Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2006, Rubrik Vielfältige Jugendarbeit

Rückschau nach vorn

Austausch mit der Shanghai Youth Federation im September 2006

Der Besuch der Shanghai Youth Federation beim Landesjugendring in Hamburg markierte einen Wendepunkt der Beziehungen. Die Zeit des vorsichtigen Beschnupperns ist vorbei.

Wenn westliche Politiker nach China aufbrechen, dann zerbrechen sie sich zumeist die Köpfe darüber, wie vermutlich heikle Themen – wie etwa Menschenrechtsfragen – so anzusprechen sind, dass weder die chinesische Seite sich brüskiert sieht, noch daheim die Presse lamentiert, zugunsten von Wirtschaftsinteressen würden brisante Fragen einfach ausgeklammert. Herauskommt in der Regel ein diplomatischer Eiertanz: für jede Seite ist etwas dabei.

China und das Internet gilt gemeinhin als brisantes Thema – zumal die Nachrichten aus China widersprüchlich sind. Die Zahl der Internetnutzer wächst einerseits rasant und mit 130 Millionen chinesischen Internetnutzern zählt Chinesisch inzwischen zur zweitwichtigsten Sprache im Netz. Zudem erfreuen sich interaktive Anwendungen wie Foren und Chats einer Beliebtheit bei Jugendlichen in China, die weitaus größer ist als im Westen. Andererseits versucht die kommunistische Regierung immer wieder, den Zugang zu in ihren Augen kritischen Websites zu blockieren und unterbindet Blogs, wenn sie über die Stränge schlagen und Maßnahmen der Politik ins Visier nehmen.

Mit der Podiumsdiskussion »Chinas Jugend online« im Rahmen der »ChinaTime Hamburg 2006« hatte der Landesjugendring das spannende und brisante Thema aufgegriffen und gemeinsam mit »umdenken/Heinrich-Böll-Stiftung« realisiert. Das Podium war mit Prof. Joan Bleicher vom Hans-Bredow-Institut an der Uni Hamburg und Jens Damm von der Uni Berlin hochkarätig besetzt. Das für uns Entscheidende dabei war jedoch: an der Diskussion nahm der Delegationsleiter der Shanghai Youth Federation, Cai Zhong, teil.

Dass es uns gelungen ist, bei diesem für chinesische Offizielle heiklem Thema eine gemeinsame Veranstaltung aufzulegen, also nicht allein mit Experten »über« China sondern mit einem chinesischen Delegierten über Perspektiven und Probleme der chinesischen Internetentwicklung zu debattieren, ist ein Erfolg, der nur den wenigen Veranstaltern der ChinaTime gelungen ist.

Dieser Erfolg weist zudem in die richtige Richtung beim Austausch zwischen dem LJR und der Shanghai Youth Federation: über das gegenseitige Kennenlernen von Land und Partner hinaus auf die Thematisierung jugendpolitischer Differenzen und Ansichten. Daran wird sich der Landesjugendring in Zukunft orientieren. Mit der Shanghai Youth Federation wurde zudem vereinbart, nach Möglichkeit auch den Kreis der Teilnehmenden am Austausch über Multiplikatoren hinaus auf Jugendliche auszuweiten.

Das LJR-Besuchsprogramm 2006 für die fünf Shanghaier Delegierten bestand aus einer Mischung von Arbeitstreffen, Besuchen bei Jugendverbänden und staatlichen Einrichtungen sowie kulturellen Stippvisiten. Um unseren Gästen das Spektrum der Jugendverbandsarbeit zu exemplifizieren, zeigte zum einen die Katholische Studierende Jugend auf, wie Jugendverbandsarbeit in der Schule gelingen kann. Grenzgänge anderer Art dann bei der Sportjugend: der Hamburger Tischtennisverband präsentierte, wie Strukturen sportlicher Jugendverbandsarbeit bis hinauf zur gezielten Leistungsförderung ineinander greifen. Dass Einmischen in die Politik ebenfalls zum Spektrum zählt, erwies der Landesjugendring in Mecklenburg-Vorpommern. Beim Arbeitstreffen wurde die Aktion »Laut gegen Rechts« vorgestellt, über die der LJR-MV im Vorfeld der Landtagswahl versuchte, engagiert gegen neonazistische Wahlentscheidungen unter Jugendlichen aufzuklären. Am Beispiel des Bezirksjugendamtes in Bergedorf erhielten die Gäste schließlich noch Einblick in Funktion und Strukturen regionaler Jugendhilfeplanung. (jg)