Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 3-2010, Rubrik Titelthema

Integration durch soziales Engagement

Der Landesjugendring Baden-Württemberg eröffnet Zugänge für junge Menschen mit Migrationshintergrund und Bildungsbenachteiligung

Von Bistra Ivanova, Landesjugendring Baden-Württemberg

Engagement ist kein Auslaufmodell. 35 Prozent der Bevölkerung im Alter von 14 bis 24 engagiert sich in Verbänden, Vereinen, Kirchen, öffentlichen Einrichtungen oder Initiativen. 49 Prozent würde sich gerne engagieren (s. 3. Freiwilligensurvey 1999 – 2009). Das widerspricht der gängigen Sichtweise einer Spaßgeneration.

Junge Menschen engagieren sich in erster Linie interessenbezogen und achten darauf, dass dieses Engagement für die berufliche Entwicklung verwertbar ist. Sie suchen nach Zukunftsperspektiven, Erfolgserlebnissen und Anerkennung. Vor allem für Jugendliche mit Migrationshintergrund und mit Bildungsbenachteiligung kann ein freiwilliges soziales Engagement eine besondere Funktion erhalten: Es vermag der Berufsorientierung oder Überbrückung und ebenso der Werteorientierung dienen. Für zugewanderte junge Menschen kann es eine Chance bieten, andere Denk- und Handlungsweisen kennenzulernen und damit Ängste wie Vorurteile abzubauen. Allerdings verläuft die Suche nach Anerkennung und Erfolgserlebnissen bei den jungen Menschen mit Migrationshintergrund und Bildungsbenachteiligung oft ohne Erfolg. Ihre Potentiale bleiben häufig ungenutzt. Denn sie brauchen neben der Anerkennung und Förderung ihrer kulturellen, sprachlichen und religiösen Vielfalt auch die Unterstützung bei der Überwindung bestehender Benachteiligungen. Zudem wird das Engagement junger Migranten/ innen in Verbänden und Vereinen selten von der Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen.

Neue Perspektiven. Hier setzt die Baden-Württemberg Stiftung mit dem Programm »Integration durch soziales Engagement« an. Das Programm will einen Beitrag dazu leisten, für diese Jugendlichen neue Zugänge zum Engagement zu eröffnen und sie ebenso in ihrer Eigeninitiative sowie bei der Realisierung eigener Projekte zu stärken. Nicht zuletzt soll eine breite positive Aufmerksamkeit und Anerkennung für ihr Engagement gewonnen werden.

Seit April 2010 ist der Landesjugendring Baden-Württemberg mit der Durchführung des neuen Programms der Baden-Württemberg Stiftung befasst. Das Programm startet mit einer zweijährigen Experimentierphase. Es hat folgende Eckpunkte:

Neue Zugänge für ein Engagement eröffnen: Mit dem Programm werden junge Menschen mit Migrationshintergrund und bildungsbenachteiligte junge Menschen über ihre eigenen Ideen und Interessen für das Engagement gewonnen.

Engagement direkt (finanziell) fördern: Projekte, die an den Stärken der Jugendlichen dieser Zielgruppen ansetzen und sich an deren Bedürfnissen orientieren, werden direkt gefördert. So rücken die Kompetenzen und Fähigkeiten der jungen Menschen in den Vordergrund.

Engagement sichtbar machen: Durch eine intensive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wird das Engagement der jungen Menschen anerkannt und gefördert. In Zusammenarbeit mit SWR International werden einerseits einzelne Portraits von den engagierten Jugendlichen erstellt. Andererseits werden einzelne Projekte Jugendlicher in die Öffentlichkeit gebracht.

Schwerpunkt der Förderung sind kleine, niedrig-schwellige Projekte vor Ort, die von Jugendlichen und jungen Erwachsenen selbst ehrenamtlich entwickelt und durchgeführt werden. Parallel wird ein Tandemprojekt aus einer etablierten Jugendorganisation und einem Verein junger Migranten/innen als Pilot durchgeführt. Eine intensive wissenschaftliche Begleitung wird gezielt von Anfang an einbezogen, um Erkenntnisse für die weitere Projektdurchführung zu gewinnen. Im zweiten Projektjahr beraten Baden-Württemberg Stiftung und Landesjugendring gemeinsam über die weitere Projektdurchführung. Im Fokus des Programms steht das Engagement von jungen Menschen sowohl mit Migrationshintergrund als auch mit Bildungsbenachteiligung im Alter von 12 bis 26 Jahren. Folgende Elemente sollen durch die gezielte Förderung gestärkt werden:

Selbstorganisation und Kompetenzentwicklung: Die Jugendlichen entwickeln eigene Projekte und führen diese selbst ehrenamtlich durch. Sie bringen ihre Talente ein, probieren mitgebrachte Kompetenzen aus und entdecken neue Stärken und Fähigkeiten. Engagement wird so zur Quelle für ihre Persönlichkeitsbildung. Die Jugendlichen können durch eine gelingende Projektrealisation sich weiterentwickeln und erfahren dabei die Wirkung des eigenen Handels. Unterstützt und begleitet werden sie durch eine/n Pate/in, die mindestens 18 Jahre alt ist und eine entsprechende Qualifizierung nachweisen kann.

Rollenwechsel: Zur Realisation der eigenen Aktionsidee bilden Jugendliche verschiedener Herkunft eine Projektgruppe: D.h., sie sind nicht mehr bloße Projektteilnehmer/innen sondern die Projektleiter/innen, die Verantwortung für den Erfolg der Idee tragen. In dieser Rolle agieren sie als Vorbilder für andere junge Menschen aus dem eigenen Umfeld. Der Erfolg eines Projektes soll dabei »ansteckend« wirken. Die Erfahrung einiger Jugendlichen, selbst was im eigenen Umfeld verändern zu können, kann zum Anstoß für ihre Freunde werden.

Qualifizierung: Über Praxistreffen und Projektwerkstatttage erhalten sowohl einzelne engagierte Jugendliche aus den geförderten Projekten als auch die Projektpaten/innen eine Qualifizierung. Qualifizierungsinhalte sind u.a. Projektmanagement und interkulturelle Kompetenz.

Anerkennung: Die engagierten jungen Menschen erhalten Zertifikate über ihre praktischen Tätigkeiten und die in den Schulungen erworbenen Kompetenzen. Durch öffentliche Auftritte im Rahmen ihrer Projekte, bei Abschlussveranstaltungen und durch die zentrale Öffentlichkeitsarbeit der Projektfachstelle erhalten sie Anerkennung und positive Aufmerksamkeit.

Der Weg zur Förderung: Eine Gruppe Jugendlicher erarbeitet eine Projektidee (auch gemeinsam mit einem/er Paten/in) und stellt einen Projektantrag bei der Projektfachstelle. Die eingegangenen Projektanträge werden durch ein fachlich besetztes Gremium begutachtet und mit Empfehlungen versehen. Diese aufgreifend entscheidet letztlich die Baden-Württemberg Stiftung über die Förderung der zur Auswahl stehenden Projekte. Nach Eingang zahlreicher kreativer Projektanträge in der ersten Programmrunde wird in Kürze das Programm mit den ersten ausgewählten Projekten starten. In drei weiteren Ausschreibungsrunden erwarten wir weiterhin zahlreiche und innovative Projektideen von jungen Menschen aus ganz Baden-Württemberg.

Info: Integration durch soziales Engagement Projektkoordinierungsstelle: Landesjugendring Baden-Württemberg im Auftrag der Baden-Württemberg Stiftung Laufzeit: 2010 – 2012 (Experimentierphase) Kontakt: Landesjugendring Baden-Württemberg | Bistra Ivanova | Siemensstr.11 | 70469 Stuttgart | Tel.: (0711) 1644775 | ivanova@ljrbw.de | www.jrbw.de