von Marco Wiesner, Öffentlichkeitsarbeit und Protokoll der Hamburgischen Bürgerschaft
Die Shell Jugendstudie ist deutschlandweit bekannt und wird geschätzt. Auch die 16. Shell Jugendstudie beruht wie gewohnt auf bundesweiten Befragungen und wird wissenschaftlich in Bielefeld und München erarbeitet. Der Anstoß aber kommt aus Hamburg, von der Shell Deutschland Holding GmbH. Während jedoch die aktuellen Ergebnisse bereits bundesweit präsentiert wurden, gab es in Hamburg noch von keiner Institution Ambitionen, die Erkenntnisse vorzustellen und öffentlich zu diskutieren. Dabei legt die Untersuchung Einstellungen und Tendenzen offen, die für unsere Gesellschaft von immenser Bedeutung sind. Diese Erkenntnis gab den Ausschlag für die gemeinsame Veranstaltung der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, der Shell Deutschland und der Hamburgischen Bürgerschaft am 25. November 2010 im Hamburger Rathaus.
Im Fokus stand dabei das dritte Kapitel der Studie – ›Jugend und Politik‹. Schließlich zeigten die Befragungen im Rahmen der Studie, dass sich vielleicht eine allmähliche »Repolitisierung« der Jugend abzeichnen könnte. Gleichzeitig offenbart die Studie neben einer erfreulich hohen Demokratieakzeptanz einen anhaltenden Vertrauensverlust gegenüber Politik und Parteien. Der Präsident der Bürgerschaft, Dr. Lutz Mohaupt, wies gleich zu Beginn in seiner Begrüßungsrede nochmals explizit auf dieses Dilemma hin: »Ich bin sehr bewegt, dass das Interesse von jungen Menschen an Politik gestiegen ist. Auf der anderen Seite steht aber die Aussage, dass die Skepsis oder auch die Kritik oder geradezu die Abwehr gegenüber dem, was man das Politische nennt, ebenfalls gestiegen ist. Ich finde es deshalb wichtig, dass wir alles daran setzen, um eine Annäherung zu ermöglichen.«
Das Hamburger Landesparlament verstärkt schon seit Längerem seine Bemühungen, den Themenbereich Politik jungen Menschen zu vermitteln – lange bevor sie sich im Wahlalter befinden. So hat die Bürgerschaft mit dem Kindersachbuch »Pixi Wissen – Politik und Demokratie« sowie dem erzählerisch konzipierten Pixi-Bilderbuch »Ich hab’ eine Freundin, die ist Abgeordnete« neue Wege der Parlaments-PR beschritten. Dies gilt in gleichem Maße für die Produktion von drei Folgen einer Kinderhörspielreihe unter dem Titel »Die Alster-Detektive«. Die Erfolge der genannten Publikationen bei der Zielgruppe zwischen fünf und 13 Jahren sind so erfreulich, dass 2011 zwei weitere Hörspiele veröffentlicht werden. Dieses Engagement des Hamburger Landesparlaments zeigt den Willen der Abgeordneten zum mutigen Experimentieren mit verschiedensten Vermittlungsformaten. Es werden somit stets neue Ansatzpunkte gesucht, um sich für neue Ideen altersgerechter Zugänge zur jugendlichen Zielgruppe inspirieren zu lassen – und so Angebote wie das Planspiel ›Jugend im Parlament‹, das Eventformat ›Nacht der Jugend‹ oder die Onlinekommunikation über Facebook zukünftig sinnvoll ergänzen zu können.
Unter dem Titel »Ich engagier’ mich doch – aber anders!« sollte also am 25. November im Rathaus zwischen Gästen und Politikern ein Austausch anhand konkreter, lokaler Erfahrungen und Gegebenheiten in Sachen gesellschaftlichem Engagement entstehen, der Wünsche, Erwartungen, Interessen, Zugänge und Hindernisse benennt. Der Einladung folgten rund 170 Hamburger/innen.
Ein Aspekt der Diskussion mit den jugendpolitischen Sprechern der Bürgerschaftsfraktionen war die Frage, wie breit gesellschaftliches Engagements zu fassen und wie es zu bewerten ist. Vom Podium aus berichteten sie von den persönlich sehr unterschiedlichen, erst allmählichen Annäherungen an die Politik – unter anderem über die Funktion des Schulsprechers, über das Engagement im Haus der Jugend vor Ort oder gewerkschaftliche und ökologische Projektarbeit. Parteiarbeit wurde von den Abgeordneten auch mit Blick auf derartige Lebensläufe nur als eine mögliche Variante benannt, sich aktiv ins politische Leben einzubringen. Die Parlamentarier betonten zudem, dass in ihrer Wahrnehmung Aktionsformen wie Demonstrationen durchaus Konsequenzen hätten und deshalb nicht gering geschätzt werden sollten. Sie mahnten weiterhin die Beachtung auch kleiner und kleinster Projekte von Bürgern und Vereinen an, die für die Stärkung des Sozialraums eine wichtige Rolle spielten. Hier bestand zwischen Politikern und Gästen Einvernehmen.
Im weiteren Verlauf der Podiumsdiskussion wurde dann die Sorge der Jugendlichen diskutiert, bei einer möglichen Mitarbeit in Parteien durch den Zwang zu Kompromissen Ideale verleugnen zu müssen. Die Politiker berichteten in diesem Zusammenhang über persönliche Erfahrungen bei innerparteilichen Diskussionen und Meinungsbildungsprozessen, die sie als durchaus produktiv erinnerten. Gemeinsam betonten sie die Notwendigkeit, eine mehrheitlich abgestimmte Linie letztlich immer mittragen zu müssen, um unter anderem für den Wähler eine belastbare Parteiposition vorweisen zu können. Sie wehrten sich gegen den weit verbreiteten Eindruck, dass sich parteipolitische Arbeit im Verlust von persönlichen Vorstellungen erschöpfe. Ihnen war wichtig darauf hinzuweisen, dass Parteiarbeit auch ein sehr motivierendes Wir-Gefühl vermitteln könne. Schon am Anfang der Veranstaltung hatte Parlamentspräsident Dr. Lutz Mohaupt bei den Gästen mit einer ähnlichen Zielrichtung um Empathie geworben: »Politik ist aus der Innensicht heraus nicht so schlecht, wie sie manchmal dasteht, gemacht wird oder sich selber macht. Es wird in einem – zu 90 Prozent – redlichen, ordentlichen Ringen für unser Gemeinwesen gestritten und gerungen. Das ist schwierig, denn an den Abgeordneten zerren unendlich viele Kräfte. Und der Ausgleich von Interessen, das heißt Abstriche machen, das sieht man dann nicht so gern.«
Eben diese unterschiedlichen Wahrnehmungen des politischen Betriebs und seiner Entscheidungen wurden in der Publikumsdiskussion klar benannt. Die Eingeladenen nutzten die Gelegenheit zur offenen Aussprache. So äußerten die beteiligten Jugendlichen, dass ihnen bei Politikern zum Beispiel das gelegentliche Einräumen von Schwächen fehlen würde und sie mahnten an, sich oft nicht gehört und ausreichend ernst genommen zu fühlen. Differenziertes Argumentieren politischer Akteure empfinden sie oft als Ausflucht. Diese und weitere Reaktionen des Publikums unterstrichen eindrucksvoll die Befunde der Shellstudie. Dass davon niemand unbeeindruckt blieb, zeigte sich vor allem beim anschließenden Ausklang in den vielen kleinen, ständig in der Zusammensetzung wechselnden Gesprächsgruppen mit den Abgeordneten. Es wurde einander noch gut zwei Stunden zugehört und argumentiert.
Der Abend war damit ein guter Ausgangspunkt zum intensiven Nachdenken über die für unsere Gesellschaft wichtige, aber überaus schwierige Kommunikation zwischen Jugend und Politik. Die Hamburgische Bürgerschaft ist froh, mit der Veranstaltung, die die Ergebnisse der Shell Jugendstudie so eindrucksvoll erlebbar gemacht hat, einen Schritt in diese Richtung gemacht zu haben. Nun sind alle Beteiligten gefragt, weitere Schritte zu gehen.