Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2014, Rubrik Titelthema

Stichwort: Hooligans gegen Salafisten

»Zu viele Deutsche mit dem Rücken an der Wand: alt, arm, obdachlos, einfach ausrangiert, doch für Fremde wird frisch renoviert.«

(Aus dem Song »Vereint euch« der Band »Villain051 & Wut aus Liebe«)

Das ist die Argumentation: Flüchtlinge und Asylsuchende würden in Deutschland in gut ausgestatteten Heimen untergebracht, während für alte Menschen die Rente knapp würde und Deutsche auf der Straße leben müssten – so lässt sich die Argumentation der Rechtspopulisten der Bewegung »Hooligans gegen Salafisten« (HoGeSa) zusammenfassen, die Ende Oktober in Köln und im November in Hannover demonstrierte. Ähnliche Argumente benutzt auch Lutz Bachmann, der die Bewegung »Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« (PEGIDA) mit ins Leben gerufen hat, die seit Oktober in Dresden demonstriert.

So sieht’s wirklich aus: Hamburgs Senator Detlef Scheele schrieb im September in einem Rundbrief, dass es aufgrund des wachsenden Flüchtlingsstroms nicht mehr möglich sei, eine »menschenwürdige Unterbringung« von Asylbewerbern zu gewährleisten. Vor allem die Aufnahmeeinrichtungen für minderjährige Flüchtlinge seien vollkommen überlastet. In der Erstaufnahmeeinrichtung an der Schnackenburgallee sind zurzeit so viele Flüchtlinge untergebracht, dass einige von ihnen in Zelten schlafen müssen. Und in einer Flüchtlingsunterkunft in Wilhelmsburg fehlt es sogar an Strom und Wasser. Auch die Behauptung, Flüchtlinge wollten nur vom deutschen Sozialsystem profitieren, hat eine Studie vor kurzem widerlegt (s. punktum S. 14).

Daraus folgt: Die Behauptung, »Fremden« würde es gut gehen, während Deutsche Not leiden, ist rechtspopulistische Stimmungsmache gegen Flüchtlinge und Asylsuchende. Doch genau darum geht es Bewegungen wie HoGeSa oder PEGIDA. Sie bieten für die Unzufriedenheit sozial abgehängter Bürger eine Projektionsfläche mit einem Sündenbock. Statt eine differenzierte Gesellschaftskritik zu leisten, wird mit Schuldzuweisungen gearbeitet. Nach dem Motto »Die haben, was Euch fehlt« schüren HoGeSa und co. gezielt Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie. Wie bei allen Sündenbocktheorien stört es ihren Erfindern wenig, dass die diskriminierte Gruppe weder Schuld hat am gesellschaftlichen Problem der Kinder- und Altersarmut noch realiter – wie die Salafisten – eine ernsthafte Bedrohung darstellt. Gerade einmal 
5 Prozent der deutschen Bevölkerung sind Muslime, Salafisten machen weniger als 0,1 Prozent von ihnen aus; der Verfassungsschutz schätzt ihre Zahl auf 6.300 in ganz Deutschland.

Weiterdenken & Weiterfragen: Fraglos gibt es eine wachsende Kinder- und Altersarmut in Deutschland, während das Privatvermögen der Reichen weiter zunimmt. Wo liegen dafür die gesellschaftlichen Ursachen? Global betrachtet ist die Ungleichheit noch krasser: Nach jüngsten Berechnungen aus dem Jahr 2014 verfügen die reichsten 85 Menschen über so viel Reichtum wie die ärmere Hälfte der Erdbevölkerung zusammen: diese 
85 reichsten Menschen besitzen ein Vermögen von 1 Billion Britische Pfund, was dem Vermögen der 3,5 Milliarden ärmsten Menschen entspricht. (mb)