Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 4-2014, Rubrik Titelthema

Stichwort: Gutmenschen

»Gutmenschen sind Tugendterroristen.«

So wird argumentiert: Ob Lichterkette für den Frieden, Fahrradfahren für den Klimaschutz oder Veggie Day gegen Massentierhaltung – die Befürworter solcher Losungen werden zuweilen als Gutmenschen gescholten. Von Leuten, denen scheinbar aufdringliche Moralgebote zuwider sind. Sie geißeln die Gutmenschen als naive Weltverbesserer, welche die harte Realität der Gesellschaft ignorieren. So schreibt etwa ein Leser auf der rechtspopulistischen Seite pi-news in typischer Weise über die Gutmenschen: »Es ist die Angst, sich einzugestehen, dass ihre Vorstellung, wonach wir alle in einer kunterbunt friedlichen Welt leben, in der alle Menschen und Kulturen gleichwertig und liebenswert sind (wenn man nur selber nett genug ist), der Realität nicht standhält. Diese ›Gutmenschen‹ haben schlicht und einfach Riesenschiss davor, sich mit dem Gedanken vertraut machen zu müssen, dass die Welt da draussen entgegen ihrer jahrelang gepflegten Halluzination voll von irren, brutalen Unmenschen ist, denen man – wenn überhaupt – nur mit geladener Waffe begegnen möchte.«

Kritik: Dass es in der Welt nicht zum Besten steht, Bürgerkriege grassieren, Armut in vielen Ländern vorherrscht und dreiste Ideologien an Boden gewinnen, steht außer Frage. Die Sorge darum treibt viele Menschen zum Protest oder zum Handeln an – manchmal mit unzureichenden Vorstellungen oder Mitteln. Wer diese aber pauschal als »Gutmenschen« diskreditiert, statt die Mühe der Kritik aufzubieten und das womöglich Unzureichende der opponierenden politischen Vorstellung argumentativ herauszuarbeiten, der macht es sich zu einfach. Mit dem Ausdruck Gutmensch greift der Rechtspopulist einerseits das ethische Ideal des guten Menschen in hämischer Weise auf, um Andersdenkende pauschal und ohne Beachtung ihrer Argumente in Verruf zu bringen und als naiv hinzustellen. Andererseits wähnt sich der Kritiker der Gutmenschen, wie in dem obigen Zitat, selbst in der wahren Erkenntnis der schlimmen Weltlage. Dabei trägt diese vermeintliche Kenntnis deutliche Züge einer – nach Freud – »Identifikation mit dem Angreifer«. Denn der Gutmenschen-Opponent möchte »in der Welt da draussen«, die »voll von irren, brutalen Unmenschen« sei, diesen »nur mit geladener Waffe begegnen.« Er macht sich damit selbst zum potentiellen Unmenschen. Seine Schwarz-Weiß-Interpretation der Weltlage scheint ihm nur den einen Ausweg zu weisen, indem er die supponierten Mittel der »irren, brutalen Unmenschen« selbst in die Hand nimmt. Also selbst zur Gewalt greift.

Weiterdenken: Wer Andere als Gutmenschen diffamiert, dem sind dessen humanistische Ideale verdächtig. Dass es mit ihrer Praxis, etwa mit den Menschenrechten in vielen Ländern, schlecht steht, spricht gegen unmenschliche Diktaturen sowie Ideologien und nicht gegen das Ideal. Die Schwierigkeit ist folgende: Wer Andere als naive Vertreter von humanistischen Idealen kritisiert, der sollte das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. Also kritisch an Idealen festhalten, ohne deren unmittelbare Ohnmacht etwa unter Diktaturen zu verkennen. (jg)

Quelle: Kommentar von »toll_toller_tollerant« auf der Website Politically Incorrect: www.pi-news.net/2014/
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