Landesjugendring Hamburg e.V.
Heft 2-2011, Rubrik Titelthema

»Die Schulen glauben, dass nur sie die wesentlichen Akteure sind …«

Gespräch mit Hans-Peter de Lorent und Hans-Werner Schäfer, Behörde für Schule und Berufsbildung, über die Perspektiven der Regionalen Bildungskonferenzen und die Sorgen der Jugendverbände

?: Die Regionalen Bildungskonferenzen sind in den Hamburger Bezirken gestartet. Welche Funktion sollen diese Konferenzen haben? Was ist ihre Zielvorgabe?

de Lorent: Die Zielvorgabe ist im Schulgesetz festgelegt. Eine Abstimmung von Bildungs- und Betreuungsangeboten soll in den Bezirken erreicht werden, die nicht auf die Schule reduziert ist. Das spiegelt sich in den Regionalen Bildungskonferenzen, in denen Bildungsakteure jenseits der Schule zahlreich vertreten sind. Hintergrund ist die Entwicklung, die Schule nicht mehr als Halbtags- sondern als Ganztagsveranstaltung zu sehen. Dafür müssen wir die Angebote erweitern, da einerseits Bildung nicht nur Schule ist und andererseits Kinder und Jugendliche auch andere Interessen haben, welche die klassische Halbtagsschule nicht abbilden kann. Mit den Regionalen Bildungskonferenzen wollen wir erreichen, dass alle, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, an einen Tisch kommen. Das hat in der Vergangenheit nicht regelhaft stattgefunden und führte zu viel Frustration und Parallelentwicklungen.

?: Die Bildungskonferenzen starten also mit einem Bildungsmonitoring, um zu schauen, was es auf der regionalen Ebene überhaupt gibt. Die Schulen waren lange Zeit Inseln in ihren Stadtteilen. Soll jetzt die Tür für Bildungspartner geöffnet werden?

de Lorent: So kann man das sagen. Aber wir sind erst am Start einer Bestandsaufnahme. In den Regionalen Konferenzen beginnen wir mit der Konfrontation mit vorhandenen Daten, Problemen und auch Defiziten in den Bezirken. Schon in einem ersten Durchgang haben wir festgestellt, dass allein die Vorbereitung auf diese Konferenzen bei der Bildungsbehörde und den Bezirken dazu geführt hat, dass sich ein Verständnis für die jeweils andere Seite entwickelt. Jeder versucht dabei zu verstehen, was die Interessen, Ziele und Arbeitsschritte der jeweiligen Partner sind. Das ist die Basis. Dann geht es damit los, gemeinsam zu denken und gemeinsame Projekte zu realisieren.

?: Die Bildungskonferenzen sind also ein erster Schritt. Und die weiteren Schritte? Soll am Ende des Prozesses die Entwicklung regionaler Bildungslandschaften stehen?

Schäfer: Richtig, die Bildungskonferenzen sind zunächst einmal ein Instrument, um Akteure im regionalen Bildungsbereich zusammenzubringen, Vernetzungen, die schon bestehen, zu intensivieren und neue Vernetzungen zu schaffen.
Die Zielvorstellung dieser Bildungskonferenzen auf der strukturellen Ebene ist, dazu beizutragen, dass irgendwann ein komplettes, regionales Netz der Bildungsakteure existiert. Und dieses Ziel wäre nach meinem Verständnis als Bildungslandschaft zu bezeichnen.

?: So einfach? Die regionalen Konferenzen können zunächst nicht viel mehr leisten als das bereits angesprochene Monitoring. Eine darüber hinausgehende Kooperation zwischen außerschulischen Bildungsträgern und Schulen wäre doch von einem größeren Konzept zu flankieren. Denn sonst laufen diese regionalen Bildungskonferenzen ins Leere. Man lernt sich kennen, weiß, wer was macht, und sagt nach zwei Jahren einfach Tschüss?

de Lorent: Die Regionalen Bildungskonferenzen sind kein Projekt, das auf kürzere Zeit ausgelegt ist. Wir beginnen zunächst mit Regionalen Bildungskonferenzen auf der bezirklichen Ebene. Schon der nächste Schritt wird die lokale Ebene erfassen. Wenn wir uns in zwei Jahren noch mal sprechen sollten, werden wir schätzungsweise 30 bis 40 lokale Bildungskonferenzen haben, die stadtteilorganisiert und -orientiert sind. Dieser Prozess soll in der Entwicklung von Bildungslandschaften münden. Und das auf Dauer.

Schäfer: Diese Einschätzung hängt auch das von der Frage ab, was eine Bildungslandschaft ist. Die Bildungslandschaft ist ein Begriff, für den die Wissenschaft zurzeit keine einheitliche Definition geprägt hat.
Aber schauen wir mal in die Praxis: In Eimsbüttel z.B. gibt es ganz viele kleine Bildungslandschaften, wenn man es als Kooperation zwischen formaler, nonformaler und informeller Bildung definiert. Nach der ersten großen Konferenz, zu der der ganze Bezirk eingeladen war, folgt jetzt als nächster Schritt, dass auf Ebene der Stadtteile weitergearbeitet wird. Und das zum großen Teil selbst organisiert. Die bezirkliche Steuerungsgruppe greift eigentlich nur die Impulse auf, leistet Support und begünstigt die Entwicklung. Mit anderen Worten: Das ganze Modell der Regionalen Bildungskonferenzen zielt darauf, bestehende Netzwerke, also Bildungslandschaften zu begünstigen, zu befördern und eine Systematisierung des Austausches zwischen den Netzwerken für ganz Hamburg zu ermöglichen, um quasi ein Gesamtnetzwerk entstehen zu lassen.

?: Sie sagen zurecht, dass es nicht »das« Konzept der Bildungslandschaften gibt. Gleichwohl gibt es Unterscheidungen, die auf Erfahrungen aus der Praxis basieren. In Nordrhein-Westfalen, das den ersten Anlauf zu einer Bildungslandschaft unternahm, monierte die begleitende Forschung, dass die ersten Schritte wesentlich schulzentriert waren, so dass der nachfolgende Schritt, in dem außerschulische Bildungsträger mit ins Boot geholt werden sollten, nur scheitern konnte. Wie unterscheidet sich das Hamburger Modell von diesem Ansatz? Wie weit ist es tatsächlich offen für partizipative Strukturen? Und für einen kooperationsorientierten Ansatz?

de Lorent: Wir realisieren das. Wir hatten zunächst Defizite zu bewältigen, welche die Vernetzung der Schulen verschiedener Schulformen betreffen. Es gab früher behördliche Schulaufsichten, die schulformbezogen waren. Das haben wir in der Schulbehörde vor drei Jahren geändert und Schulaufsichten für alle Schulen geschaffen – und zwar über alle Schulformen hinweg. Damit gibt es eine klare Kommunikation zwischen unterschiedlichen Schulformen, um übergreifend zu wissen, wer wie arbeitet und woher die Schüler kommen.
Das war der erste Schritt. Bei den Bildungskonferenzen sind die Schulen zwar wichtige Spieler, aber sie sind in der Gesamtheit der Konferenzen nicht in der Mehrheit. Die Mehrheit bilden außerschulische Vertreter. Wir haben in Harburg beispielsweise gerade eine Übersicht erstellt, wer an den ersten beiden lokalen Bildungskonferenzen teilgenommen hat. Die Mehrzahl waren Träger, die außerschulisch mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Die Schulen glauben manchmal, dass nur sie die wesentlichen Akteure sind. Das stimmt aber nicht. Das spiegelt sich in den Konferenzen wider.

?: Gleichwohl bilden die Schulen die Tanker in dem Strom der Konferenzen. Außerschulische Bildungsträger haben nur dann eine Chance, wenn auch der Tanker die Richtung ändert. Stichworte: Ganztagsschule und der Nachmittagsbereich. Ist es denkbar, dass Schüler irgendwann frei wählen können, ob sie z.B. am Nachmittag lieber zu den Pfadfindern gehen statt in der Schule zu verbleiben? Um so etwas zu ermöglichen, müsste sich die Schule erheblich wandeln. Können die derzeitigen Bildungskonferenzen den bislang schulzentrierten Reformprozess in Hamburg aufbrechen, um die Entwicklung von Bildungslandschaften kooperationsorientiert zwischen Schule und außerschulischen Bildungsträgern zu gestalten?

Schäfer: Um es mal konkret zu machen: Die regionalen Schulentwicklungskonferenzen zwischen 2008 und 2009 waren zunächst ganz klar auf die Schulen bezogen. Es ging darum, Schulstandorte und deren Profile neu zu bestimmen. Was jetzt passiert, ist vom schulgesetzlichen Aspekt immer noch auf Schule bezogen. Aber der politische Wille geht auch dahin, Schule mit anderen Bildungsträgern auf Augenhöhe kooperieren zu lassen. Die Frage, was dabei rauskommen soll, ist teilweise in dem Konzept der Regionalen Bildungskonferenzen beantwortet: zunächst die Schaffung von Handlungskonzepten auf der regionalen Ebene. Darüber hinaus sollen Empfehlungen für den jeweiligen Bezirk erarbeitet werden, deren Realisierung davon abhängig sind, dass die Fachbehörden diese mittragen. Diese Empfehlungen werden in die Hamburg weite Lenkungsgruppe der Regionalen Bildungskonferenzen gegeben und dort bearbeitet, entschieden oder an die jeweilige Fachbehörde weitergegeben.
Das heißt also: Die Regionalen Bildungskonferenzen erarbeiten konkret und direkt vor Ort Handlungskonzepte für Schulen und außerschulische Bildungsträger und eröffnen Wege für Fragen, die über die Region hinausgehen. Diese Wege sind im Moment noch Zukunftsmusik. Aber es gibt die klare Absicht, dass es nicht beim Kennenlernen bleibt.

?: Worauf beziehen sich die Handlungskonzepte?

de Lorent: Ich nenne mal die fünf wichtigsten Themen, die sich derzeit in den Bildungskonferenzen abzeichnen. Dadurch wird deutlich, wie weit der jetzt eingeleitete Prozess über Schule hinaus- und in viele Lebensbereiche junger Menschen hineingeht.
Der am häufigsten genannte Punkt sind die Übergänge von Kindern in die Schule und von jungen Menschen aus der Schule heraus, die anders und besser zu organisieren wären. Und wobei stärker zu berücksichtigen ist, wer mit wem hier zu tun und zu kooperieren hat.
Beim Übergang von der Kita zur Schule gibt es Überlegungen, an den Grundschulen eine über den Schultag hinausgehende Betreuung zu entwickeln. Das wäre ein Systemwechsel und nur in enger Zusammenarbeit mit den Kita-Trägern realisierbar.
Dann der Übergang Schule – Beruf: Wir brauchen behördenintern eine viel engere Verzahnung zwischen den Stadtteilschulen, Gymnasien und den beruflichen Schulen. Wir benötigen u.a. Berufsschullehrer an den Stadtteilschulen, die für Berufsorientierung zuständig sind. Vergleichbares gilt für den Übergang Schule – Studium: Die Vorbereitung der Jugendlichen auf ihre Zukunft soll schon während der Schulzeit passieren und nicht nur aus Sicht der Schule sondern mit Akteuren aus den universitären Bereichen, in welche die jungen Leute einmal wechseln wollen.
Dann haben wir die Themen Integration, u.a. von Kindern mit Migrationshintergrund, und Inklusion. Migrantenorganisationen sind sehr an den Bildungskonferenzen interessiert. Da kommt der ganze Bereich der Sprachförderung mit hinein. Und auch die Inklusion ist ein großes Entwicklungsthema für Hamburg, wo alle Institutionen, die mit Behinderung zu tun haben, mit am Tisch sitzen.
Und schließlich brauchen wir ein Handlungskonzept für Ganztagsschulen, in dem klar wird, welche Auswirkungen diese Schulform für freie Träger hat. Das ist den Schulen manchmal erst durch die Bildungskonferenzen klar geworden. Hier gilt es ein Konzept zu entwickeln, wie außerschulische Lernorte einbezogen werden können und wie eine Zusammenarbeit mit Jugendmusikschulen, Künstlern oder Jugendverbänden in der Region gelingen kann. Das also sind die zentralen Aufgaben, an denen jetzt in den Regionalen Bildungskonferenzen gearbeitet wird.

?: Das sind viele Baustellen. Aber in allen Überlegungen zu den genannten Handlungskonzepten erscheint die Schule als zentraler Ausgangspunkt. Woher rührt Ihr Optimismus, das nicht alle, derzeit freien Bereiche in der Lebens- und Bildungswelt junger Menschen nach den Belangen der Schule ausgerichtet werden?

Schäfer: Der Grundgedanke ist ja, dass Schule den Bildungsauftrag, den sie hat, nicht mehr alleine erfüllen kann. Ich denke, dass diese Defizitanalyse grundsätzlich bei allen, die mit Schule zu tun haben – sowohl hier in der Behörde als auch bei den Schulleitungen und Lehrkräften –, angekommen ist. Daher rührt unser Optimismus für einen grundlegenden Wandlungsprozess. Er wird mittelfristig zum Selbstverständnis und zum Handlungskonzept von Schulen gehören, mit anderen Bildungsträgern zu kooperieren. In vielen Fällen ist das bereits heute schon Praxis. Eine Stadtteilschule in Eimsbüttel beispielsweise pflegt im Bereich der Berufsorientierung mittlerweile Kontakte mit über 30 Betrieben.
Dennoch ist Ihre Sorge berechtigt und treibt auch uns um. Denn in Deutschland existiert eine lange Tradition, welche die Schule als eine Insel sieht. Aber gerade angesichts der Probleme müssen wir diese Engstirnigkeit überwinden.

?: Die Sorgen aus der Sicht der Jugendverbände möchte ich einmal konkretisieren. Wenn immer mehr Halbtags- zu Ganztagsschulen ausgebaut werden, stehen Jugendverbände einerseits vor dem Problem, dass das freie Zeitbudget junger Menschen für ein autonomes und Interesse geleitetes Engagement schwindet. Die Basis der Jugendverbände ist also bedroht.
Andererseits erfährt gerade die nonformale Bildung, die Jugendverbände leisten, in der Debatte um Bildungslandschaften eine beachtliche Aufwertung. Aus der Defizitanalyse der Schulen heraus ist die Einsicht gewachsen, dass Schulen mit nonformalen Bildungsträgern wie den Jugendverbänden kooperieren sollen, um junge Menschen besser auf das Leben vorzubereiten.
Für Jugendverbände ergibt sich insofern die seltsame Situation, dass der Aufwertung ihrer Arbeit das schwindende freie Zeitbudget ihrer Mitglieder gegenüber steht. Wenn nun in den Konferenzen und in einer späteren Bildungslandschaft eine Kooperation von Schulen und Jugendverbänden auf Augenhöhe gewollt ist, ist das für Jugendverbände eine zeit- und ressourcenintensive Herausforderung. Nicht nur die Schulen auch die Jugendverbände müssen durch organisatorische Hilfen in die Lage versetzt werden, um neue und kooperative Wege im Rahmen der Ganztagsschule zu gehen.
Kurz: Jugendverbände sehen ihre Bildungsarbeit anerkannt, haben aber die Befürchtung, dass ihnen die Luft in einem schulzentrierten Reformprozess ausgeht.

Schäfer: Was Sie beschreiben, ist absolut zutreffend. Diese Sorgen der Jugendverbände sind wirklich ernst zu nehmen. Aber beide Seiten – also Schule und außerschulische Träger – haben eine Leistung zu vollbringen. Denn es gilt im Bereich der Ganztagsschulen nachzuholen, was in anderen Ländern selbstverständlich ist. Schule hat die Leistung zu vollbringen, sich auf Ganztagsunterricht umzustellen. Das ist schon schwer. Und die außerschulischen Anbieter, die alle ihren Platz neben der Halbtagsschule gefunden hatten, müssen sich darauf umstellen, dass die Zukunft der Ganztagsschule gehört. In diesem Spannungsfeld muss ein Aufeinander-zu-gehen entstehen. Das wird gelingen. Denn auch in Ländern wie in England oder Frankreich, in denen es traditionell Ganztagsschulen gibt, existiert beispielsweise eine große Bewegung der Pfadfinder. Der internationale Vergleich zeigt, dass beide Formen – Ganztagsschule und nonformale Bildungsträger – mit- und nebeneinander funktionieren können.

?: Es kann gelingen. Aber dafür bedarf es eines partizipativen Reformkonzeptes, das die Ebenen Jugendhilfe und Schule insgesamt erfasst, das also über die derzeitigen Treffen der Akteure und ein »Dann schauen wir mal weiter« hinausgeht. Wo sind dazu die Ansätze in Hamburg?

de Lorent: Darüber wird nachgedacht. Ich glaube, dass die Bildungskonferenzen gerade dafür hilfreich sind, die Schulentwicklung inhaltlich und konzeptionell breiter anzulegen, als wenn man es nur mit Schulexperten macht. Die Entwicklung der Schule hin zu einer Ganztagsschule führt schon bei den Schulen selbst dazu, den Blick zu verändern. Denn Ganztagsschule kann nicht bedeuten, das, was man am Vormittag macht, auf den Nachmittag auszuweiten. Schule muss anders organisiert, und außerschulische Lernorte müssen in anderer Weise miteinbezogen werden. Schule wird vielleicht auch humaner werden für Kinder und Jugendliche, wenn es eine andere zeitliche Verteilung gibt. Da bestehen für Jugendorganisationen große Chancen, diese Veränderung mit zu entwickeln. Ich glaube aber, dass die größere Bedrohung für Jugendverbände die G12-Reform war und der damit verbundene Stress, den man Kindern und deren Familien angetan hat.

?: Wird G12, also das Abitur nach zwölf Schuljahren, wieder fallen?
de Lorent: Dafür sehe ich in Hamburg keine Bewegung. Ich kann mir eher vorstellen, dass Eltern ihre Kinder eher auf die Stadtteilschulen schicken, weil sie ihren Kindern die Zeit geben möchten, in dreizehn Jahren zum Abitur zu kommen und diese vermeintliche Verkürzung der Schulzeit – man hat die Schulzeit ja nicht verkürzt, sondern einfach in zwölf Jahre hineingepresst – vermeiden wollen. Der Senator hat allen Stadtteilschulen das Angebot gemacht, Ganztagsschulen zu werden und das werden sie auch schrittweise annehmen.

Schäfer: Durch ihre beharrliche Nachfrage nach einem Konzept ist mir nochmals deutlich geworden, dass es keine Alternative zu den Bildungskonferenzen gibt. Was eine Bildungslandschaft ausmacht, die Kooperation auf Augenhöhe, kann nur in solchen Formen stattfinden. Man kann das nicht verordnen. Man kann kein Konzept hinlegen und sagen: »Macht das jetzt so«. Ob die regionalen Bildungskonferenzen letzten Endes das einzige Mittel sind, wird sich zeigen. Wir gehen davon aus, dass dieses Konzept weiterentwickelt werden muss.

?: Sprechen wir also über den Fahrplan der Regionalen Bildungskonferenzen. Im Grundlagenpapier steht lapidar zum Ergebnis: »Impulse werden aufgenommen und Empfehlungen werden umgesetzt«. Das ist doch ein bisschen mager. Da wir in der Diskussion den Punkt schon erarbeitet haben, dass Schule sich verändern muss, somit meine Frage: Gibt es eine konzeptionelle Idee zur gemeinsamen Weiterentwicklung der Bildung in der Schule und Jugendhilfe?

Schäfer: Das findet sich in dem Konzept der Regionalen Bildungskonferenzen nicht. Aber diese sind eingebettet in dem »Rahmenprogramm Integrierten Stadtteilentwicklung« (RISE). Zudem arbeiten wir mit dem Bundesprojekt »Lernen vor Ort« zusammen, das sich die Förderung des lebensbegleitenden Lernens auf die Fahne geschrieben hat und formale, nonformale und informelle Bildung umfasst. Auch könnte man z.B. den 12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2007 nennen. Kurz, es gibt eine Menge Grundlagen, die den Beteiligten bekannt und die auch maßgebend sind.

?: Wer Bildungsgerechtigkeit und Bildungslandschaften in benachteiligten Stadtteilen schaffen will, sollte zu den guten Absichten und Ideen auch Geld in die Hand nehmen. Folglich: Wo ist das Förderprogramm Bildung in Hamburg, das den Ergebnissen der Bildungskonferenzen in zwei Jahren zur Realisation verhilft?

Schäfer: Ein Förderprogramm Bildung gibt es für Hamburg noch nicht. Aber es gibt Programme wie das erwähnte RISE, das neben anderen Handlungsfeldern auch Bildung umfasst und deren Ausbau in den Stadtteilen mit Mitteln fördert.
Ob es irgendwann mal dazu kommt, dass es ein Hamburg weites Förderprogramm Bildung gibt, darüber können wir nur spekulieren. Ein Problem ist, dass es in Hamburg – obwohl Bildungspolitik in unserer Behörde für Schule und Berufsbildung verankert ist – keine Zuständigkeit für Bildung im umfassenden Sinne gibt. Wir sind letzten Endes weitestgehend eine Schulbehörde. Und die anderen Bildungsaspekte junger Menschen sind in anderen Behörden angesiedelt und funktionieren dort nach anderen Mechanismen. Da gibt es also ein strukturelles Problem.

de Lorent: Es gibt z.B. viele Maßnahmen für Kinder und Jugendliche mit sozialen oder anderen Problemen, die von unterschiedlichen Behörden initiiert werden und parallel laufen. An einem Schüler mühen sich oftmals fünf unterschiedliche Institutionen ab. Hier könnte eine Synchronisierung sicher erhebliche Ressourcen freimachen, die anders nutzbar sind, wenn behördliche Parallelstrukturen abgebaut werden.
Wir hoffen, dass wir mit dem Konzept der Regionalen Bildungskonferenzen viel dazu beigetragen werden, um solche Gräben zu überwinden – nicht nur zwischen den Behörden sondern auch zu den Bezirken. Schon jetzt am Anfang ist die Kooperation deutlich besser geworden. Und wir wissen inzwischen, dass wir einander brauchen.

?: Herr de Lorent, Herr Schäfer, ich danke Ihnen für das Gespräch.


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Das Interview führte Jürgen Garbers, Landesjugendring Hamburg