Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 2-2012, Rubrik Kommentar

Augen auf!

Von Sebastian Züge, LJR-Vorsitzender

Ein deutliches Zeichen. Am 2. Juni 2012 haben Rechtsextremisten in Hamburg-Wandsbek eine Demonstration abgehalten, die als »Tag der deutschen Zukunft« unter dem Motto »Unser Signal gegen Überfremdung – Gemeinsam für eine deutsche Zukunft!« stand. Ein breites Bündnis aus Parteien, Verbänden, Gewerkschaften, Kirchen und anderen Gruppierungen hatte zu verschiedenen Formen des Protestes gegen diese Nazi-Demo aufgerufen. Sie reichten von der Kundgebung auf dem Rathausmarkt mit Musik und Redebeiträgen, u.a. vom Ersten Bürgermeister der Stadt Hamburg, über Gegendemonstrationen bis hin zur Blockade der Demonstration der Rechtsextremisten. Auf dem Rathausmarkt befanden sich ca. 10.000 Menschen und in Wandsbek etwa 3.000 bis 4.000 Gegendemonstranten. Auch viele Jugendverbände hatten im Vorfeld die »Hamburger Erklärung gegen Rassismus und Faschismus« unterschrieben und unzählige ihrer Mitglieder haben aktiv auf der Straße gezeigt, dass für rechtsextremistisches Gedankengut kein Platz in Hamburg ist.

Andere Tendenzen. Das deutliche Zeichen, das in Hamburg gegen rechtsextremistisches Gedankengut gesetzt wurde, darf aber den Blick nicht dafür verstellen, dass Nazis nicht eine Gruppe außerhalb der »normalen« Gesellschaft sind. Vielmehr ist zu konstatieren, dass es Teile ihrer Parolen bis in die Mitte der Gesellschaft geschafft haben und dort verankert sind. Die Phrase etwa, die Bundesrepublik sei »durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet«, zählt fraglos zum ideologischen Inventar Rechtsextremer. Jedoch ist diese Parole in Deutschland fast schon konsensfähig: 35,6 Prozent der Bevölkerung stimmen der Aussage zu. Jeweils mehr als 30 Prozent finden zudem, dass »Ausländer kommen, um den Sozialstaat auszunutzen« und dass bei knappen Arbeitsplätzen »Ausländer wieder in ihre Heimat« geschickt werden sollten. Und gar 58,4 Prozent plädieren dafür, dass die Religionsausübung für Muslime in Deutschland erheblich eingeschränkt werden sollte, obwohl dies mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. (Alle Zahlen aus : Die Mitte in der Krise. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010, FES, Bonn 2010) Auch bei rechtsextremistischen Straftaten gibt es besorgniserregende Tendenzen. 75 Prozent dieser Delikte in Hamburg sind sogenannte Propagandadelikte, womit zum Beispiel das Verwenden von Hakenkreuzen, das Zeigen des Hitlergrußes oder das Skandieren der Parole »Sieg Heil« gemeint sind. Unter den festgestellten Tatverdächtigen sind auffallend wenige bereits bekannte Rechtextremisten. Das Gros dieser Straftaten wird von Personen verübt, die zwar rechtsextremistische Einstellungen vertreten, aber nicht in die rechtsextremistische Szene eingebunden bzw. politisch nicht aktiv sind. Es gibt also nicht klischeehaft den Nazi sondern viele Schattierungen inmitten dieser Gesellschaft. Und von diesen nicht offen rechtsextremistisch agitierenden Menschen streben auch manche in unsere Jugendverbände hinein.

Deshalb appelliere ich an uns alle, auch im Alltag die Augen und Ohren offen zu halten und rechtsextremen Denkweisen in unserem Umfeld entschieden entgegenzutreten. Jugendverbände sind Vielfalt und gelebte Demokratie. Das müssen wir gegenüber Intoleranz, Ressentiment und Rassismus verteidigen. Auch in unseren Reihen.