Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2009, Rubrik Vielfältige Jugendarbeit

Bündische, braune Netze ...

Der Beginn einer Diskussion über Rechte Jugendbünde im Rahmen von respekt*7

Von Jan Jetter, Arbeitsgemeinschaft freier Jugendverbände

Sonntagmittag bei respekt*7. Chansons und Songs der französischen Liedermacherin Cynthia begleiten stimmungsvoll an die 70 Gäste des politischen Frühstücksmatinées beim ausgiebigen Schmaus des – wie immer – liebevoll gestalteten, leckeren Buffets. Das Kölibri ist sehr gut gefüllt, Pfadfinder und Pfadinderinnen in der Kluft unterschiedlichster Verbände unterhalten sich ebenso angeregt wie Interessierte anderer Jugendverbände. respekt-T-Shirts werden per Siebdruck erstellt, der Infotisch der Arbeitsgemeinschaft Neuengamme begutachtet und Ausstellungswände durchgelesen. Es ist der zweite respekt-Tag, dem antirassistischen Aktionswochenende von der Arbeitsgemeinschaft freier Jugendverbände, dem Pfadfinder- und Pfadfinderinnenbund Nord und der Sozialistischen Jugend Deutschlands – die Falken. Nach einem mit mehr als 120 Gästen außergewöhnlich gut besuchten Zeitzeugengespräch mit dem Sinto Walter Winter am Vorabend warten die Gäste nun gespannt auf den Vortrag von Jesko Wrede über »Rechte Jugendbünde«.

Rechte Milieubildung. Jesko Wrede, selbst aktiv im Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP), betreibt seit dem Frühjahr diesen Jahres den Blog »www.rechte-jugendbuende.de« und hat mit diesem und der Veröffentlichung »Wer trägt die schwarze Fahne dort … – Völkische und Neurechte Gruppen im Fahrwasser der Bündischen Jugend heute« für viel Diskussionsstoff in der bündischen und jugendbewegten Szene gesorgt. Deshalb sind zum Vortrag so viele gekommen: Sie wollen mehr wissen über die rechten Bünde und hoffen auf Anregungen, wie sich die eigenen Gruppen von eben denen abgrenzen können, die sich wie Pfadfinder kleiden, wie die Bündischen singen und wie die Wandervögel auf Fahrt gehen – jedoch auf extrem rechter Seite zu verorten sind.

Der Referent legt in seinem Vortrag sehr ausführlich dar, welche Strukturen, Personen und Gruppen den rechten, völkischen Jugendbünden zugeordnet werden können. Umfassend werden Verbindungen der Rechten Jugendbünde »Freibund – Bund Heimattreuer Jugend«, »Sturmvogel – Deutscher Jugendbund«, dem »Deutschen Mädelwanderbund« und anderen in die rechtsextreme Szene beschrieben, personelle Überschneidungen dargestellt. Ist dieses »Who is who« in der rechten Jugendbund-Szene anfangs noch interessant, erschöpft sich der Erkenntniswert dieser immer neuen Nachweise »Rechter Milieubildung« jedoch für viele Anwesende recht schnell.

Was unterscheidet uns von denen? Nach einer kurzen Darstellung dieses rechten Netzwerkes fehlt nun eine ausführlichere Beschäftigung mit den Kernthemen der völkischen Ideologie dieser rechten Jugendbünde, damit die Zuhörenden auch besser eine Kritik an dieser sich am Nationalsozialismus orientierenden Ideologie entwickeln und formulieren können. Auch wenn vielen Anwesenden durch den Vortrag sicherlich klar wird, dass es ein personelles und organisatorisches Netzwerk Rechter Jugendbünde gibt – den Nachweis hat Jesko Wrede eindrucksvoll erbracht –, wäre eine übersichtliche und auch für die jungen Anwesenden verstehbare Ideologiekritik sinnvoll und für viele sicherlich auch hilfreich. Was heißt eigentlich völkische Ideologie? Was unterscheidet diese rechten, völkischen Jugendbünde von unseren Pfadfindergruppen? Wie ist das Frauenbild bei Rechten Jugendbünden und was ist daran zu kritisieren?

Wenn Frauen beim Freibund nur Röcke tragen dürfen, ist dies nämlich nicht nur eine Frage der verbandsinternen Mode sondern Ausdruck der Stellung der Frau in diesem Bund. Wie eine PBNlerin so schön sagte: »Ich trage einen Rock, wenn ich mich dazu entscheide. Müssten wir beim PBN Röcke tragen, wäre klar, dass beispielsweise Bäume klettern nicht zu dem Part der Mädchen und Frauen gehören würde ...« Durch solche Beispiele wird schnell der Unterschied zwischen rechten, völkischen Jugendbünden und unseren Pfadibünden deutlich. Diese konkreten Beispiele haben beim Frühstücksmatinée leider gefehlt.

Gleich zu Beginn des Vortrages gibt es zudem einige irritierte Blicke, als klar wird, dass unter den Anwesenden auch zwei Leute vom »Freibund e.V. – Bund Heimattreuer Jugend« sitzen – eben einem der Bünde, die durch ihren völkischen Ansatz, der starken Betonung der Begriffe Volk, Heimat und Nation, ihren positiven Bezügen zur Blut-und-Boden-Mystik und ihrer Nähe und den vielfältigen Kontakten zur rechtsextremen Szene im Zentrum der Kritik stehen (mehr Informationen zum Freibund sind unter folgendem Link zu finden: http://rechte-jugendbuende.de). Eine Diskussion über Strategien, wie sich Pfadi-Bünde von völkischen Gruppen abgrenzen können, gestaltet sich unter diesen Voraussetzungen als zäh. Eine Teilnehmerin eines Pfadfinderbundes formuliert ihr Unbehagen berechtigterweise so, dass sie nicht mit Leuten diskutieren möchte, die demokratische Grundrechte ständig einfordern und für sich in Anspruch nehmen wollen, diese jedoch umgehend beseitigen würden, hätten sie die gesellschaftliche Mehrheit dazu.

Der Beginn einer langen Diskussion. Das Politische Frühstücksmatinée bei respekt* hat eine wichtige Diskussion über die Gefahr von Rechts auch innerhalb der Jugendverbände angestoßen. In allen gesellschaftlichen Bereichen versuchen neurechte und rechtsextreme Strömungen Fuß zu fassen – diese Entwicklung macht auch vor unseren Jugendverbänden nicht Halt. Dementsprechend sollte die Diskussion bei respekt als Auftakt gesehen werden, und zwar für eine weitergehende Diskussion in möglichst vielen Jugendverbänden darüber, wie sich die demokratische und der Völkerverständigung verpflichtete Jugendverbandsszene vor rechter Einflussnahme besser schützen kann.

Bei zukünftigen Veranstaltungen ist es jedoch sinnvoll, sich im Vorfeld darauf zu verständigen, dass unter Verweis auf §6 Versammlungsgesetz rechtsextreme Gruppen – in diesem Falle auch rechte Jugendbünde – zur Veranstaltung nicht eingeladen sind. Nur so ist eine angstfreie Diskussion über Gegenstrategien möglich ist (siehe unten: Wortergreifungsstrategie).

Zudem erscheint eine eingehende und nachvollziehbare Beschäftigung mit dem ideologischen Kern der Rechten notwendig, um griffige und überzeugende Argumente für den Alltag auszutauschen. Die Diskussion hat gerade erst begonnen …


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Wortergreifungsstrategie
Die öffentliche Konfrontation mit dem politischen Gegner bezeichnen NPD und ihre Untergruppen als »Wortergreifung«. Sie baut darauf, Gegner insbesondere bei Veranstaltungen über Rechtsextremismus durch eigenes Erscheinen und »Wortergreifen« zu verunsichern, verängstigen und aus dem Konzept zu bringen. Nach innen – also in die eigene Anhängerschaft hinein – werden zugleich Abenteuergeist und Selbstbewusstsein geschärft (Wortergreifung als Mutprobe) und ein ›Rauswurf‹ wird gerne als »Bankrotterklärung der Demokraten« verkauft. Meinungsfreiheit gebe es dort folglich nicht. Dass Demokratie aber nicht nur Meinungsfreiheit bedeutet, sondern auch den Respekt vor bestimmten Werten, wie der Würde des Menschen und Gleichberechtigung, wird dabei unterschlagen.


§ 6 Versammlungsgesetz
Wichtig ist, schon bei der öffentlichen Ankündigung einer Veranstaltung Ausschlusskriterien mitzuteilen, empfiehlt Bianca Klose von der Berliner Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (www.mbr-berlin.de) im »Netz-gegen-Nazis«:

»Denn nach § 6 des Versammlungsgesetzes können bestimmte Personen oder Personenkreise in der Einladung und Ankündigung von der Teilnahme an einer Versammlung ausgeschlossen werden. Dies gilt aber nur für öffentliche Veranstaltungen in geschlossenen Räumen. Bei Demonstrationen oder Kundgebungen – also bei Versammlungen unter freiem Himmel – gilt diese Vorschrift ebenso wenig wie für Pressevertreter. Wichtig ist, dass schon die Veranstaltungseinladung eine entsprechende Formulierung enthält, die extrem Rechte ausschließt. Beispielsweise den Satz: Ausgeschlossen von der Teilnahme an der Veranstaltung sind extreme Rechte. Dann kann Neonazis der Zutritt verwehrt werden. Wenn sie schon im Raum der Veranstaltung sind, können sie unter Verweis auf die Ankündigung aus dem Raum wieder entfernt und unter Umständen auch wegen Hausfriedensbruch zur Verantwortung gezogen werden«.


(Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung, http://www.bpb.de/themen/G3WR39,0,0,Wie_umgehen_mit_Neonazis_auf_Veranstaltungen.html)