LJR-Vorstandsbeschluss vom 12. Januar 2011
Bildung ist mehr als Schule
Bildung ist zu dem zentralen Begriff geworden, wenn es um das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen geht. Wenn Politik und Wirtschaft von Zukunftsinvestitionen sprechen, meinen sie insbesondere Förderprogramme für Kindergärten, Schulen und Universitäten. Geht man der Frage nach, was, wann, wie und wo gelernt wird, rücken neben dem formalen Bildungssystem verstärkt die außerschulischen Lernorte in den Fokus. Gerade Jugendverbände mit ihrer einzigartigen Kombination von konkreter Beteiligung und Verantwortungsübernahme erweisen sich als besonders attraktive Orte für Kompetenzerwerb und Persönlichkeitsbildung. Der Nationale Bildungsbericht »Bildung in Deutschland 2010« würdigt die Leistungen der dritten Bildungsinstanz (neben Familie und Schule) ausdrücklich.
Integration fördern
In jüngster Zeit wird wieder verstärkt über die Verknüpfung von Bildungs- und Sozialpolitik diskutiert. Wir begrüßen es, wenn die soziale Seite der Bildung hervorgehoben wird. Wie wichtig dies ist, zeigt sich dadurch, dass in Deutschland immer noch der Bildungserfolg der Kinder und Jugendlichen stärker mit der sozialen Herkunft zusammenhängt als in vielen anderen Industrieländern. Auch nach Ausrufung der Bildungsrepublik Deutschland und drei Bildungsgipfeln verlassen immer noch zu viele junge Menschen Schule und Betrieb ohne Abschluss. Das ist inakzeptabel und zeigt, dass mehr unternommen werden muss.
Viel zu viele junge Menschen wachsen in relativer Armut auf, weil ihre Eltern arbeitslos sind oder wenig verdienen, und werden damit in ihrer Entwicklung benachteiligt. Es gehört zu den staatlichen Aufgaben, für Chancengleichheit zu sorgen. Dieser Rechtsanspruch kann am besten eingelöst werden, wenn der Zugang zu Bildung kostenlos wird. Deshalb lehnen wir Studiengebühren ab.
Beim Stichwort Integration denken wir nicht ausschließlich an die ökonomische Eingliederung von sog. bildungsfernen Jugendlichen und/oder solchen mit Migrationshintergrund. Die Beteiligung von nur 38,2 % der 18- bis 24-Jährigen bei der Bürgerschaftswahl 2008 hat gezeigt, dass auch bei der politisch-gesellschaftlichen Integration große Defizite bestehen.
Partizipation ausbauen
Die Hamburger Kinder- und Jugendverbände sind Teil des Alltags von über der Hälfte der Kinder und Jugendlichen. Hier verbringen sie nicht nur ihre Freizeit, sondern organisieren und gestalten diese in demokratischen Strukturen selbstständig. Partizipation und Mitbestimmung sind dabei Voraussetzung und Ziel zugleich, denn bereits im ›normalen Jugendarbeitsalltag‹ wird Beteiligung realisiert – ohne spezielle Projekte und Maßnahmen.
Ehrenamtliche und insbesondere Ehrenamtliche, die studieren, sind das Rückgrat unserer alltäglichen Gruppenarbeit und der Freizeitkultur. Sie ermöglichen es Kindern und Jugendlichen aus allen gesellschaftlichen Schichten Hamburgs an Ferienfahrten teilzunehmen, bieten qualifizierte und betreute Freizeitmöglichkeiten, sind Ansprechpartner bei alltäglichen Sorgen der Kinder und Jugendlichen und organisieren Beteiligungsmöglichkeiten in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen.
Durch die Einführung von G8, der Umstellung auf das Bachelor- und Mastersystem, dem allgemein wachsenden Zeit- und Arbeitsdruck und nicht zuletzt durch die Einführung von Studiengebühren schwinden die Ressourcen, um sich gesellschaftlich zu engagieren. Die Freiräume, die notwenig sind, um die Übernahme von Verantwortung zu erleben und zu erlernen, schwinden. Studien belegen, wie wichtig Jugendverbände als Werkstätten der Demokratie sind. Ohne Jugendverbände geht mittel- bis langfristig betrachtet den zivilgesellschaftlichen Organisationen der Nachwuchs aus, denn auch hier gilt: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr.
Unsere Forderungen
• Keine Kürzung bei der Förderung der überregionalen Jugendverbände. Jugendverbände leisten einen unverzichtbaren Beitrag für ein gelingendes Aufwachsen junger Menschen. Wir fordern stattdessen eine ausreichende und angemessene finanzielle Unterstützung unserer Arbeit.
• Die Förderung von Jugendverbänden darf sich nicht auf die Förderung von Maßnahmen beschränken. Insbesondere die ehrenamtliche Tätigkeit junger Menschen muss stärker gefördert werden, indem mehr getan wird für die Vereinbarkeit von Ehrenamt mit Schule, Studium und Beruf. Konkret fordern wir, die Befreiung von Studiengebühren für die ca. 1.500 Studierenden mit Jugendleiter/innen-Card (JuLeiCa). Ferner sollen JuLeiCa-Inhaber/innen bei der Vergabe von Studien-, Ausbildungs- und Arbeitsplätzen besonders berücksichtigt werden. Bei der Vergabe von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen sollte die Freie und Hansestadt Hamburg und alle Unternehmen, an denen sie beteiligt ist, mit gutem Beispiel voran gehen.
• Jugendverbände benötigen Räume, wo sich die Gruppen wöchentlich treffen können. Diese Wirkungsstätten gehören zur sozialen Infrastruktur, für deren Vorhandensein und Erhalt auch die staatlichen Stellen zu sorgen haben. Wir erwarten von der neuen Regierung, dass sie den Bestand und den Ausbau der vorhandenen Wirkungsstätten garantiert.
• Jugendverbände benötigen zusätzliche Ressourcen und Unterstützung, wenn sie zusätzliche Aufgaben übernehmen wollen oder sollen. Das betrifft insbesondere die Behandlung von Querschnittsthemen wie Jugend und Europa, Gesundheitsförderung, Ausbau von Ganztagsschulen und Beteiligung an Bildungskonferenzen.
• Jugendverbände wollen selbstbestimmt mitbestimmen. Jugendverbände gehören jungen Menschen und dürfen nicht von Erwachsenenorganisationen oder Behörden und Ämtern fremdbestimmt werden. Auch wenn es manchmal anstrengend ist: Senat und Bürgerschaft haben mit den Jugendverbänden und ihrer Zusammenschlüsse einen natürlichen Partner für das Erörtern jugendpolitischer Problemstellungen.
• Der Landesjugendring Hamburg fordert eine stärkere Partizipation von Kindern und Jugendlichen und ihrer Zusammenschlüsse in ihren jeweiligen gesellschaftlichen Lebensräumen. Dazu bedarf es unserer Meinung nach einer Stärkung von vorhandenen Strukturen und Institutionen, die schon jetzt wirkliche Entscheidungsmöglichkeiten eröffnen sowie einer Erweiterung von echten Mitbestimmungsmöglichkeiten auf allen Ebenen. Hierzu gehören insbesondere Stärkung und Ausbau von Freiwilligendiensten, altersgemäße Partizipationsprojekte nach § 33 des Bezirksverwaltungsgesetzes sowie die Absenkung des aktiven und passiven Wahlalters auf 14 Jahre.