Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 2-2012, Rubrik Titelthema

Ein wandernder, mobiler Stand

Lukas Slinspach (16) zur Frage, wie der Hannoversche Bahnhof zu einem lebendigen Gedenkort werden kann

Was hast du von Deportationen in Hamburg gewusst, bevor du dich zum Workshop angemeldet hast?

Lukas: Im Grunde genommen nur das, was meine Großeltern mir erzählt haben – und zwar, dass im Nationalsozialismus Nachbarn verschwunden sind, und dass die Großeltern nicht wussten, wie das kam. In unserem Schulunterricht wurden die Deportationen aus Hamburg nicht behandelt. Berlin, wo es große jüdische Gemeinden gab, wurde behandelt, aber nicht Hamburg. Ich kannte den Hannoverschen Bahnhof nicht und habe erst im Projekt von den hier organisierten Deportationen erfahren. Das war erschreckend.

Seid ihr am Lohseplatz gewesen?

Lukas: Ja, das ist jetzt ja quasi Brachland. Die Überreste und die Schienen sind kaum zu erkennen, so dass es schwierig ist, sich das alles vorzustellen.

Warum haben dir die Pläne der Architekten zur Gestaltung des Lohseplatzes nicht gefallen?

Lukas: Es wird viel mit Betonelementen gearbeitet. Es soll auch nicht nur eine Gedenkstätte geben sondern eine Gedenkstättenlandschaft – und alles wird mit Betonelementen gestaltet. Ich bin kein Fan von Beton, weil’s kalt ist, und die Geschichte, auf die dieser Beton hinweist, ist dann auch kalt. Das will ich aber nicht. Ich will, dass die Geschichte brühwarm ist.

Brühwarm? Fällt dir etwas ein, was dich in der Gegenwart an Faschismus erinnert?

Lukas: Zum Beispiel die sogenannten Dönermorde. Da wurden Menschen umgebracht aufgrund ihrer Herkunft. Und das zeigt, dass in Deutschland dieser Zustand immer noch anhält. Das geht nicht.

Was bereitet deine Arbeitsgruppe vor?

Lukas: Wir planen – nach einem Berliner Vorbild – einen mobilen Stand, der auf den Gedenkort aufmerksam macht, indem er von Punkt zu Punkt wandert – zum Beispiel auch zu Schulen – und einen Teil der Ausstellung schon vorab präsentiert. Zurzeit arbeiten wir an den Textfeldern. Dann gibt es eine virtuelle Fahrradtour zu den Gedenkorten, einen Kartentisch und einen Touchscreen, auf dem man nachschauen kann: Was geschah zur NS-Zeit in meinem Wohnviertel? Wir möchten nämlich, dass der Hannoversche Bahnhof ein lebendiger Gedenkort wird, ein Ballungsort, zu dem die Leute auch kommen. Daneben werden eine Schule, die Hafenuniversität und ein wunderschöner Park sein. Und der mobile Stand, den wir hier entwerfen, wirbt für die Gedenkstätte, zu der hoffentlich viel, viel Publikum kommt. Hamburger Deportationen sind ein Thema, von dem fast niemand etwas weiß. Wie, fragen mich Leute, da wurden Roma, Sinti und Juden deportiert? – Das ist wichtig, dass das auch noch mal beleuchtet wird! Nicht nur in Berlin, wo so viele Touristen hinkommen. Auch in Hamburg!