Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 2-2005, Rubrik Vielfältige Jugendarbeit

Deutsch-russischer Jugendaustausch

Koordinierungsbüro kommt nach Hamburg

Der Mensch kann und muß wissen:
Das Glück seines Lebens
liegt nicht in der Erreichung
eines vor ihm stehenden Zieles,
sondern in der Bewegung
um des höchsten,
ihm unzugänglichen Zieles willen.

Graf Tolstoi (1828-1910)

von Dr. Herbert Wiedermann,
Behörde für Soziales und Familie, Amt für Familie, Jugend und Sozialordnung

Der Standort des deutschen Koordinierungsbüros für den deutsch-russischen Jugendaustausch wird Hamburg sein. Dies hat Bundeskanzler Gerhard Schröder bei der Eröffnung der Messe in Hannover bekannt gegeben.

Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland und die Regierung der russischen Föderation haben am 21. Dezember 2004 ein Abkommen über jugendpolitische Zusammenarbeit geschlossen. Der Senat hat am 14. Juni 2005 diesem Abkommen zugestimmt. Zur Umsetzung des Abkommens wird in der Hamburger Stadtvilla Mittelweg 117 b ein Koordinierungsbüro für den deutsch-russischen Jugendaustausch eingerichtet. Das Koordinierungsbüro wird seine Arbeit im Herbst aufnehmen. Das gute Verhältnis zwischen Deutschland und Rußland hat für den Frieden, die Sicherheit und Stabilität in einem gemeinsamen Europa und darüber hinaus zentrale Bedeutung. Es ist deutlich erkennbar, daß beide Länder sich dieser großen Verantwortung bewußt sind. Schon heute sind der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen und den Bürgern in Deutschland und Rußland vielfältig und fruchtbar. Der Auftrag aus der Präambel der Verfassung der Freien und Hansestadt im Geiste des Friedens Mittlerin zu sein zwischen den Völkern der Welt ist für uns gelebte Wirklichkeit. Zwischen Hamburg und Rußland bestehen gute Beziehungen: eine Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und St. Petersburg existiert bereits seit 1957. Diese Partnerschaft beschränkt sich nicht nur auf den öffentlichen und den wirtschaftlichen Bereich. Auch zwischen den Bürgern beider Städte finden viele private Begegnungen statt. Sie ist Hamburgs älteste und bis heute intensivste Städtepartnerschaft.

Wesentliche Aktivitäten sind:
• Erholungs- und Begegnungsprogramme von Jugendlichen, die seit 1960 durchgeführt werden,
• Schulpartnerschaften und Schüleraustausch seit 1989,
• ein Praktikantenprogramm für angehende Fach- und Führungskräfte unter Beteiligung von 150 Unternehmen seit 1992 und
• ein Austauschprogramm für Auszubildende seit 1996.

Garant für den professionell organisierten Jugend- und Praktikantenaustausch ist Hamburgs Trägerlandschaft. Der CVJM Hamburg bietet seit 25 Jahren Reisen nach Rußland und in die GUS Staaten an. Der Verein Youth for Understanding Komitee mit Sitz in Hamburg führt seit 45 Jahren Schüleraustauschprogramme durch. Der Verein American Field Service – Interkulturelle Begegnungen – ebenfalls mit Vereinssitz in Hamburg und 50jähriger Schulaustausch Erfahrung – hat seit 1989 seine Tätigkeit im europäischen Rußland ausgebaut und organisiert Programme für ganz Deutschland. Die European Playwork Association (e.p.a) betreibt ein europäisches Jugendbüro in Hamburg und unterhält einen regen Jugendaustausch in mehreren Regionen der russischen Föderation. Die Praktikantenprogramme liegen seit Jahren in den bewährten Händen von InWEnt (Internationale Weiterbildung und Entwicklung).
Darüber hinaus fördert Hamburg gemeinsame Hilfsprojekte, die wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie die deutsch-russische Gesellschaft und engagiert sich bei gemeinsamen Umweltschutzprojekten.

Daneben gibt es zahlreiche private Kontakte zwischen Hamburger und St. Petersburger Bürgern, die im Rahmen des Hilfsprojekts »Hamburg hilft St. Petersburg« im Winter 1991 entstanden sind. Hamburg mißt dem deutsch-russischen Bildungsdialog seit Jahren einen hohen Stellenwert bei. Folgende Maßnahmen dokumentieren exemplarisch dieses Engagement:
• 29 registrierte Schulpartnerschaften mit St. Petersburg mit regelmäßigen projektbezogenen Austauschbegegnungen (u.a. deutsch-russisches Theaterprojekt »Datschniki« 2004)
• weitere Schulpartnerschaften mit anderen russischen Städten, u. a. Kaliningrad, Tomsk
• jährlicher deutsch-russischer Lehreraustausch zur Förderung der Partnersprachen (seit 2000): Entsendung eines Hamburger Lehrers nach St. Petersburg zur Förderung des Deutschunterrichtes
• Austausch von jeweils zehn Sprachpreisträgern (deutsche Preisträger der Russisch-Olympiade des Bundeswettbewerbs Fremdsprachen, russische Absolventen des Deutschen Sprachdiploms der Kultusministerkonferenz)
• Verstärkte Werbung für das moderne Rußland und für Russisch als Fremdsprache in Kooperation mit dem russischen Generalkonsulat (u.a. »Hamburger Schulen und St. Petersburg« 2003, »Russisch kommt« 2004)
• Teilnahme am Bundessprachenfest (80 Prozent der Russisch-Teilnehmer kommen aus Hamburg)
• Teilnahme Hamburger Schulen an Wettbewerben mit Rußlandbezug (u. a. Robert Bosch Stiftung, Fond Zukunft und Erinnerung, Mittelosteuropa Stiftung)
• Organisation von humanitären Hilfen zusammen mit dem Arbeiter-Samariter-Bund (Sammlung in Klassen für individuelle Hilfspakete, Übersetzungsdienste für Paketsendungen)
• Einladung von russischen Schülerinnen und Schülern zu einem Aufenthalt von jeweils sechs Monaten in Hamburg (Christianeum und Gymnasium Heidberg mit Unterstützung der Gräfin-Dönhoff Stiftung).
• Durchführung eines Jugendforums mit 60 Jugendlichen aus Hamburg, St. Petersburg und Novgorod vom 26.06. bis zum 3.07.05 in Novgorod.

Hamburg kann stolz auf eine solch lebendige Partnerschaft sein! Viel wurde erreicht – noch mehr bleibt zu tun.

Vor diesem Hintergrund unterstützt Hamburg energisch das Ziel, die jugendpolitische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Rußland zu intensivieren. Derzeit begegnen sich jährlich 2.300 Jugendliche im außerschulischen Austausch, bis 2007 wollen Deutschland und Rußland diese Zahl verdoppeln.

Um die Ausweitung des deutsch-russischen Jugendaustausches zu erreichen, ist es notwendig, sich auch organisatorisch neu aufzustellen. Deshalb wurde zur Umsetzung des Abkommens die Einrichtung jeweils eines Koordinierungsbüros in Deutschland und in der russischen Föderation vereinbart. Das deutsche Koordinierungsbüro in Hamburg wird die Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH haben. Das Koordinierungsbüro wird erstmalig im Rahmen einer Public-Private-Partnership gegründet und betrieben, an der die Robert-Bosch Stiftung, der Ostausschuß der Deutschen Wirtschaft, das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend und die Freie und Hansestadt Hamburg beteiligt sind. In der Anfangsphase werden im Koordinierungsbüro acht Mitarbeiter arbeiten.

Im vergangenen Jahr standen für außerschulische Jugendbegegnungen zwischen Rußland und Deutschland 800.000 Euro bereit. In Zukunft wird der deutsch-russischen Jugendaustausch finanziell deutlich besser ausgestattet. Die privaten und öffentlichen Geldgeber stellen bis zum Jahr 2008 insgesamt 14 Millionen Euro für den deutsch-russischen Jugend- und Schüleraustausch zur Verfügung. Ohne das vorbildliche Engagement der privaten Geldgeber wären der Aufbau der Infrastruktur und insbesondere die Förderung des Jugend- und Schüleraustausches so schnell nicht möglich gewesen. Das Koordinierungsbüro wird von einem Geschäftsführer geleitet. Die Jugendverbände, die den Großteil des außerschulischen Jugendaustausches durchführen, werden angemessen im Kuratorium vertreten sein.
Der bilaterale Austausch wird Jugendlichen sowie Schülerinnen und Schülern aller Regionen, aus allen gesellschaftlichen Bereichen und sozialen Schichten beider Länder bei gleichen Zugangschancen offen stehen. Die gemeinsame Teilnahme von deutschen und russischen Jugendlichen an europäischen und internationalen Maßnahmen wird ebenfalls möglich sein. Der außerschulische Jugendaustausch wird gleichrangig neben dem schulischen und beruflichen Austausch stehen. Jugendliche aus beiden Ländern werden über die Beachtung der Menschenrechte, die politischen Freiheitsrechte, über Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, über Meinungsfreiheit und Pluralismus diskutieren sowie europäische und internationale Fragen behandeln.
Mit dem Aufbau des Koordinierungsbüros in Hamburg wird ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung gemacht. Hamburg wird sich dafür einsetzen, daß die neu eingerichteten Büros auf deutscher und russischer Seite zeitnah ihre Zusammenarbeit aufnehmen, um das Abkommen mit Leben zu erfüllen.
Der Jugend gehört die Zukunft, in einer Welt, die die Verständigung zwischen den Völkern und ein friedliches Miteinander ermöglicht.

Kontakt:
Überregionale Förderung und Beratung / Landesjugendamt
Hamburger Straße 118 | 22083 Hamburg
Tel.: (040) 428 63 - 2504 | Fax: (040) 428 63 - 3446
Fax: (040) 4279 70 - 337
www.bsf.hamburg.de
Email: herbert.wiedermann@remove-this.bsf.hamburg.de