Von Ulrike Dorfmüller, Volksbund Dt. Kriegsgräberfürsorge, Landesverband Hamburg
Auf der Website der NPD Hamburg tönt es Mitte August kraftmeierisch: Beim »alliierten Bombenterror vom Juli 1943« sei mit »planmäßiger Grausamkeit […] Tod und Verderben über Hamburg« gebracht worden. Der Opfer dieses »Verbrechens unvergleichlichen Ausmaßes«, für das es »keine Rechtfertigung geben« könne, müsse »Jahr für Jahr aufs Neue« gedacht werden. Dass Rechtsextreme ihre geschichtsrevisionistischen Parolen dieses Jahr jedoch erneut nicht an zentraler Hamburger Stelle auf dem Ohlsdorfer Friedhof verbreiten konnten, ist u.a. dem Ohlsdorfer Friedensfest zu verdanken.
Seit seiner Erstauflage im Jahre 2009 ist es das Anliegen des Ohlsdorfer Friedensfestes, das Gedenken an die Bombardierung Hamburgs durch die Alliierten im Hochsommer 1943 in angemessener, nuancierter und demokratischer Weise zu begehen. Das komplexe und diffizile Thema soll nicht Rechtsradikalen überlassen werden, die die Opfer des Bombenkrieges dazu missbrauchen, die Ursachen des Zweiten Weltkrieges umzudeuten und die Verbrechen des Nationalsozialismus zu relativieren. Über einen Zeitraum von zwei Wochen hinweg – und damit den historischen zeitlichen Rahmen der sog. »Operation Gomorrha« vom 25.7. bis zum 3.8. abdeckend – organisierte das »Bündnis Ohlsdorfer Friedensfest« auch 2012 wieder eine ganze Reihe von Veranstaltungen: Lesungen, Konzerte, Diskussionen, Gespräche mit Zeitzeugen/innen etc. Auch ein Theaterworkshop und eine Video-Projektion auf das Bombenopfer-Mahnmal standen auf dem Programm, wodurch Beiträge von Teilnehmenden zweier internationaler Jugendbegegnungen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in die Gedenkveranstaltung integriert wurden. Dank der Veranstaltungsreihe konnte auch dieses Jahr wieder der Gedenk-Raum am Bombenopfer-Mahnmal sowohl ideell als auch physisch besetzt werden.
Die Vielfal der Perspektiven, die in den Ver anstaltungen eröffnet werden, trägt dem Grundgedanken der Organisatoren/innen Rechnung, dass öffentliches Gedenken an die Opfer des »Feuersturms« nicht isoliert, ohne Rekonstruktion des historischen Kontexts geschehen kann. Die Bomben auf Hamburg 1943 fielen nicht aus heiterem Himmel, sondern waren ein Ergebnis der nationalsozialistischen Herrschaft. Das Bündnis Ohlsdorfer Friedensfest vereint erfolgreich so unterschiedliche Institutionen wie z.B. den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, das Hamburger Bündnis gegen Rechts, Psychosoziale Arbeit mit Verfolgten, die Hamburger Friedhöfe AöR, Gegen Vergessen – für Demokratie oder die Kirchengemeinden Mittleres Alstertal.
Doch genau diesem funktionierenden Bündnis soll nun möglicherweise die finanzielle Förderung gestrichen werden: Die Gelder aus dem Bundesprogramm »Toleranz fördern - Kompetenz stärken« sind an die Unterzeichnung einer Erklärung geknüpft, die die Mitglieder des Bündnisses nicht unterschreiben wollen. In der Erklärung wird u.a. gefordert, dass sich der Antragsteller – hier der Volksbund Hamburg – dazu verpflichtet, die anderen Bündnisparteien auf ihre Verfassungstreue hin zu überprüfen. Diese Überprüfung ist aus Sicht des Volksbundes weder realisierbar noch wünschenswert, denn erfolgreiche Kooperationen beruhen auf gegenseitigem Vertrauen und nicht auf misstrauischer Beobachtung. Ärgerlich und deutlich zurückzuweisen ist auch der Generalverdacht, unter den viele Institutionen gestellt werden, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Gerade die Auseinandersetzung mit den Mechanismen der NS-Diktatur führt die Organisatoren/innen des Ohlsdorfer Friedensfestes zu dem Schluss, dass nicht staatliche Überwachung sondern gemeinsam gelebte politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung die Demokratie fördert und sie gegen Rechtsextremismus stärkt.
Ob das Ohlsdorfer Friedensfest trotz fehlender Unterschrift Fördergelder aus dem Bundesprogramm erhält, wird sich in den kommenden Tagen bzw. Wochen erweisen. Ein erstes Urteil des Leipziger Oberverwaltungsgerichts vom April 2012 hatte bereits ergeben, dass die Erklärung rechtswidrig ist. Nachdem Revision eingelegt wurde, bleibt nun die Klärung durch höhere Instanzen abzuwarten. Die Regiestelle des Bundesprogramms hat am 14.9.2012 – als Reaktion auf das Urteil – die »Extremismus-Klausel« etwas entschärft und den Passus zur aktiven Gesinnungsüberprüfung gestrichen. Ob diese Entschärfung für Mittelempfänger tragbar ist, wird noch zu klären sein.