinem Bruder vom Krieg erzählt, und ich habe das mitbekommen. Ich hörte aber nur Bruchstücke und habe mir dann Gedanken gemacht: Wieso sollte jemand andere töten? War das normal, dass man sich widersetzt hat? Da habe ich nachgefragt. Dann wurde mir viel erzählt. In der Schule haben wir das Thema auch besprochen und Mitschüler haben von ihren Großeltern erzählt. Das alles hat mein Interesse geweckt, so dass ich Geschichte nicht nur als Schulfach sehe, sondern dass ich da selbst Erfahrungen sammeln kann.

Welche aktuellen Themen stehen denn heute in Bezug zum Nationalsozialismus?

Marlin: Vor ein paar Monaten kam ja heraus, dass eine nationalsozialistische Gruppe von jungen Leuten in ihren Augen »ausländische« Geschäftsleute getötet haben. Wir denken, wir sind aufgeklärt, – aber es gibt diese Rechtsextremen noch in unserem Alltag. Das ist ja kein Einzelfall. Und das erschreckt mich wieder, und ich denke: Die Aufklärung ist noch nicht zu Ende. Noch nicht alle Menschen sind gegen Rechtsextremismus, so dass man das Thema immer wieder aufgreifen sollte.

Begegnet dir Rassismus im Alltag?

Marlin: Mir selber nicht, aber ich habe eine Freundin, die aus Afrika kommt und dunkelhäutig ist. Sie erzählt mir dann, dass sie früher viele Sprüche abbekommen hat. Aber jetzt ist sie selbstbewusster und kann auch besser gegenhalten.