Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 1-2019, Rubrik Vielfältige Jugendarbeit

Roter Samt, goldener Stuck und über 2.000 Pfadfinder/innen

Der Hamburger Singewettstreit in der Laeiszhalle

Von Henning Schwen, Hamburger Singewettstreit

»Plötzlich roch's in der Laeiszhalle nach Feuerrauch« titelte die Hamburger Morgenpost am 25. Februar. Der Grund hierfür war jedoch kein Lagerfeuer, sondern über 2.000 Pfadfinder/innen sowie Bündische – wie Wandervögel, Waldjugend oder Malteserjugend, die sich zum gemeinsamen Singen und Musizieren auf dem 42. Hamburger Singewettstreit in der ausverkauften Laeiszhalle trafen.

Angefangen hat alles 1955 in der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg, als sich sechs Gruppen zum ersten Singewettstreit trafen. Zwei Jahre später traf man sich am Jungfernstieg und sang dort. Weitere Stationen waren das Audimax der Uni Hamburg, das Congress Center Hamburg (CCH) und die Laeiszhalle. Über die Jahre hat sich der Hamburger Singewettstreit, kurz auch HaSiWe genannt, zum mittlerweile ältesten und vor allem größten Singewettstreit in Deutschland entwickelt. So fand er dieses Jahr am 23. Februar bereits zum 42. Mal statt – wieder einmal in der Laeiszhalle.

Gesungen wird in fünf Kategorien. Das Alter der Teilnehmenden ist dabei gemischt – die jüngsten Sänger/innen sind meist noch im Grundschulalter. Als Erstes treten die Sippen, Horten, usw. mit den jüngsten Teilnehmenden auf. Es folgen die Bünde, Stämme, Ortsringe, usw., die ebenfalls Kinder dabei haben, aber bei denen auch Ältere mitsingen. Es folgen die Singekreise, die professionellste Kategorie. Des Weiteren gibt es eine offene Kategorie, die ein Forum für Kreatives und Neues ist. Denn so wie die bündische Jugend ist auch das Liedgut immer in Bewegung und ändert sich. Auch dafür soll Platz auf dem Singewettstreit sein. Vor zwei Jahren wurde die Kategorie Einzelsänger/innen und Duette eingeführt, um auch ihnen die Teilnahme zu ermöglichen. Zudem gibt es die Sonderkategorie »1 Lied – 7 Tage«: Teilnehmende in dieser Sonderkategorie bekommen sieben Tage vor dem Singewettstreit ein Lied oder ein Gedicht, das sie bis zum Singerwettstreit kreativ interpretieren und neu vertonen sollen. Fast 400 Sänger/innen aus verschiedensten Bünden, zum Beispiel aus dem Pfadfinder- und Pfadfinderinnenbund Nord, aus dem Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder und aus dem Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder, hatten sich insgesamt angemeldet. Für viele sind es die ersten Erfahrungen auf einer großen Bühne vor so vielen Personen. Wochen, manchmal Monate, bereiten sich die Akteure auf ihren Auftritt vor.

Bereits zum zweiten Mal konnte die – wie immer barfuß auftretende – Gruppe Xantíoné den ersten Platz in der Kategorie der Sippen, Horten, usw. belegen. Und bereits zum dritten Mal hat in der Kategorie Stämme der Stamm Calapallo gewonnen, der jedes Jahr mit über 60 Personen aus Karlsruhe nach Hamburg zum Singewettstreit anreist. Der Stamm ist damit auch jedes Jahr wieder eine der größten Gruppen auf dem HaSiWe. Mit einer Bassklarinette, das – neben einer Milchkanne – wohl ungewöhnlichste Instrument des Abends, konnte sich die Gruppe RBX aus Berlin in der Kategorie der Singekreise den ersten Platz sichern.
In einer kurzen Pause spielte Singadjo, eine Band aus dem Kölner Raum mit bündischem Hintergrund, ihre Lieder mit Einflüssen von Balkan, Latin und Liedermacher-Folk – und man musste sich entscheiden: Will ich jetzt lieber kurz Ruhe oder doch lieber tanzen?

Lied vom Mistkäfer. Weiter ging es mit der offenen Kategorie, und die hatte mit dem Cover von Dickes B von Seeed durch die Gruppe Berliner Melange aus Berlin ordentlich etwas zu bieten. Der erste Platz war ihnen dafür sicher. Aber es gab auch einen überraschenden zweiten Platz: Für die Zeitreisenden, eine der jüngsten und kleinsten Gruppe mit nur drei Personen, die mit einem selbst geschriebenen Lied punkten konnte. In der Kategorie Einzelsänger/innen und Duette belegte Jens Kauen wie immer den zweiten Platz mit seinem Lied »Irgendeiner muss das ja machen«, das von einem Mistkäfer handelt. Aber dafür ist er der Gewinner der Herzen.

Die Laeiszhalle ist ein ganz besonderer Ort für den Singewettstreit. Zwar fand er 1968 schon einmal in der großen Konzerthalle am Johannes-Brahms-Platz statt, aber für die meisten Teilnehmenden war es trotzdem eine Premiere. Und die waren alle sehr begeistert von der tollen Atmosphäre. Denn diese Lokalität bedeutet eine schöne Wertschätzung der bündischen Musik wie auch für die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen und bildet zudem mit den roten Samtsitzen einen spannenden Kontrast zu den derben Wanderstiefeln der Pfadfinderinnen und Pfadfinder.

Programm bis zum Fischmarkt. Doch der Hamburger Singewettstreit ist mehr als nur der Singewettstreit an einem Samstag. Es geht bereits am Donnerstag davor mit einer Singerunde in einer Hamburger Eckkneipe los. Am Freitag findet die Vorfeier mit einem Konzert statt. Der Singewettstreit selbst wird von einem Markt begleitet. Zahlreiche Stände bieten alles für Fahrten an – zum Beispiel Lederhosen, Fahrtenmesser und Liederbücher – oder informieren über aktuelle Angebote und Aktionen – wie zum Beispiel über die Mytilus, einen Traditionssegler für Jugendgruppen, oder über pfadfinden queerfeldein, einem Arbeitskreis rund um das Thema LGBTIQ* (lesbisch/schwul/bisexuell/trans*/inter*/queer) und Pfadfinden. Zudem kann man sich als Knochenmarkspender/in bei der DKMS registrieren lassen. Und nach dem Singewettstreit geht es noch weiter auf der Nachfeier. Hier wird bis in die Morgenstunden gesungen. Eine kleine Kapelle musiziert und gibt auch Anleitungen für die richtigen Tänze. Polka für alle. Denn wo immer es möglich ist, wird getanzt und gesungen, am besten mit Allen zusammen. Und wer dann noch immer nicht genug hat, zieht auf den Fischmarkt weiter.

Alles selbst gemacht. Der Hamburger Singewettstreit wird trotz seiner Größe komplett ehrenamtlich und ohne Aufwandsentschädigung oder Bezahlung vom Vorbereitungskreis des Hamburger Singewettstreit e.V. organisiert und durchgeführt. Da es sich um keine kommerzielle Veranstaltung handelt, ist der Verein auf finanzielle Unterstützung in Form von Spenden angewiesen. Der Vorbereitungskreis besteht aus Mitgliedern verschiedener Bünde – zum Beispiel dem Pfadfinder- und Pfadfinderinnenbund Nord, der Christlichen Pfadfinderschaft Deutschlands oder dem Pfadfinder und Pfadfinderinnenbund Nordlicht. Zudem unterstützen über 200 Helfende den Vorbereitungskreis und tragen so zum Gelingen bei. »Ich stand selber schon auf der Bühne und habe gesungen. Nun helfe ich dabei, dass auch andere diese Möglichkeit bekommen«, sagt pyro, einer der Organisatoren aus dem Vorbereitungskreis, und ergänzt: »Auf dem Hamburger Singewettstreit vor einem so großen Publikum zu singen, ist wirklich einmalig.« 2018 eröffnete sogar Melanie Leonhard, die Hamburger Senatorin für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, selbst eine ehemalige Pfadfinderin, den Hamburger Singewettstreit.
Das Ziel des Hamburger Singewettstreit ist es, die bündische Musik, ob traditionell oder neu und kreativ, sowie das gemeinsame Singen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, zu fördern. Die Musik der bündischen Szene sowie altes Liedgut soll nicht nur erhalten, sondern auch weiterentwickelt werden. Dafür wird es auch 2020 wieder einen Hamburger Singewettstreit geben, zum 43. Mal dann. Die Vorbereitungen haben bereits begonnen.